Texte für geistig Behinderte werden übersetzt Texte für geistig Behinderte werden bei der Evangelische Stiftung Neinstedt übersetzt : Raus mit schweren Wörtern!

Neinstedt - Die Evangelische Stiftung Neinstedt handelt nach den Regeln der Nächstenliebe. So steht es auf der Webseite der Stiftung. Kürzlich hat Silvia John allerdings festgestellt, dass viele Bewohner der Stiftung gar nicht verstehen, was damit gemeint ist.
„Unsere Prüfleser haben besonders das Wort ,handelt‘ und das Wort ,Nächstenliebe‘ als schwer empfunden“, erklärt die Leiterin des Büros für Leichte Sprache der Neinstedter Stiftung.
Wöchentlich treffen sich die Lesegruppen, die sich aus Menschen mit einer geistigen Einschränkung zusammensetzen, um Texte zu prüfen, die John in Leichte Sprache übersetzt hat.
Darunter waren in den vergangenen Wochen etwa die Hausordnung des Evangelischen Fachkrankenhauses und die Ausschreibung für den ersten Hölle-Special-Triathlon für Menschen mit geistiger Behinderung, der im August startet. Und eben die Internetseite der Stiftung. „Wir haben uns gefragt, wie wir Nächstenliebe so erklären können, dass es jeder versteht“, schildert John.
„Wir fanden, dass die Sätze danach einfacher zu verstehen sind“, meint Günter Lukas
Einen Tipp bekam sie von Günter Lukas. Der 71-Jährige besucht die Tagesförderung der Stiftung und ist einer der etwa zehn Prüfleser, die sich regelmäßig in Johns Büro treffen. „Wir fanden, dass die Sätze danach einfacher zu verstehen sind“, sagt er. Die Sätze lauteten: „Nächstenliebe ist eine Regel aus dem Christentum. Nächstenliebe bedeutet: Helfen, wenn andere Menschen Hilfe brauchen.“
Diese Sätze, so der Vorschlag der Prüfleser, sollten am Anfang stehen und darunter der Zusatz: „Die Evangelische Stiftung Neinstedt hält sich an diese Regel.“
Dass die Stiftung seit diesem Frühjahr ein Büro für Leichte Sprache hat, um Texte für geistig Behinderte zu übersetzen, verdankt sie der Sozialorganisation Aktion Mensch. „Der Förderbescheid kam im April“, blickt der diakonische Stiftungsvorstand, Hans-Christoph Jaekel, zurück.
Damit kann die Stiftung fünf Jahre lang eineinhalb feste Stellen in dem Büro bezahlen. „Wer ein Los kauft, unterstützt also auch dieses Projekt“, fügt Jaekel hinzu.
Auch externe Aufträge sollen künftig angenommen werden
Langfristig soll sich das Büro aber selbst tragen. „Momentan ist es ein interner Dienstleister“, zeigt Gudrun Dippe auf, die das Neinstedter Förderzentrum leitet. Nur Texte der Stiftung, wie die Webseite, die demnächst auf Deutsch, Englisch und in Leichter Sprache abrufbar sein soll, würden bislang übersetzt.
Das soll sich im Herbst ändern, wie Hans-Christoph Jaekel erläutert: „Wir möchten dann auch Aufträge von externen Stellen, wie Verwaltungen oder Vereinen, annehmen.“
Diese hätten ebenso ein Interesse daran, dass Menschen mit Behinderung ihre Internetseiten verstehen können. Die ersten Anfragen an die Stiftung lägen bereits vor, merkt Jaekel an.
Kurze Sätze, keine Fremdwörter und aktive statt passiver Formulierungen - für das Übersetzen gibt es klare Regeln des Vereins Netzwerk Leichte Sprache, der 2006 gegründet wurde. Noch viel wichtiger sei aber die anschließende Prüfung durch Menschen mit Behinderung, legt Silvia John dar. „Manchmal merken wir bei der Arbeit, wie weit wir eigentlich weg sind von den Menschen, für die wir tätig sind“, stellt sie fest. (mz)