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Spektakulärer Umzug in Sandersdorf Bergbau Sandersdorf: Bagger geht in den Ruhestand

Von Christine Färber 18.04.2016, 18:03
Maßarbeit: Beim ersten Anlauf klappt die Aktion - der Bagger hängt wie eine Eins in den Ketten, als der Kran ihn anhebt.
Maßarbeit: Beim ersten Anlauf klappt die Aktion - der Bagger hängt wie eine Eins in den Ketten, als der Kran ihn anhebt. André Kehrer

Sandersdorf - Wenn das keine Maßarbeit ist: Ein 62 Tonnen schwerer Bagger schwebt am Kranhaken durch die Luft und der sperrige Kraftprotz landet sanft und - kaum zu glauben - zentimetergenau auf dem Tieflader. Für Kranführer Mike Ebel Alltag. „Ach, das sind Erfahrung und ein bisschen Glück“, meint der Mann, der diesen Job seit fast 30 Jahren macht.

Der gelbe Bagger UB 162, den er da gerade herumgeschwenkt hat, geht auf Reisen - in den Bergbautechnik-Park Großpösna. Bis 1993 hatte der beim Abbau des Bernsteins in der Goitzsche seinen Dienst getan. Um den einzigartigen Sachzeugen zu retten und zu bewahren - es gibt noch ganze vier dieser Maschinen zwischen Ostsee und Alpenrand -, erwarb die Firma Oeko-Baustoffe in Sandersdorf ihn 1997 von der BQP und platzierte ihn neben anderen Bergbau-Utensilien am Eingang zur firmeneigenen Sandkiesgrube Zscherndorf.

Schwerer Abschied

Am Dienstag aber wird Mike Ebel den stählernen Kumpel an seinem neuen Standort vom Tieflader, den Jochen Dettler sicher über die Autobahn durch die Nacht gelenkt hat, abladen. Obwohl Großpösna gleich um die Ecke liegt, ist der Abschied für die Bergleute dennoch schwer.

„Aber Herzblut allein reicht heute nicht mehr, um Traditionspflege betreiben und Sachzeugen bewahren zu können“, sagt Joachim Hofmann, der selbst Bergmann war. Mit Leib und Seele, wie das bei Bergleuten so ist. Deshalb liegen dem früheren Chef der Oeko-Baustoffe und seinen Freunden vom Verein Bitterfelder Bergleute die Traditionen so am Herzen.

Doch nach der Auflösung der BQP, die als Unterstützerin des Projekts wegfiel, und dem wachsenden Aufwand zur Pflege des Standortes schafften es Verein und Firma nicht mehr, den kleinen Sachzeugen-Park an der Kieswerkstraße zu erhalten, erzählt Hofmann. In den nächsten Wochen werden auch die restlichen Utensilien dort rückgebaut.

„Ach, es ist ein großes Glück, dass unser Bagger nicht in den Hochofen muss“, sagt Hans-Jürgen Biermann und macht sich selbst in dieser Stunde irgendwie ein bisschen Mut. Denn das wäre die Variante gewesen, hätten die Bergleute keinen Standort für ihr stählernes Baby gefunden. „Der Schneidbrenner war natürlich zweite Wahl“, stellt Hofmann klar, während er zuguckt, wie Dietmar Riedel und Christian Fabig die Zugketten am Bagger befestigen.

Zentimeterarbeit gefragt

Lothar Hammer ist extra aus Leipzig rübergekommen. Den Fotoapparat hat er im Anschlag. „Ich interessiere mich für sowas - DDR-Baumaschinen, Schwerlasttransporte“, sagt der Mann, der früher selbst mal beruflich auf so einem Gerät gesessen hat, wie es der UB 162 ist. „Das sieht man nicht alle Tage.“ Ein bisschen skeptisch ist er, dass die Aktion im ersten Anlauf klappt.

Die Ketten straffen sich, der Kran hebt den Koloss einige Zentimeter an. Der Bagger hängt in den Ketten wie eine Eins - ausgerichtet wie mit der Wasserwaage. „Ooooh“, staunt Hammer, „das muss man loben. Na, nun ist nichts mehr schwer.“

Recht hat er. Aber dass alles reibungslos läuft, das ist kein Zufall. Das sind wochenlange Vorbereitung und jahrelange Erfahrung. Carsten Bagedorn, Fachingenieur bei der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft (Mibrag), die die Umsetzung finanziert, überwacht die Aktion an der Kieswerkstraße.

„Es ist viel zu bedenken - von der ersten Begehung und Begutachtung der Standorte, der Befestigung des Untergrunds, damit der 220-Tonnen-Kran sicher steht, über die Festlegung der Anschlagpunkte am Bagger, die Präparation des neuen Standortes, ja, bis zum Wetter“, erklärt er. Klar, es geht hier um Sicherheit - die der Arbeiter und die des Transports.

Bagedorn lächelt: „Wir haben da Erfahrungen, wir müssen ja auch ab und zu unsere Großgeräte transportieren.“ Der Bagger wird festgezurrt. Am Abend geht der Schwertransport mit einem Begleitfahrzeug Richtung Autobahn. (mz)

Beim Ab- und Anhängen des Tagebaugerätes ist Konzentration nötig.
Beim Ab- und Anhängen des Tagebaugerätes ist Konzentration nötig.
André Kehrer
Der alte Bagger wird auf den Tieflader gehoben.
Der alte Bagger wird auf den Tieflader gehoben.
André Kehrer
Zentimetergenau muss Kranführer Mike Ebel arbeiten.
Zentimetergenau muss Kranführer Mike Ebel arbeiten.
André Kehrer
Männer vom Traditionsverein Bitterfelder Bergleute sind dabei: Joachim Hofmann, Hans-Jürgen Biermann und Reiner Iohn (v.l.). Ein bisschen Wehmut schwingt da mit.
Männer vom Traditionsverein Bitterfelder Bergleute sind dabei: Joachim Hofmann, Hans-Jürgen Biermann und Reiner Iohn (v.l.). Ein bisschen Wehmut schwingt da mit.
André Kehrer