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Kraniche im Landkreis Wittenberg Kraniche im Landkreis Wittenberg: Futtern vor dem Abflug

Von Marcel Duclaud 14.09.2018, 11:47
Das Beringer-Team bei Bleddin mit zwei der vier Kraniche, deren Wege jetzt verfolgt werden können. Die Vögel heißen Jana und Acki.
Das Beringer-Team bei Bleddin mit zwei der vier Kraniche, deren Wege jetzt verfolgt werden können. Die Vögel heißen Jana und Acki. Axel Schonert

Bleddin - Ingolf ist dabei. Der junge Kranich hat sein Quartier mit der Familie an den Lausiger Teichen genommen, zusammen mit mehr als hundert Artgenossen. Ein Sender verrät den Ornithologen den Aufenthaltsort des Jungvogels, beringt und mit Sender ausgestattet wurde das gefiederte Tier in diesem Jahr, Ende Juni unweit von Merschwitz.

„Wir haben erstmals in Sachsen-Anhalt Kraniche beringt“, berichtet Axel Schonert, ein Biologe aus Bleddin, der sich intensiv mit Vögeln beschäftigt.

Vier werden verfolgt

Das Verhalten von vier Kranichen, bei denen es gelungen ist, bunte Ringe am Beinchen zu befestigen, kann jetzt prima verfolgt werden. Ingolf zum Beispiel sucht sein Futter gerne auf abgeernteten Feldern oder auf den Elbwiesen bei Sachau und Priesitz, manchmal auch bei Schöneicho.

Ziel der nicht ganz einfachen Beringungs-Aktion, an der mehrere Fänger und Beobachter beteiligt sind, ist laut Schonert, die Zugwege, das Winterquartier und das Ansiedlungsverhalten der Kraniche an ihrer südwestlichen Verbreitungsgrenze, an der Mittelelbe, zu erforschen. Durch die Ergebnisse ließen sich Schlussfolgerungen etwa zum Schutz der Art auch außerhalb der Brutgebiete erarbeiten.

Das junge Tier gehört zu Hunderten imposanten Kranichen, die sich gegenwärtig im Raum Wittenberg sammeln, wie Schonert erklärt: „Sie verbringen die Nacht an mehreren traditionellen Schlafplätzen.“ Kraniche, so der Experte, stehen nachts im Flachwasser, so sind sie vor Räubern wie Fuchs und Wildschwein besser geschützt.

Solche Plätze würden oft über viele Jahre beibehalten. In der Region sind es die besagten Lausiger Teiche, die Elstermündung sowie die Alte Elbe bei Melzwig. Insgesamt halten sich nach Schonerts Beobachtung zwischen 800 und 1 000 Vögel hier auf. „Meist starten sie kurz vor Sonnenaufgang am Morgen zu den Nahrungsflächen, so dass sie mitunter sehr malerisch durch das Morgenrot fliegen. Tagsüber können diese eleganten Vögel dann gut auf den Stoppeläckern von Getreide und Mais beobachtet werden, auf denen sie sich die Energie für den bevorstehenden Zug anfuttern.“

Für die Landwirtschaft sei das durchaus günstig, meint Schonert. Wenn Kraniche Nachlese halten, seien kaum noch Erntereste vorhanden, die später von Wildschweinen unter großen Schäden aus der neuen Kultur ausgegraben werden. Ziel der ziehenden Kraniche ist nach den Worten des Bleddiner Ornithologen die spanische Extremadura, in der die Tiere Steineicheln fressen. Aufgrund der immer milderen Winter zögen viele Vögel freilich nicht mehr so weit, teilweise fliegen sie nur bis Frankreich, manche überwintern sogar in Deutschland.

In Wittenberg lasse sich das noch nicht beobachten, sagt Schonert, dafür in der Niederlausitz oder an der Ostsee. Allerdings wissen die Ornithologen, dass Kraniche später abziehen und früher kommen. „Diese Entwicklung wird sich mit zunehmendem Klimawandel sicher verstärken.“

Wenn die Kraniche Anfang oder Mitte Oktober gen Süden fliegen, kommen freilich andere nach, um an der Elbe Rast zu machen - nämlich jene aus „der nordischen Population“, aus Skandinavien oder dem Baltikum. Wittenberg sei ein spannender Standort, um Kraniche zu beobachten, betont Axel Schonert: „Wir sind hier an einer Grenze, wo wir sagen können, wie sich die Bestände entwickeln.“

Gern in Familie

Im Kreis Wittenberg sind sie relativ konstant. Rund 150 Brutpaare werden hier gezählt. Das sind mit Abstand die meisten in den Kreisen von Sachsen-Anhalt, das auf insgesamt etwa 600 Kranichpaare kommt, die hier brüten.

Übrigens: Ingolf hat zunächst zwischen Merschwitz, Pretzsch und Elbe gelebt. Seit er fliegen kann, ist die Familie an den Lausiger Teich umgezogen. Das sei typisch. Schonert: „Nach dem Flüggewerden verlassen die Familien das Brutrevier und ziehen sich in Rastgebieten zusammen. Nachts sammeln sie sich in traditionellen Schlafgewässern, tagsüber sind sie gern als Familie für sich auf Äckern oder Wiesen auf Nahrungssuche.“ (mz)

Das ist Ingolf, ein junger Kranich, der mit seiner Familie zurzeit an den Lausiger Teichen lebt.
Das ist Ingolf, ein junger Kranich, der mit seiner Familie zurzeit an den Lausiger Teichen lebt.
Axel Schonert
Ingolf, schon ein bisschen größer, mit seinem Papa
Ingolf, schon ein bisschen größer, mit seinem Papa
Schonert