Sonderausstellung "Willi Neubert" Sonderausstellung "Willi Neubert": Er war Stahlwerker und Künstler

Thale - Gerlinde Schwennicke steht in der Galerie des Hüttenmuseums Thale neben dem Gemälde „Mädchen mit Spiegel“, das ihr Vater Willi Neubert 1964 gemalt hat. „Ja, ich habe ihm Modell gestanden“, sagt die Frau aus Thale, die heute in dessen Haus lebt. Das Bild gehört nicht zu den Leihgaben, die die Ausstellungskapelle schmücken, es ist im Familienbesitz.
Die Sonderausstellung „Willi Neubert - Ein Leben für die Kunst“ zeigt Werke des Künstlers, die in sechs Jahrzehnten entstanden. Viele der Betrachter kennen seine Stahlwerker-Bilder, die Arbeiter-Porträts und seine ganz spezielle Email-Kunst aus den DDR-Lesebüchern, als Kunstdrucke in Büros der Arbeiter- und Bauernmacht, aus Galerien und von Häuserwänden in Halle-Neustadt. Acht-Millionen-fach verewigte der Arbeiter-Professor seine „Neuererdiskussion“ auf einer Briefmarke. Der Künstler wusste, woher er kam.
Zum Kunststudium an die Burg Giebichenstein nach Halle delegiert
Im heutigen Brandov/Tschechien geboren, fand er als Vertriebener in Thale eine neue Heimat. Von 1945 bis 1950 arbeitete er als Stahlwerker und Vorrichtungskonstrukteur im Eisenhüttenwerk Thale. Von dort wurde er zum Kunststudium an die Burg Giebichenstein nach Halle delegiert. Für Willi Neubert, der viel mit mit der Technik des Emaillierens experimentierte, wurde 1971 eine eigene Professur geschaffen, die Vermittlung der technischen Emailgrundlagen gehörte zum Studiums der Formgestaltung.
Die Burg Giebichenstein stellte ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, um eine Lagerhalle in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses des Künstlers als externe Werkstatt für die Kunsthochschule umzubauen, heißt es in den Erinnerungen der Familie.
Baugebundener oder architekturbezogener Kunst wurde in der DDR eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. So stand der Künstler dem Institut für Industrieemail in Thale vor.
„Er war ein Beispiel dafür, dass ein Arbeiter sein künstlerisches Talent ausleben konnte“
Der Auftrag für das Emailwandbild „300 Jahre EHW“ Thale anlässlich des 300-jährigen Betriebsjubiläums zeigt nicht zuletzt die enge Verbundenheit zwischen dem Künstler und dem VEB EHW Thale. „Die hat er die ganze Zeit in Halle-Giebichenstein nie verloren“, bescheinigt ihm Bürgermeister Thomas Balcerowski. „Er war ein Beispiel dafür, dass ein Arbeiter sein künstlerisches Talent ausleben konnte.“
Was er heute machen würde, sinniert der Bürgermeister über den Mann, dem 2006 einstimmig die Ehrenbürgerschaft Thales angetragen wurde und „dessen Werke heute so aus einer ganz anderen Zeit stammen.“ Balcerowski sieht eine wesentliche Botschaft: „Die tiefe Mitmenschlichkeit, die Neuberts Kunst prägte, darf uns heute nicht fremd werden.“
Seit 2005 legt sein Wandemailbild „300 Jahre EHW“ am Dampfmaschinengebäude auf dem ehemaligen Werksgelände Zeugnis der Industriegeschichte von Thale ab. Vor zehn Jahren erlebte er die Einweihung seines Werkes „Internationale Solidarität“, das als Leihgabe der Stadt Suhl gegenüber dem Bahnhof Thale zu sehen ist. Der Künstler, der neben Willi Sitte, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer zu den Granden des DDR-Kunstbetriebs zählte, starb am 7. August 2011 in Ballenstedt.
Nach der politischen Wende bewies er, dass er ein kreativer Maler ist. Er wandte sich mit Bildern wie „Gestorbener Wald“ von 1991 und „Abriss Stahlwerk“ von 1995 neuen Formaten und aktuellen Themen zu. Beide bilden wesentliche Pfeiler der aktuellen Exposition. Gerade das bedeutsame Werk vom Ende einer Ära in Thale wühle bei vielen Bürgern bis heute Emotionen und Erinnerungen auf, sagt Ute Tichatschke, Museumsleiterin des Geschichts- und Hüttenmuseumsvereins Thale. (mz)
