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Naturschutz Naturschutz: Die Biber-Schwemme im Kreis Wittenberg bereitet Probleme

Von Andreas Behling 29.01.2017, 06:00
Der Biber wird nicht überall gern gesehen. So manches Mal wird er zum Problembiber.
Der Biber wird nicht überall gern gesehen. So manches Mal wird er zum Problembiber. Archiv/Hinsche

Wittenberg - Es ist etwas ruhiger geworden. Doch vor dem Kälteeinbruch verging kein Tag, an dem nicht das Telefon klingelte. Regelmäßig meldeten sich beim Unterhaltungsverband „Fläming-Elbaue“, der sich um die Gewässer zweiter Ordnung im Landkreis Wittenberg kümmert, Eigentümer und Nutzer angrenzender Flächen. „Sie beschwerten sich über die Schäden, die der Biber hervorgerufen hat“, berichtet Geschäftsführer Torsten Georgi.

Situation im Kreis Wittenberg eskaliert

Die Tiere sorgen seit 2013 für verschärfte Probleme im Kreis, der laut Statistik der biberreichste in Sachsen-Anhalt ist. Inzwischen ist die Situation derart eskaliert, dass der Verband zum Jahresende den Auftrag erhielt, beim in Hannover ansässigen Wasserverbandstag um Unterstützung zu bitten. Das Ziel: Auf politischer Ebene müssen klare Entscheidungsrichtlinien formuliert werden, die sowohl das Eigentum wahren als auch den Biber schützen.

Georgi hat aufgeschlüsselt, weshalb dringender Handlungsbedarf herrscht. „Ein ordnungsgemäßer Abfluss vieler Gewässer ist nicht mehr gewährleistet. Es gibt erhebliche Schäden an land- und forstwirtschaftlichen Flächen, an den Bäumen, die an den Uferböschungen stehen, und an den Gewässern selbst.“ Die bisherige Praxis der Dammregulierung, um die sich der Unterhaltungsverband, das Biosphärenreservat „Mittelelbe“ und ehrenamtliche Naturhelfer kümmerten, sei „absolut nicht mehr ausreichend“.

Die Gesamtfläche des Unterhaltungsverbands „Fläming-Elbaue“ beträgt 64.846 Hektar. Die Gewässer in diesem Territorium haben eine Länge von 870 Kilometern. Das Verbandsgebiet umfasst die Niederschlagseinzugsgebiete der Zahna, der Elbe und des Fließgrabens. Neun Städte sind Mitglied im Verband. Neben der Lutherstadt Wittenberg sind das Kemberg, Bad Schmiedeberg, Zahna-Elster, Oranienbaum-Wörlitz, Coswig/Anhalt, Gräfenhainichen, Jessen/Elster und Annaburg.

Sachsen-Anhalts Wassergesetz bestimmt den Umfang der Gewässerunterhaltung. Wesentliche Aufgaben sind die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Abflusses, die Reinigung, Räumung und Freihaltung sowie der Schutz des Gewässerbettes einschließlich seiner Ufer, der Erhalt der Anpflanzung standortgerechter Ufergehölze und die Erneuerung des Baumbestandes sowie die Unterhaltung und der Betrieb der Anlagen, die der Abführung des Wassers dienen. Zu ihnen gehören beispielsweise Schöpfwerke.

Um „Problembiber“ ging es im Oktober vorigen Jahres bei einer Diskussion von Vertretern von Städten, Verbänden, dem Landkreis und dem Land sowie Fachleuten aus Colmberg in Bayern, zu der nach Kemberg eingeladen worden war.

Auch in Bayern ist der Biber zwar streng geschützt wie anderswo, dennoch seien Ausnahmegenehmigungen möglich, wenn es um die Abwehr größerer Schäden in Land- und Forstwirtschaft oder sogar um öffentliche Sicherheit geht, erklärte Gabriele Kluxen, zweite Bürgermeisterin von Colmberg, die hauptberuflich mit Naturschutz zu tun hat. Fachkundige Beratung, präventive Maßnahmen, Zugriffsmaßnahmen und Ausgleichszahlungen seien die vier Säulen im Bibermanagement. Dafür seien 450.000 Euro im bayerischen Haushalt eingestellt, bestellte ehrenamtliche Biberberater erhalten eine Aufwandsentschädigung von acht bis zehn Euro pro Stunde. „Im Kreis Ansbach gibt es einen Bestand von etwa 1000 Bibern, jährlich entnehmen wir 50 bis 60 Tiere,“ so Kluxen.

Die Schäden zu beseitigen und die Dämme zu regulieren, geht zunehmend ins Geld. 2014 reichten 20.000 Euro aus. 2015 waren es dann schon 26.000 Euro. Und im vergangenen Jahr kletterte der Betrag auf 36.000 Euro. „Durch Überschwemmungen, die auf Biberbauten zurückzuführen sind, können sechs Prozent der Verbandsgewässer nicht mehr unterhalten werden“, berichtet der Geschäftsführer, der noch andere Zahlen parat hat.

2009 gab es 700 Biber im Landkreis, davon 300 im Verbandsgebiet. Drei Jahre darauf kletterte das Verhältnis auf 860 zu 380. Für 2016 gibt es keine konkrete Biber-Zahl aus dem Kreis. Die eigene Zählung im Verbandsgebiet kam auf 760 Exemplare.

„Für die Konflikte mit dem Biber gibt es keine ausreichende Gesetzgebung. Es fehlt an klaren Entscheidungsrichtlinien. Viele Biberkonflikte werden von der Politik noch nicht erkannt. Und bislang kam keine Unterstützung bei den Betroffenen an“, hält Torsten Georgi ernüchtert fest. Dieses Ergebnis hätten die seit 2014 jährlich geführten Bibergesprächsrunden mit dem Naturpark Dübener Heide, dem Biosphärenreservat, dem Kreis, Vertretern der Landwirtschaft und Grundeigentümern zu Tage gefördert.

Der Geschäftsführer beschwört die Gefahr von Überflutungen von Stadt- und Ortsteilen herauf, wenn nicht reagiert werde. „Wir können an Brücken und Durchlässen sowie an Funktionsgräben wie Bahnseitengräben einfach keine Biberdämme akzeptieren“, erklärt er.

Der Vorschlag des Verbands: Einsatz von Biberschutzbeauftragten durch das Land, Behebung der Probleme in kürzester Zeit, Übernahme der Dauerbetreuung der Biber. Die seit September 2016 geförderte mobile Bibereingreiftruppe im Naturpark Dübener Heide könne nur ein erster Schritt sein, Konflikte zu bewältigen.

Modell aus Bayern gewünscht

Der Wasserverbandstag soll sich dafür stark machen, dass gesetzlich verankert wird, wer den finanziellen Aufwand für die Biberbetreuung und Schadensregulierung trägt. Georgi und Verbandsvorsteher Hans-Joachim Harm verweisen auf ein im Freistaat Bayern bewährtes Modell. Dort gebe es einen Entschädigungsfonds, der die Kostenrückerstattung in Höhe von 80 Prozent übernehme.

Zudem sollte es möglich sein, Biber dort zu entnehmen, wo sie für Ärger sorgen und die Kosten zum Nutzen in keinem Verhältnis mehr stehen. „Der Schutzstatus des Bibers ist aufgrund der größer gewordenen Population zu ändern“, lautet eine wesentliche Forderung. (mz)

Wo der Biber wirkt, ist der Abfluss der Gewässer oft nicht mehr gewährleistet. Der Unterhaltungsverband will da mehr Handlungsmöglichkeiten.
Wo der Biber wirkt, ist der Abfluss der Gewässer oft nicht mehr gewährleistet. Der Unterhaltungsverband will da mehr Handlungsmöglichkeiten.
Behling