Para-Leichtathletik Para-Leichtathletik: Kampf um die WM-Tickets

Wittenberg - Die Grand-Dame der Para–Leichtathletik, Martina Willing, darf am Samstag im Lambertstadion nicht fehlen. „Fast wäre es bei mir heute geplatzt. Eine Magen-Darm-Infektion vor drei Tagen“, entschuldigt sich Willing, „doch der Ehrgeiz hat mich wie immer gepackt.“
Mit ihren 60 Jahren und den zahlreichen WM- und Olympiamedaillen ist die Cottbuserin ohne Zweifel der Star der offenen Mitteldeutschen Meisterschaften der Para-Leichtathletik.
Die Arena der Rekorde
35 Teilnehmer wollen es bei günstigen Wettkampfbedingungen (20 °C und Sonnenschein) wissen. Schließlich geht es um die Erfüllung der WM-Norm, die einen Start vom 7. bis 15. November bei den Para-Leichtathletik-WM in Dubai ermöglichen. Da rechnen sich auch die jüngeren Athleten eine Chance aus, wie beispielsweise die 18-jährige Charleen Kosche.
Mit 7,15 Metern im Kugelstoßen schafft die Cottbuserin die erhoffte WM-Norm tatsächlich. „Das ist heute meine persönliche Bestleistung“, jubelt die im Rollstuhl sitzende Sportlerin. Marie Bräme (28) aus Magdeburg legt noch eins drauf. 7,28 Meter stehen bei ihr im Protokoll. „Auf nach Dubai!“ - heißt es für beide. Wittenberg erweist sich wie schon so oft als ein „gutes Pflaster“. „Hier werden Rekorde geworfen. Hier stimmen die Bedingungen“, sind sich Trainer und Athleten einig.
„Wenn doch heute nur ein paar Zuschauer im Stadion wären“, bedauert es Kreissportbund-Präsident Uwe Loos, der mit Interesse die Veranstaltung verfolgt. Neben ihm stehend Gesamtleiter Wilfried Gärtner (TSG Wittenberg) und Ex-Kreissportbund-Präsident Winfried Melzer. Unterdessen versucht Stadionsprecher Wolfgang Grahl, die Stimmung anzuheizen
. „Die Halberstädter haben nicht nur gute Würstchen, sie haben auch gute Läufer.“ Mit diesem kleinen Späßchen lobt er Toni Orthmann, den Sieger über 400 Meter (59,04 Sekunden) aus Halberstadt, der mit einem rasanten Finish die Stadionrunde für sich entscheidet. Auch aus Greifswald sind drei Sportler angereist. Nils Krake (14), gehandicapt durch eine Unterschenkelprothese, erhält moralische Unterstützung von Vater Stephan.
Im Kugelstoßring erweist sich der nur 60 Kilogramm wiegende Athlet (ein Leichtgewicht!) als wahrer Könner. 10,09 Meter bedeuten persönlichen Rekord. „Wir sind schon Freitag angereist und wollen am Nachmittag noch ein wenig Wittenberg entdecken“, berichtet Stephan Krake. Die 28,78 Meter für Nils im Diskus (Platz eins) können sich ebenfalls sehen lassen.
Wie ein Schweizer Uhrwerk
Straff mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks wird der Zeitplan eingehalten. Ein Lob gilt den Kampfrichtern. Organisationschef, und Vorsitzender der TSG Wittenberg Michael Horn ist stolz auf seine Crew. Dazu zählen unter anderem die Familie von der Weide, Christa Berger, Erhard Kurz, Cordula Specht, aber auch Franz Neise und Tobias Ulbrich.
Sie alle sind treue TSG-Mitglieder und sorgen für den reibungslosen Ablauf. Immer wieder zu erleben ist die große Motivation unter den Sportlern. Landestrainerin Theresia Wagner vom SC Magdeburg gibt lautstark wichtige Tipps vom Wettkampfrand an ihre Athleten weiter.
Ganze zweimal 30 Minuten Sendezeit in der ARD wurde den Athleten mit Handicap in den letzten Monaten gewidmet. Das ist einfach zu wenig bei 640 000 Mitgliedern in Deutschland. „Wir geben dennoch nicht auf“, lautet die kämpferische Ansage der Trainerin.
Sie alle haben es verdient, aus diesem öffentlichen Schattendasein heraus zu treten. Einige Fahrkarten für Dubai wurden am Wochenende in Wittenberg gelöst. „Wir kommen wieder hier her“, klingt es nahezu unisono. In diesen Worten steckt ein großes Lob für die Gastgeber, die TSG Wittenberg. Einer, der auch immer dabei ist und allen Behindertensportlern Mut macht, ist der Wittenberger Hans Hausmann (Augustinuswerk, TSG). Außer Konkurrenz startend bewältigt er 3,80 Meter im Weitsprung und 15,5 Sekunden auf der 100-Meter-Strecke.
Für viele bilden die Deutschen Meisterschaften am 14. und 15. Juli in Singen die nächste Herausforderung. Dafür konnten sich Wolfgang Geisler (68) und Mirko Kuhlmey (66) qualifizieren. „Wir beide sind stolz und glücklich“, lautet ihr kurzer Kommentar am Ende. Glücklich waren die Athleten auf ihre Weise alle, wieder einmal über sich hinaus gewachsen zu sein.
(mz)
