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Polizei kann 30-Jährige ermitteln Polizei kann 30-Jährige ermitteln: Frau setzt ihr Baby nachts vor Hauseingangstür aus

Von Max Hunger 10.07.2019, 06:48
Genau an dieser Stelle wurde das Baby gefunden.
Genau an dieser Stelle wurde das Baby gefunden. Tom Wunderlich

Osterwieck - Der Ort, an dem der neugeborene Jungen in der Nacht zum Dienstag abgelegt wurde, ist noch gut zu erkennen. Etwas getrocknetes Blut klebt auf den Steinplatten, direkt vor dem Mehrfamilienhaus in Osterwieck. Das kurz zuvor geborene Kind wurde hier nackt zurückgelassen.

Laut Polizei hat ein 36-jähriger Osterwiecker das Baby am Dienstag kurz nach Mitternacht vor dem Hauseingang im Kälberbachsweg gefunden. Der Junge sei stark unterkühlt gewesen - seine Körpertemperatur betrug zu diesem Zeitpunkt nur noch 29 Grad.

Der Mann informierte sofort die Beamten und leistete Erste Hilfe. Lebensgefahr bestehe für das Kind nicht, teilte die Polizei weiter mit. Der Junge wurde in ein Krankenhaus gebracht und befindet sich dort in Behandlung.

Anwohner tummeln sich hinter Wohnhaus: Stimmung vor Ort ist bedrückt

Nach Zeugenbefragungen konnte die Beamten im Verlauf des Tages auch die Identität der Mutter des Säuglings ausfindig machen. Laut Polizei handelt es sich um eine 30-jährige Frau aus dem Harz. Man gehe davon aus, dass sie das Kind selbst vor dem Haus ausgesetzt hat. Gegen sie würden nun „strafrechtliche Maßnahmen“ geprüft, teilte die Polizei weiter mit.

Einige Stunden zuvor herrscht Aufruhr vor dem Wohnhaus in Osterwieck. Die Kriminalpolizei ist vor Ort, sperrt den Fundort des Kindes und sichert Spuren. Verunsicherte Anwohner und Journalisten tummeln sich auf dem großen Schotterparkplatz im Hinterhof. Die Stimmung ist bedrückt. Wer lässt ein neugeborenes Kind nackt und hilflos zurück?

„Wir konnten unseren Augen nicht trauen,“ sagt Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ

„Es kann nur aus einem verzweifelten Reflex heraus geschehen sein. Mit normalem Verstand lässt sich das nicht begreifen“, sagte Osterwiecks Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (parteilos) am Dienstag sichtlich erschüttert. Sie habe selbst erst am frühen Morgen über die sozialen Medien von dem Fund erfahren. „Wir konnten unseren Augen nicht trauen.“ Es sei traurig, dass so etwas hier passiere.

Osterwieck ist ein kleiner Ort im Harzvorland. Etwa 12.000 Menschen leben hier. „Man ist per Du, Freunde treffen sich auf der Straße.“ Die Bevölkerung sei erschüttert. „Das wird große Kreise ziehen.“

Der Fundort des Jungen befindet sich am Stadtrand von Osterwieck in einem von sozialem Wohnungsbau geprägten Viertel. Warum die Frau ihr Kind hier ausgesetzt hat, ist bislang unklar. Ein Bewohner des Mehrfamilienhauses berichtete, dass es nachts häufig laut sei in dem Gebäude. In einer Nachbarwohnung höre er oft Schreie und laute Diskussionen in einer fremden Sprache. „Keine Ahnung worum es dabei geht“, sagte der ältere Mann.

Eine weitere Anwohnerin will die nächtlichen Tumulte ebenfalls gehört haben. „Es gibt da nachts oft Krach. Man denkt sich seinen Teil.“ In der vergangen Nacht hätten ihre Hunde angeschlagen. Mehr habe sie nicht bemerkt.

Hilfe für schwangere Frauen in Not

Was nun mit dem Säugling geschieht, konnte Bürgermeisterin Wagenführ nicht sagen. Die Verwaltung warte den Bericht der Polizei ab. Sie wolle sich nun für mehr Hilfe für schwangere Frauen in Not einsetzen. „Der Junge hätte hier gute Chancen gehabt.“

Für Schwangere in Not bietet das anonyme Hilfetelefon des Bundesamtes für Familie Unterstützung an. Unter der bundesweit kostenlosen Telefonnummer 0800/4 04 00 20 bekommen Mütter hier rund um die Uhr Beratung. Eine andere Möglichkeit bieten die sogenannten Babyklappen. Hier können die Mütter ihr Neugeborenes anonym abgeben. Babyklappen gibt es in Sachsen-Anhalt etwa in Dessau, Halle oder Magdeburg. (mz)

Die Kriminalpolizei fotografiert den Fundort des ausgesetzten Jungen.
Die Kriminalpolizei fotografiert den Fundort des ausgesetzten Jungen.
Max Hunger
Vor diesem Mehrfamilienhaus wurde das Kind gefunden.
Vor diesem Mehrfamilienhaus wurde das Kind gefunden.
Max Hunger