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Lebenswege Lebenswege: Mit Wushu an die Spitze

Von STEFFEN REICHERT 19.12.2008, 20:15

HETTSTEDT/MZ. - Nun stand da eine neue Stadt. Eine Stadt mit Häusern, mit Straßen, mit Einkaufszentren. Da wusste Maik Albrecht aus Hettstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz) endgültig, dass in China etwas Großes vor sich geht. "Das ist ein Land mit einem unglaublichen Potenzial", sagt er. "Ein Land, in dem eine Energie ohnegleichen steckt." Maik Albrecht beschloss also, in China zu bleiben. Und er machte dort seinen Weg. Heute - sieben Jahre später - ist Maik Albrecht als erster Nicht-Chinese Weltmeister in der chinesischen Kampfkunst Wushu, der Königsdisziplin aller Kampfsportarten.

Der 27-Jährige ist jetzt zu Hause in Wuhan. Die Stadt liegt im Zentrum des asiatischen Landes, da, wo der Jangtse und der Han-Fluss zusammentreffen. Sie hat acht oder neun oder zehn Millionen Einwohner, so genau kann das niemand sagen. Das Stadtzentrum zählte zuletzt rund viereinhalb Millionen Einwohner.

Zwischen Wuhan und Maik Albrechts Geburtsort Hettstedt liegen also Welten. Maik Albrecht hat den Wegzug aus seiner Heimat dennoch nie bereut. Im Gegenteil - er genießt sein neues Leben. In Wippra geboren, in Hettstedt aufgewachsen, in Eisleben das Abitur gemacht - alles schien in festen Bahnen, der Sport gab ihm Orientierung. Er hatte im Boxverein trainiert, sich bei den Ringern versucht und schließlich im Karateklub von Hettstedt, einem der größten Sachsen-Anhalts, gekämpft. "Kampfsport erlebte in den Neunzigern einen riesigen Boom", erinnert sich Albrecht an sein damaliges Hobby. Schließlich stand er vor der Wahl, was er studieren sollte. "Ich dachte eigentlich, dass es etwas mit Sport zu tun haben sollte", so Albrecht. Es wurde dann aber ein Studium der Sinologie an der Universität von Wuhan. Dass es dazu kam, hat auch damit zu tun, dass Herr Li in sein Leben getreten war.

Herr Li ist ein Chinese, der die Kunst des Wushu nicht nur beherrscht, sondern sie auch lehrt. Unter anderem gehören chinesische Polizeibeamte zu seinen Schülern. Die uralte Kunst des Wushu - eine von der chinesischen Regierung offiziell anerkannte Kampfkunstart - beinhaltet neben klassischen Kampfelementen vor allem akrobatische Darstellungsformen, Körperbeherrschung und Dynamik. Als Herr Li Maik Albrecht in Deutschland die ersten Elemente dieser Sportart zeigte, war der Hettstedter derart fasziniert, dass er dessen Einladung nach China annahm. Dort ließ sich Maik Albrecht dann in der Kunst des Wushu intensiv unterrichten.

Aus dem ursprünglich nur für sechs Monate gedachten Aufenthalt sind mittlerweile sieben Jahre geworden. Und aus dem Schüler Maik Albrecht ein Wushu-Weltmeister. Dass ausgerechnet ein Deutscher es geschafft hat, Körper und Geist eins werden zu lassen, hat in China manchen überrascht und dem Deutschen viel Respekt eingebracht. Fernsehen und chinesische Tageszeitungen berichteten ausführlich über ihn. "Es ist mir nicht schwer gefallen, in diese Kultur hineinzuwachsen", erzählt der Hettstedter. Auch weil er zunächst bei der Familie von Herrn Li wohnte und sich so leichter mit dem Leben in China vertraut machen konnte.

Maik Albrecht spricht mittlerweile perfekt Chinesisch. Er hat eine eigene Wohnung und ist verheiratet mit einer Chinesin, die in Köthen studiert hat. Die beiden arbeiten als Übersetzer für das deutsche Generalkonsulat und sind in den verschiedensten Städten des Landes unterwegs. Es ist die Mentalität dieses Landes, die er liebt, die Esskultur, aber auch die Leichtigkeit, mit denen die Menschen nach seinen Beobachtungen den Alltag meistern. "In Deutschland kommt nach Arbeit und Abendbrot der Fernsehabend", sagt er. In China gebe es eine "unglaublich ausgeprägte Esskultur", würden sich die Leute am Abend in Parks treffen. "Hier denken viele vor allem an das Heute und den nächsten Tag" sagt er über den vielleicht größten Unterschied zu Deutschland. "In Deutschland redet man über die Krankenkassenbeiträge."

Er kann sich durchaus vorstellen, eines Tages wieder in Deutschland zu leben. Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht. "China ist das, was ich gelernt habe", versichert er. Deshalb muss er nur einen kurzen Augenblick bei der Antwort auf die Frage überlegen, wo denn inzwischen seine Heimat ist. Herr Albrecht antwortet mit asiatischer Höflichkeit. "Ich habe zwei."