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Landwirtschaft Landwirtschaft: Sprünge für Super-Kühe

Von ANTONIE STÄDTER 10.03.2010, 19:10

BISMARK/MZ. - Und mancher kann es kaum erwarten. Sie werden abgesamt, wie es in der Fachsprache heißt. Von hier aus, der Besamungsstation des Rinderzuchtverbandes Sachsen-Anhalt (RSA) in Bismark (Altmark), wird ihr edles Erbgut in alle Welt verkauft - mit immer mehr Erfolg. Jeder Bulle hat einen harten Selektionsprozess mit langen Quarantänephasen hinter sich - Zuchtwerte müssen einwandfrei sein.

Absamtechniker Erhard Stolpe und Maik Buchmüller führen den zehnjährigen "Merinit", ein Kraftprotz von mehr als einer Tonne, langsam durch den Raum. Er kennt die Prozedur - rund 180 000 Portionen Sperma von ihm wurden bereits produziert. Auf der anderen Seite wartet ein Bulle, der weitaus weniger aufgeregt ist. "Ein so genannter Untermann, der für diese Aufgabe ausgewählt wurde, weil er ein ruhiges Gemüt hat", erklärt Uwe Roitsch, RSA-Abteilungsleiter. Durch den Torbogenreflex ist es möglich, dass in der Station, wo bis zu 60 Bullen leben, ohne weibliche Tiere gearbeitet wird: Eine Silhouette wie ein Torbogen löst bei männlichen Rindern eine sexuelle Reflexkette aus - weil so der Umriss von Kühen aussieht. Und auch "Merinit" setzt zum Sprung auf den Untermann an.

"Die Bullen haben Kraft ohne Ende - aber sind oft sensibel wie Mimosen", sagt Matthias Löber, Geschäftsführer des Zuchtverbands. Manchmal dauere es Monate, bis ein neuer Zuchtbulle seinen Dienst tut - vor allem, wenn er zuvor schon auf natürliche Art gedeckt hat. "Man muss die Tiere behutsam behandeln", so Löber.

Das ist mit der in einem Behälter aufgefangenen Samenflüssigkeit nicht anders: Laborleiterin Kerstin Bindemann verarbeitet sie zügig und sorgfältig. Neben der Dichte misst sie die Menge - "zwischen zwei und fünf Milliliter sind normal". Unter dem Mikroskop untersucht sie dann, wie schnell sich die Spermien bewegen und ob Anomalien vorliegen. Aus all diesen Werten errechnet sie die Zahl der Portionen, die damit hergestellt werden können, meist mehrere hundert. "Es braucht 20 Millionen Spermien pro Dosis", erklärt sie. Zum Schluss wird der Samen mit einem Verdünner gemischt, in Röhrchen abgefüllt und gekühlt - bis er bei minus 196 Grad Celsius im Spermadepot eingefroren wird. Eine Portion kostet später - je nach Zuchtwert und Popularität des Tieres - zwischen sechs und 25 Euro.

"Seit 2009 wird in der Praxis die genomische Analyse angewendet", sagt Zuchtleiter Rainer Schulz, der weltweit unterwegs ist, um geeignete Bullen auszuwählen. Konnte die vererbte Milchleistung früher nur an den Töchtern eines Bullen gemessen werden, lässt sie sich heute vorhersagen. Ein guter Vererber muss zudem ein "solides Exterieur" weitergeben, also gesunde Euter und starke Beine. Zudem sollten seine Töchter möglichst alt werden. "Gesundheitsmerkmale werden - auch wegen der wirtschaftlichen Situation - immer wichtiger", so Schulz.

Während im Standraum als nächstes Bulle "Pocher" an der Reihe ist, steht "Tramitz" nebenan im Behandlungsraum mit Rücken- und damit Sprungproblemen unter einem Solarium. Die Mitarbeiter der Station geben den Tieren meist ungewöhnliche Namen, oft von Berühmtheiten aus Fußball und Fernsehen - das hilft auch bei der Vermarktung. So gab es einmal einen "Ballack", der sich dann jedoch nicht als Vererber qualifizieren konnte - und auf der Schlachtbank landete.

Wenn die Mitarbeiter von "Jannsen" sprechen, geraten sie ins Schwärmen. Mit diesem "ganz speziellen Bullen" konnten über 300 000 Spermaportionen produziert werden. In der Rinderzuchtwelt haben seine Gene einen exzellenten Ruf. Sie wurden nicht nur in Deutschland verkauft - sondern hatten bereits Abnehmer in Chile, Kolumbien, Südafrika oder Osteuropa. Züchter in Australien kauften ganze 50 000 Portionen des Stars unter den Bismarker Rindern. "Er hat mit einem Mal locker 1 000 Portionen hervorgebracht", sagt Matthias Löber. Doch Anfang des Jahres musste das Tier eingeschläfert werden. Seine Name wurde jedoch in einen Findling vor der Besamungsstation eingemeißelt.