Eberhardinenfest in Pretzsch Eberhardinenfest in Pretzsch: Spuk mit Augenzwinkern

Pretzsch - „Das geht ja kaum noch zu toppen“, ist Wolfram Flämig, Vorsitzender des Kultur- und Heimatvereins, begeistert und gerührt zugleich. Gerade erst ist der tosende Beifall in der voll besetzten Pretzscher Stadtkirche verklungen, der die über 50 Mitwirkenden des Theaterstücks belohnt hat. „Das Geistermahl zu Pretzsch“ ist der Höhepunkt des Nachmittags beim dritten Eberhardinenfest.
Begonnen hat das Eberhardinenfest mit einem Gottesdienst. Nach dem Theaterstück wurde auf dem Schlosshof gemütlich weiter gefeiert, hierhin zogen die Darsteller nach ihrem Auftritt noch in ihren Kostümen. Mancher ließ sich die Eberhardinentorte, Erbsensuppe oder ein Bier munden, besichtigte das Schlosscafé und das Museum. Andere gönnten sich ein Eis oder einen Cocktail und warteten auf den Tanz in den Abend mit „Adoxa Boreal“. Für die Kinder waren ein Spielmobil und die Hüpfburg vor Ort.
Und wer sonst auch immer am Sonnabend um diese Zeit seinem Nachmittagsschlaf frönte, tat gut daran, diesen ausfallen zu lassen. Die Pretzscherin Sybille Zugowski hat als Autorin einen tiefen Griff in die Geschichte getan, hat den Schlossbesitzer Hans Löser samt Gefolge (1583), Friedrich Wieck und Tochter Clara, Erwin Strittmatter (1932) und die ersten Insassen des Militär-Waisenhauses (1829) auf die Bühne gebracht. Den Rahmen bilden zwei Jugendliche aus dem Kinder- und Jugendheim im Schloss, die an einer verwunschenen Uhr drehen und so die einstige Kurfürstin Christiane Eberhardine und ihren Gatten August den Starken erwecken, die den Zug der Pretzscher Geister wohlwollend in Empfang nehmen.
Seit Februar haben die Mitwirkenden geprobt und einen unübersehbaren Ehrgeiz entwickelt. In zum Teil geliehenen Kostümen, damit die Darstellung authentisch wirkt, werden ungewöhnliche Geschichten erzählt. Mittendrin spielen Fiete und Sabri (beide sechs Jahre alt) und die beiden elfjährigen Lukas und Can zwei Kamele. Diese hatte der kurfürstliche Erbmarschall Hans Löser für seinen Tierpark kommen lassen. Die vier Darsteller bekommen Szenenapplaus und sind nach der Aufführung noch ganz überwältigt, so viel Publikum gehabt zu haben.
Elke Amels und Marianne Schütze, die sich als Kurgäste von Erwin Strittmatter den Kaffee servieren lassen, bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Nach dem Ständchen von Elke Amels „Kann denn Liebe Sünde sein?“ sind die Pretzscher völlig aus dem Häuschen. „Ich habe gar nicht gewusst, dass sie so ein Gesangstalent ist“, ist auch Sybille Zugowski überrascht. „Nur die Zigarette hat gefehlt“, meint Erhard Dubrau, Chef des Heimatmuseums, später lachend.
In der Tat hatte Elke Amels in der Probe noch stilecht als Frau von Welt geraucht, doch bei der Aufführung hat offenbar das Feuerzeug versagt. „Ich hatte aber vorher den Oberhirten gefragt“, erklärt sie. „Wir haben es gern gemacht. Zuletzt haben wir fast jeden Tag geübt“, sagt Marianne Schütze, die früh am Morgen schon Speckkuchen für die gemütliche Feier auf dem Schlosshof gebacken hat.
Und als alle denken, das Stück ist vorbei, kommt der Mann auf die Bühne, ohne den Pretzsch undenkbar ist. Der Geist von Eckhard Affeldt (Wolfram Flämig) gibt einige der verrücktesten Geschichten aus seinem Leben zum Besten, etwa als er mit Spargel und Wildschweinbraten Material zum Dachdecken des Schlosses organisiert hat und statt des genehmigten Freibades einfach eine Schwimmhalle baute. Und droht: „Ich werde so lange im Gemäuer spuken, bis mich kein Pretzscher mehr erkennt.“ Das wird hoffentlich nie der Fall sein.
Schnell füllen sich die Körbchen am Ausgang der Kirche. Viele Worte des Dankes werden an die Mitglieder des Kultur- und Heimatvereins gerichtet. „Es war super“, sagt Bad Schmiedebergs Kurdirektor Deddo Lehmann. Und Werner Gutzmer findet: „Hier brennt die Luft.“ (mz)