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Diskussion um Kemberger Biber Biber in Kemberg: Letzte Option Abschuss

Von Karina Blüthgen 01.11.2016, 07:38
Ein Biber
Ein Biber Symbolfoto/CC0

Kemberg - Längst ist er in Deutschland heimisch, der „Problembiber“. Nicht jeder Biber ist ein solcher, aber jene, die es in diese Kategorie geschafft haben, sorgen für reichlich Spannung im Land. Die Gegensätze sind klar definiert.

Unbedingten Schutz verlangt das Gesetz, eine radikale Lösung erwartet der Bürger, dessen Keller, Acker, Wald infolge der Dammbauten unter Wasser gesetzt wird. Zwischen diesen Ansichten ist meist ein tiefer Graben ohne Brücke. Ob es anders geht, will seit einiger Zeit der Ausschuss für Landwirtschaft und Umwelt des Landkreises Wittenberg wissen, der bereits im Mai Probleme aus der Region gesammelt hat.

Dass es anders gehen kann, zeigte am Sonnabend in der Kemberger „Goldenen Weintraube“ eine gut besuchte Podiumsdiskussion unter dem Titel „Biber im Landkreis Wittenberg“. Neben Vertretern von Städten, Verbänden, dem Landkreis und dem Land sitzen Fachleute aus Colmberg in Bayern (Partnerstadt des Stadtteils Wartenburg) mit am Tisch.

Gabriele Kluxen, zweite Bürgermeisterin von Colmberg, die hauptberuflich mit Naturschutz zu tun hat, erläutert: „Im Kreis Ansbach gibt es einen Bestand von etwa 1000 Bibern, jährlich entnehmen wir 50 bis 60 Tiere.“ Entnehmen heißt, dass eine Lebendfalle eingesetzt oder ein Abschuss notwendig wird. Der Biber ist zwar in Bayern streng geschützt wie auch anderswo, dennoch sind Ausnahmegenehmigungen möglich, wenn es um die Abwehr größerer Schäden in Land- und Forstwirtschaft oder sogar um öffentliche Sicherheit geht.

Fachkundige Beratung, präventive Maßnahmen, Zugriffsmaßnahmen und Ausgleichszahlungen seien die vier Säulen im Bibermanagement. Dafür sind 450.000 Euro im bayerischen Haushalt eingestellt, bestellte ehrenamtliche Biberberater erhalten eine Aufwandsentschädigung von acht bis zehn Euro pro Stunde.

Davon können sachsen-anhaltische Ehrenamtliche in Sachen Bibermanagement nur träumen. „Das würde uns helfen, mehr Leute zu gewinnen“, meinte Klaus Nehring aus Annaburg. „Allein die Liebe zum Biber reicht nicht.“ Auch sonst gibt es kaum Vergleichbares.

Während in Bayern das Land Geld bereithält, zahlt in Sachsen-Anhalt der Landbesitzer über seine Umlage für die Unterhaltungsverbände letztlich auch die Schadensbeseitigung selbst, kritisierte der Chef des sachsen-anhaltischen Waldbesitzerverbandes, Franz Prinz zu Salm-Salm, die hiesige Praxis.

Praktische Ansätze erläuterte Wilhelm Kieslinger, erster Bürgermeister von Colmberg und seit 18 Jahren ehrenamtlicher Biberberater. Am Anfang stehe ein Vor-Ort-Termin, bei dem Maßnahmen besprochen werden. „Ein Elektrozaun oder eine sogenannte Drahthose um den Stamm etwa von Obstbäumen hilft meist kurzfristig.“ Bei größeren Maßnahmen wie Drahtgeflechten in Dämmen an Teichen oder Flüssen gehe es ordentlich ins Geld. „Wir haben vielleicht zehn Problembiber pro Jahr“, nannte Kembergs Bürgermeister Torsten Seelig (CDU) Zahlen.

Das Schlimmste sei, wenn Bürger in ihrer Hilflosigkeit losziehen und „sich selbst kümmern“. Im Landkreis leben etwa 835 Biber, im Land sind es knapp 3200, nannte Annett Schumacher von der Landesreferenzstelle für Biberschutz Zahlen von 2012. Der Biber sei nach europäischem Recht geschützt, merkte Jürgen Berg vom Nabu Wittenberg an.

Ob alle Eingriffe nach Brüssel gemeldet werden und ob es von dort Sanktionen gibt, will er wissen. Jedes Jahr würden alle Einzelgenehmigungen über Abschüsse gemeldet, die Bestandszahlen bleiben dennoch stabil, so Gabriele Kluxen. Sie weiß: „Wenn man den Weg bei Problemen nicht zu Ende gehen kann, sinkt die Akzeptanz der Bürger rapide“. (mz)