1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Mansfeld-Südharz
  6. >
  7. "Bunt statt blau": "Bunt statt blau": AfD heizt Debatte um Schulprojekt neu an

"Bunt statt blau" "Bunt statt blau": AfD heizt Debatte um Schulprojekt neu an

Von Joel Stubert und Fabian Wagener 23.05.2019, 05:00
AfD-Fähnchen auf einem Parteitag.
AfD-Fähnchen auf einem Parteitag. dpa

Eisleben/Sangerhausen - In der Debatte um die Kampagne „Bunt statt blau“ ist die AfD einen Tag nach ihrem Schuldeingeständnis nun wieder in den Angriffsmodus gewechselt. Der Hettstedter AfD-Politiker Hans-Joachim Klanert versuchte sich an einer Erklärung der viel kritisierten AfD-Pressemitteilung vom Montag.

Darin hatte die Partei, deren Farbe blau ist, der Berufsbildenden Schule Mansfeld-Südharz (BBS) vorgeworfen, mit einem Projekt „Bunt gegen blau“ Stimmung gegen die AfD zu machen.

Kampagne missverstanden

Es stellte sich allerdings heraus, dass es an der Einrichtung nur ein Projekt „Bunt statt blau“ gibt und dass dieses mit Politik überhaupt nichts zu tun hat. Stattdessen ist es laut Schule Teil einer bundesweiten Kampagne der Krankenkasse DAK Gesundheit gegen Alkoholismus, die mit dem Slogan „Kunst statt Komasaufen“ wirbt.

Einen Tag nach der Mitteilung ruderte AfD-Kreischef Robert Farle dann auch zurück. Er entschuldigte sich bei Schulleiterin Ines Storch und einer in der AfD-Mitteilung namentlich erwähnten Lehrerin.

Er begründete das Missgeschick mit einem anonymen Schreiben einer Person, die an der Schulkonferenz teilgenommen und Infos über das vermeintliche Projekt an die Partei weitergegeben habe. Es sei einfach nicht genug Zeit gewesen, diese Information auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, so Farle.

Schuld wird woanders gesucht

Mit der Entschuldigung, so will man meinen, könnte es dann auch getan sein. Nun allerdings veröffentlichte Hans-Joachim Klanert auf der Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes einen längeren Kommentar. Und dieser liest sich, so zumindest sehen es zahlreiche Facebook-Nutzer, nicht unbedingt so, als übernehme die AfD für ihre falschen Behauptungen die Verantwortung.

Stattdessen schreibt Klanert, dass die AfD „in der medialen Wahrnehmung systematisch in die rechte Ecke gedrückt“ werde und sich Mitglieder stigmatisiert fühlten. Das habe zur Folge, dass „derartige Veranstaltung mit einem wahlpolitischen Hintergrund in Verbindung gebracht werden“.

Im Klartext: Die AfD konnte wohl nicht anders, als die Kampagne „Bunt statt blau“ auf sich zu projizieren. Die Kampagne sei zwölf Tage vor den Kommunalwahlen gestartet „und das in einer Betriebsberufsschule“, also „in der Zielgruppe der Erstwähler“, so Klanert.

„Da lag die Vermutung nahe, dass Bunt statt blau keine Anti-Alkohol-Kampagne sein kann“, sondern eine „politisch instrumentalisierte Kampagne“. Die „Altparteien“ hätten „das Wahlklientel Erstwähler seit langem in den Schulen gesucht und gefunden“ und scheuten „vor keinem Mitteleinsatz zurück“. Damit wolle er aber „nichts entschuldigen“.

Zahlreiche Kommentare

Das kaufen ihm zahlreiche Facebook-Nutzer allerdings nicht ab. Unter dem AfD-Statement zählte Facebook am gestrigen Nachmittag bereits 90 Kommentare - weit mehr als auf der Seite üblich. Und die allermeisten kritisieren die Stoßrichtung des AfD-Beitrags deutlich.

„Ein Eigentor nach dem nächsten“, heißt es. Eine Nutzerin schreibt ironisch: „Einen ganzen Kommentar lang anderen die Schuld geben, um dann ,ich will damit nichts entschuldigen’ zu schreiben, kommt echt glaubwürdig“. Und ein anderer User kritisiert, dass die AfD einen Fehler gemacht habe und sich dennoch „in der Opferrolle“ sehe.

Statement vom Kreisvorstand abgesegnet

Klanert, der für die AfD in den Hettstedter Stadtrat und den Kreistag einziehen will, äußerte sich am Mittwoch auf Anfrage der Mitteldeutschen Zeitung. Sein Statement sei vom AfD-Kreisvorstand abgesegnet worden, sagte er.

Er habe damit versuchen wollen, zu erklären, wie es dazu kam, dass die AfD die BBS fälschlicherweise beschuldigte. Dass zahlreiche Leser seines Beitrags den Eindruck gewannen, die AfD wolle damit die Schuld für ihr Missgeschick nun doch wieder woanders suchen, bedauerte er.

Dies sei nicht die Absicht gewesen. „Wir haben den Fehler begangen“, sagte Klanert. In Zukunft werde man anonyme Schreiben genauer prüfen. „Wir sind bestrebt, dass so etwas nicht wieder passiert.“

Komische Stimmung

BBS-Schulleiterin Ines Storch ist über die AfD-Aktion indes immer noch sehr verärgert. „Herr Farle hat mich am Dienstag angerufen und mir das versucht zu erklären“, sagt sie. Angenommen habe sie seine Entschuldigung nicht. „So etwas darf nicht passieren, ich bin zutiefst erschüttert darüber, das ist durch nichts zu rechtfertigen“, sagte sie.

Besonders enttäuscht sei sie darüber, dass es sich um eine Person aus dem Umfeld der Schule gehandelt habe, die sich an die AfD gewandt habe. „Derjenige hat nicht einmal geahnt, was er damit anrichtet“, sagt sie. „Dadurch, dass wir nicht wissen, wer es war, herrscht hier eine komische Stimmung.“

Man werde mittlerweile von Schülern und auch Unternehmen auf diese Falschmeldung der AfD angesprochen. Sie hoffe, dass sich der anonyme Schreiber noch bei ihr melde, um die Sache aus der Welt zu schaffen. „Es kann nicht sein, dass jeder jeden denunzieren kann. So funktioniert eine Gesellschaft nicht.“

Fassungslosigkeit über Verhalten der AfD

Irritiert war Storch auch über die Veröffentlichung des Entschuldigungsschreibens im Internet auf der Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes, wodurch der Name der zu Unrecht beschuldigten Lehrerin öffentlich wurde. „Das ist der Gipfel“, meinte Storch. „Ich bin einfach fassungslos.“

Auch in Kreisen der DAK Gesundheit auf Bundesebene hat die Pressemitteilung der AfD ein gewisses Echo ausgelöst. Der Bundesverband verbreitete den MZ-Text am Dienstag beim Kurznachrichtendienst Twitter. (mz)

Das hessische Siegerplakat 2019
Das hessische Siegerplakat 2019
DAK-Gesundheit/Wigger