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Schwimmen Schwimmen: Wo Faxenmacher spuren

Von DETLEF ANDERS 18.03.2011, 12:54

QUEDLINBURG/MZ. - "Hallo, Frau Schier", sagt ein Mädchen und drückt ihre Schwimmlehrerin zur Begrüßung. Die lächelt freundlich. Eigentlich wie eine Oma, und obwohl Monika Schier tatsächlich schon zweifache Oma ist, in der Schwimmhalle, in der sie jede Woche neun Stunden lang an drei Trainingsnachmittagen Kindern den Feinschliff des Schwimmens beibringt, fühlt sie sich keineswegs wie eine Oma. Der Sport hat sie jung gehalten. Dass sie nächste Woche 70 Jahre alt wird, will man nicht glauben. Wie die Kinder bei ihrem Training spuren, beeindruckt viele Eltern. "Da sind viele Faxenmacher dabei, aber dann kommt ein Pfiff und es gibt keinen Mucks mehr", schildert Monika Schier. Und so lange das so ist, könne sie noch ein Jahr dranhängen. "Wenn die über mich lachen, dann würde ich sofort aufhören."

Für Monika Schier ist die altehrwürdige Quedlinburger Schwimmhalle wie ein zweites Zuhause. Ihre Mutter war Schwimmerin - und so lernte die Quedlinburgerin 1947 mit sechs Jahren an der Angel von einer Frau Glaser, wie fast alle Kinder damals, das Schwimmen. Sie fand daran Gefallen. Von der Ecke Pölle / Jüdengasse, wo sie damals wohnte, war es ein Katzensprung in die Schwimmhalle. Dort wurde auch gebadet, weil es in den Wohnungen keine Badewannen gab.

Warum sie 1961 mit gerade 20 Jahren den Übungsleiterschein machte, weiß Monika Schier gar nicht mehr genau. "Von den Älteren im Verein wollte keiner die Verantwortung übernehmen. Ich hatte wohl das Gefühl, du machst das, und dann bin ich dabei geblieben."

Die gelernte Industriekauffrau arbeitete 30 Jahre in Baubetrieben. Ihren Mann lernte sie natürlich beim Schwimmen kennen. Sie war bei Traktor, er bei Rotation, dem zweiten Quedlinburger Schwimmverein. Ihr Sohn lernte auch alle Schimmdisziplinen, wurde dann aber lieber Fußballer.

Die Trainerin hatte bald Erfolge. Monika Schier konnte 1966 die erste Schwimmerin an die Sportschule delegieren. Damit verbunden war, dass Quedlinburg eines von sieben Leistungszentren Schwimmen im Bezirk Halle wurde. Ohne Unterbrechung ist es das bis heute. Erst kürzlich gab es erneut die entsprechende Anerkennung.

Ohne Gudrun Knauth wäre es sicherlich nicht soweit gekommen. Sie war es, die Monika Schier 1966 an die Sportschule delegieren konnte. Als sie wieder zurückkam, machte auch Gudrun Knauth den Trainerschein und fortan übernahmen sie gemeinsam die Arbeit im Leistungszentrum.

Wer heute fragt, woher in Halle die Schwimmtrainer Ingo Makatsch und Heike Gabriel stammen, erhält "Quedlinburg" als Antwort. Obwohl die Bahnen hier nur 18 Meter lang sind, konnten Talente entwickelt werden. Zehn von ihnen wurden in den letzten 20 Jahren delegiert. Einige entwickelten sich zu Spitzenschwimmern wie Heike Gabriel oder gerade auch Paula Beyer (15). "Wenn man sieht, wie sie sich entwickelt, wird einem Angst und Bange - wo kommt sie noch hin, wenn sie 17 oder 18 ist?" Dass die Schwimmhalle hier so klein ist, war also bislang kein Nachteil.

Zu DDR-Zeiten sei der Leistungsdruck enorm gewesen, berichtet Monika Schier. Ständig mussten elf talentierte Kinder in Quedlinburg sein, um dem Anspruch als Leistungszentrum gerecht zu werden. In den 50'er Jahren waren sie noch auf Lkw zu Wettkämpfen unterwegs. Später mit Bus oder Bahn - wer hatte schon ein Auto. Nach der Wende ließ der Leistungsdruck nach, doch nicht jedes Talente konnte nun an die Sportschule, schildert sie. Heute sei es vom Geldbeutel der Eltern abhängig, ob Kinder die Sportschulen besuchen können, weiß die Trainerin.

Im Schwimmverein erlebte Monka Schier die Entwicklung von der BSG Traktor über den SV Blau-Weiß bis zur Abteilung der TSG GutsMuths. Sie ist zur richtigen Heimat der Schwimmer geworden. Die Schwimmer sind wie eine große Familie und Monika Schier hält sie zusammen. Selbst wenn Schwimmer zur Sportschule gehen, besteht der Kontakt über sie weiter. Es kommt vor, dass es abends um zehn an der Haustür klingelt und ehemalige Schwimmer Einlass begehren. Kein Geburtstag wird vergessen. Feiern gehört zum Heimatgefühl.

Dass ihr Mann sie manchmal lieber gern im Garten gesehen hätte, verschweigt Monika Schier nicht. Aber die Schwimmhalle und die Kinder haben mehr gezogen als Gartenarbeit, schmunzelt Trainerkollege Detlef Heinemann.

Zu den schönsten Erlebnissen als Schwimmtrainerin zählt Monika Schier den Zusammenhalt mit ihren Trainerkollegen, Wettkämpfe in Herford, Holland und Dänemark oder Besuche in der französischen Aulnoye-Aimeries. Dass die Schwimmfamilie zu jedem Heimspiel der Volleyballer fährt, hat mit Teamkapitän Thilo Hinz zu tun, der ein sehr guter Schwimmer, Schwimmtrainer war. Auch das erste Yards-Schwimmfest, das die Abteilung vor zwei Jahren organisiert hatte, war ein großer Erfolg. Aber es werde heute immer schwieriger, die Schwimmer beim Verein zu halten, wenn sie das Abitur oder die Ausbildung abgeschlossen haben, und dann zur Übungsleiterausbildung zu motivieren.

Gerade hat Monika Schier die höchste Auszeichnung des Landessportbundes, die Ehrenmedaille in Gold bekommen. Nun sei es Zeit, dass Jüngere die Verantwortung übernehmen. Leute, die auch die Gemeinschaft wollen. "Wir arbeiten daran", sagt sie. "In zwei bis drei Jahren ist Feierabend."