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Lesung in KZ-Gedenkstätte Lesung in KZ-Gedenkstätte: Robert Cohen stellt Buch über Olga Benario vor

Von Ute Otto 25.04.2017, 12:55
Der in den USA lebende Schweizer Robert Cohen freute sich über das große Interesse an Olga Benario und seinem Buch über sie.
Der in den USA lebende Schweizer Robert Cohen freute sich über das große Interesse an Olga Benario und seinem Buch über sie. Sven Gückel

Prettin - Robert Cohen, Schweizer Germanist, Filmregisseur und Schriftsteller, tut sich an Orten wie der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg schwer mit der Begrüßungsfloskel „Ich freue mich, heute hier vor ihnen sprechen zu dürfen“.

Er freue sich aber ehrlich über das große Interesse, so der 76-Jährige, der in Prettin sein Buch „Der Vorgang Benario - Die Gestapo-Akte 1936-1942“ vorstellt.

Den Namen und das Schicksal der deutschen Kommunistin, die mit ihrem Mann, dem brasilianischen Rebellen Luiz Carlos Prestes, 1936 in Brasilien verhaftet und von dort nach Nazi-Deutschland ausgeliefert wird, kannte bis zur Wende in Prettin jedes Schulkind.

Hieß doch die örtliche Polytechnische Oberschule Olga Benario. Und so freut sich Robert Cohen aufrichtig über das kleine Liederbuch mit dem Schulstempel, das ihm eine ehemalige Englischlehrerin der Schule am Ende der Veranstaltung überreicht.

Mit Olga Benario und Luiz Carlos Prestes, die 1934 in Moskau von der Komintern, dem Internationalen Dachverband der Kommunisten, zusammengebracht wurden, hat sich der in den USA lebende Autor in seinem 2013 erschienenen Buch „Die Unbeugsamen - Briefwechsel aus Gefängnis und KZ heraus“ beschäftigt und dafür auch in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück und in der Euthanasie-Gedenkstätte Bernburg recherchiert.

„So etwas belastet mich immer sehr“, sagt der Autor. In Prettin ist er das erste Mal, vor der Lesung hat ihm die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Melanie Engler die Orte des Leidens gezeigt.

Olga Benario-Prestes war gleich nach der Trennung von ihrer 14 Monate alten Tochter Anita Leocadia, die sie am 27. November 1936 im Berliner Frauengefängnis Barnimer Straße zur Welt gebracht hatte, nach Prettin überstellt worden und blieb dort bis Mai 1939. Dann kam sie ins KZ Ravensbrück.

2015 hat die Regierung Russlands bis dahin nicht zugängliche Akten des Deutschen Reiches in russischen Archiven im Internet veröffentlicht. Die Tochter von Benario-Prestes, mit der Cohen im Briefwechsel steht, hatte ihn darauf aufmerksam gemacht.

Und so recherchierte Cohen in über 4.000 Seiten über Olga Benario. Das ist laut Cohen das größte Dossier, das die Nazis zu einer Einzelperson angelegt hatten. „Als Mitglied im Inneren Kreis der Komintern war sie für die Gestapo besonders interessant.“ Doch Olga Benario weigerte sich beharrlich, Aussagen zu ihrer Tätigkeit für die Komintern zu machen.

„Sie ließ sich selbst durch den Hinweis, dass sie andernfalls in Schutzhaft bleiben und ihr in den nächsten Wochen das Kind genommen werden müsse, zu einem Entgegenkommen nicht bewegen“, heißt es in einem Auszug aus dem Gestapobericht vom 2. September 1937.

Wurde sie anfangs von den Nazis noch als als Kommunistin Benario betitelt, hieß es später nur „die Jüdin“. Olga Benario entstammte einer jüdischen Familie, hatte aber ihren Austritt aus der Religionsgemeinschaft erklärt.

250 Dokumente hat Cohen für sein Buch verwendet. Er habe bei der auszugsweisen Wiedergabe „besonders beamtenhaften Blödsinn behutsam verstärkt“, sagt er, um die Mentalität der Nazi-Beamten zu enthüllen. In „Die Unbeugsamen“ sind die Opfer zu Wort gekommen, jetzt sind es die Täter.

Gelogen wird bis zum Schluss: „Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück meldet, dass Olga Sara Benario-Prestes am 30. April an Herzinsuffizienz bei Darmverschlingung und Peritonitis im KZ verstorben ist“, so ein Gestapovermerk vom 20. Mai 1942.

Dass Olga Benario umgebracht wurde, ist unzweifelhaft. Ob sie tatsächlich in Bernburg vergast wurde, „ist nicht vollständig belegt“, so Cohen. (mz)