Zeitumstellung genutzt Zeitumstellung genutzt: Läufer holen sich geschenkte Stunde zurück

Wittenberg - Es ist Sonntagnacht gegen 1.45 Uhr. Menschenleer zeigt sich die Altstadt von Wittenberg. Dies soll sich in wenigen Minuten ändern, dann, wenn 58 Läufer (davon 25 Frauen) die historische Meile in einem zeitlosen Lauf für eine Stunde erobern. „Der Tag hat 24 Stunden.“ Die Ausrede „Ich habe keine Zeit“ zähle nicht bei einer geschenkten Stunde wie heute.
Klare Argumente von Sven Hamann, Chef der Wittenberger Triathlonfreunde, die er bei Eröffnung des „2. Zeitlosen Laufs“ am Marktbrunnen schmunzelnd erklärt. Das von Brüssel über Berlin bis Wittenberg beherrschende Medienthema, die Zeitumstellung, erfährt in dieser Nacht eine sportliche Komponente. Pro und Kontra zu diesem politischen Dauerbrenner spielen für eine Stunde von 2 bis 3 Uhr nur noch eine untergeordnete Rolle.
Natalie Ehrlich, Pressesprecherin der Triathlonfreunde, hat ihre Familie in dieser Nacht eingespannt. „Mama und Papa habe ich mit dem Triathlonvirus infiziert“, erklärt die ambitionierte Triathletin. In diesem Jahr bewältigte sie die Königsdisziplin in dieser Sportart, den Ironman. In respekteinflößenden 11:44 Stunden war sie die erste Frau im Landkreis, die dieses Abenteuer erfolgreich bestand.
20 Stunden wöchentliches Training sind dazu nötig, wechselnd beim Schwimmen im Bergwitzsee, Radfahren oder Laufen. Der Chefin eines Logistikunternehmens halten die Eltern den Rücken fürs aufwendige Training frei, wie die Sportlerin versichert.
Den Läuferpulk durch die Altstadt begleitet der MZ-Reporter per Fahrrad. Im Gespräch erfährt er, dass der Ruf übers Internet bis zu Norbert Franke aus Magdeburg drang. Neben ihm läuft Torsten Hirsch von Grün-Weiß Pretzsch. Beide bilden das Führungsduo in einem flotten Tempo von 15 km/h. Ehrgeiz herrscht auch bei den Jüngsten im Starterfeld. Das sind Jessica Lorke und Caroline Hamann, neun und zwölf Jahre alt. Sie zeigen großes Talent. „Wir werden am Montag in unserer Klasse darüber berichten“, verkünden die Mädchen stolz. Auch Carolines 15-jährige Schwester Sophie bestreitet das nächtliche Laufabenteuer.
MZ-Lauftrainer Karl-Heinz Kotzur hat sich wie gewohnt unter die Läufer gemischt. Er begleitet Hans Hausmann von der Behindertenwerkstatt des Augustinuswerkes, der als positives Beispiel für den Behindertensport gilt. „Ich wünsche mir aus meinem Umfeld auch einige Teilnehmer. Leider konnte ich noch keinen überzeugen“, so Hausmann bedauernd. Stolze viereinhalb Runden hat inzwischen die Wittenbergerin Susanne Schandert absolviert.
„Ich bin gerade aus Berlin angekommen und habe mich gefreut, dabei sein zu können“, erklärt sie. Guido Schüppenhauer entdeckte vor sechs Jahren die Liebe zum Triathlon. Auf seinem Konto stehen vier erfolgreiche Ironman-Wettkämpfe.
Bekannte Gesichter aus der Läuferszene wie Peter Bahr (74 Jahre) finden offenbar auch keine Nachtruhe und absolvieren Runde für Runde. Das Event findet trotz unangenehmen drei Grad und ungewohnter Stunde großen Zuspruch. Am Ziel verteilen Christine Blaue und Cornelia Volz-Ebert Tee, Kaffee und kleine Snacks, was von den Läufern dankbar angenommen wird.
(mz)