Tödlicher ICE-Unfall Tödlicher ICE-Unfall bei Bülzig: Fahrdienstleiter der Bahn im Fokus

Wittenberg - Bei der Aufklärung des ICE-Unfalls, bei dem am Samstagabend zwei Techniker bei Bülzig (Landkreis Wittenberg) von einem Zug erfasst und getötet worden sind, spielt der Fahrdienstleiter eine entscheidende Rolle. „Beschäftigte, die Arbeiten im Gleisbereich ausführen, müssen sich vor Beginn der Arbeiten beim Fahrdienstleiter melden“, erklärte ein Bahnsprecher am Montag. „Dieser ist auch für die Sperrung von Gleisen verantwortlich und steht mit dem Sicherungsposten im ständigen Kontakt.“
Zugunglück bei Bülzig: Lokführer noch nicht vernommen
Ob der Fahrdienstleiter für den Streckenabschnitt von Wittenberg bis Jüterbog am Samstag Einschränkungen angewiesen hat und ob sich die verunglückten Techniker zuvor bei ihm angemeldet haben, bleibt aber unklar. Die Deutsche Bahn äußerte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu entsprechenden Fragen und Details. Auch die Bundespolizei wollte keine Auskünfte geben. Der Lokführer des ICE wird erst noch vernommen. Die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle erklärte, sie werde von der Bahn „noch weitere Auskünfte anfordern“. Es dürfte bei der Aufklärung jedoch auch um Aussagen von Reisenden gehen.
So berichtete ein Mann, er sei am Morgen im ICE von Berlin nach Leipzig gefahren. Weil zu der Zeit die Strecke zwischen Jüterbog und Wittenberg gesperrt war, sei der Zug über Dessau umgeleitet worden. Die Rückfahrt am Abend sei über die am Morgen gesperrte Strecke erfolgt. „Da stellt sich die Frage, ob die beiden Techniker dort noch unter Zeitdruck an der Behebung von Schäden, die zur vorherigen Sperrung geführt haben, arbeiten mussten.“
Sicht eines Fachmanns: „Es hätten niemals beide Mitarbeiter im Gleis arbeiten dürfen“
Aus Sicht eines Fachmannes, der mehrere Jahre lang als Sicherheitschef einer Firma für die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) gearbeitet hat, hätte das Unglück nicht passieren dürfen. Zwei Mitarbeiter, erklärte er der MZ, schützten sich in der Schweiz immer gegenseitig. Daher arbeite nur einer im Gleis, während der andere auf den Zugverkehr achte. Die Regelungen in Deutschland seien vergleichbar. Ab drei Mitarbeitern komme ein Sicherungsposten zum Einsatz, der keine Arbeiten an der Strecke durchführe. „Diese Grundsätze wurden in irgendeiner Form verletzt, denn es hätten niemals beide Mitarbeiter im Gleis arbeiten dürfen.“ Das verbiete schon der Eigenschutz.
Die Deutsche Bahn verwies ebenfalls auf „eindeutige Regelungen“, ohne jedoch Details zu nennen. Beschäftigte, die im Gleisbereich arbeiten, würden aber „regelmäßig in den jeweiligen Sicherungsmaßnahmen unterwiesen“, erklärte ein Sprecher. „Örtliche Sicherheitsunterweisungen sind zudem fester Bestandteil der Arbeitsabläufe jedes einzelnen Einsatzes im Gleisbereich.“ Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) bestätigte die strengen Vorschriften. „Die Standards sind schon heute sehr hoch“, betonte Sprecher Uwe Reitz. „Das zeigt sich auch daran, dass solche Unfälle sehr selten passieren.“ Gleichwohl müsse man nach der Auswertung des Unglücks von Bülzig sehen, „ob an den Standards etwas geändert werden muss“.
Harsche Kritik gibt es von Reisenden des ICE derweil an der Rettungskräften von Feuerwehr und Bundespolizei. Anders als das Zugpersonal hätten sie den Reisenden „nicht mal ansatzweise“ beim Verlassen des Zuges geholfen. „Viele Menschen jeden Alters und mit teilweise sehr kleinen Kindern, sowie mit viel und sperrigem Gepäck mussten sich unter den Blicken der Helfer gegenseitig unterstützend aus dem Zug und zum Zug begeben“, sagte ein Augenzeuge. (mz)