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Nach Babyfund in Osterwieck Nach Babyfund in Osterwieck: Zweiter Start ins Leben für Valentin Felix

Von Uwe Kraus 17.10.2019, 11:56
Kriminalpolizisten an der Fundstelle in Osterwieck.
Kriminalpolizisten an der Fundstelle in Osterwieck. Max Hunger

Osterwieck - Was wird man Valentin Felix einmal von jener Nacht zum 9. Juli erzählen? Der heute 37-jährige Norman Steiger aus Osterwieck dürfte in jenen Geschichten eine Haupt- oder Heldenrolle spielen. Er hat dem Jungen das Leben gerettet. Dessen Mutter lebte hinter jener Wohnungstür, die Steigers gegenüberliegt.

Dass sie ein Kind erwartete, wusste wohl niemand, dass sie den Neugeborenen ausgesetzt hat, bemerkte Norman Steiger in der Nacht am Fahrradstand vorm Haus. Da lag der nackte Bube, noch mit Käseschmiere und Blut bedeckt, seine Nabelschnur war nicht abgebunden.

Nach Babyfund in Osterwieck: Schnell Hilfe geleistet

Der Mann, der von der Arbeit bei einem Metallveredler kam, überlegte nicht lange. Er nahm das unterkühlte Bündel, rief den Notdienst, trug den Neugeborenen in seine Wohnung, wärmte ihn unter Anleitung des Rettungsdienstes und schnürte die Nabelschnur mit Hilfsmitteln ab. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Körpertemperatur des Kindes nur noch 29 Grad.

Steiger schien es endlos, bis der Rettungswagen ankam, das in Osterwieck stationierte Fahrzeug war gerade im Einsatz. Norman Steiger, selbst Vater eines Neunjährigen, dürfte unterdessen jeder in Osterwieck kennen.

„Ich freue mich, dass es in meiner Stadt solche Menschen mit Zivilcourage gibt“, sagte am Mittwoch Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Buko). Damals im Juli sprach sie von einem der schwärzesten Tage ihrer Amtszeit. Dass ihre Stadt nicht durch einen Kindstod, sondern über eine Rettungsaktion in die Schlagzeilen gelangte, sei dem umsichtigen Mann zu verdanken, der nicht lange überlegte und redete, sondern besonnen handelte.

„Unsere Gesellschaft braucht mehr solche Mutigen“, findet die Bürgermeisterin der Fallsteinstadt.

Nach Babyfund in Osterwieck: Mut und Menschlichkeit bewiesen

Landrat Martin Skiebe, der mit Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) am Mittwoch den Lebensretter Norman Steiger ehrte, sprach von Menschlichkeit, die weiter „als Wert unserer Gesellschaft hochgehalten“ werden müsse. Jeder solle sich fragen, wie er reagiere, wenn ein Unfall geschehe, einem Menschen die Luft wegbleibe oder ein Passant auf der Straße zusammenklappe. „In einer solchen Situation hilft doch jeder“, sagte Norman Steiger.

Doch Stahlknecht kennt andere Beispiele. Selbst für ihn, der schon vielen Helden des Alltags und Rettern den Dank des Landes aussprach, ist das in Osterwieck Geschehene einmalig. „Herr Steiger hat in einer konkreten Situation Mut und Menschlichkeit bewiesen.“

Es freue den CDU-Politiker, dass solche guten Taten auch medial in einer Zeit wahrgenommen werden, in der die Situation in der Gesellschaft oft von nicht so schönen Dingen geprägt werde.

Nach Babyfund in Osterwieck: Jugendamt sucht schöne Pflegestelle, damit der Zweitstart ins Leben gelingt

Die wenige Stunden nach der Geburt ihres Sohnes und der versuchten Kindstötung ermittelte Mutter ist derzeit in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Ein Gutachten, auf das sich die weiteren Schritte der Justiz stützen können, ist für Ende Oktober angekündigt.

Das Baby steht derzeit unter Vormundschaft des Jugendamtes der Kreisverwaltung, eine Pflegemutti besucht es ebenso wie zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen des ambulanten Kinderhospizes Halle. Das Jugendamt sucht eine „schöne Pflegestelle, damit der Zweitstart ins Leben gelingt“.

Reichlich ein Vierteljahr nach der Geburt und dem beherzten Eingreifen des Osterwieckers wird Valentin Felix demnächst das Harzklinikum, wo die Schwestern ihm seinen Namen gaben, verlassen und in eine Rehaklinik wechseln können. Er habe in seinen ersten Lebenswochen bei mehreren Operationen viel Stärke und Lebensmut beweisen müssen, hieß es.

Zu hoffen bleibt, dass er seinem Namen gerecht wird. Bedeutet Valentin doch „der Gesunde, der Starke“, während Felix „der Glückliche“ ist. (mz)