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Fotografin Gundula Schulze Eldowy Von Ost-Berlin nach New York

1990 zog die in Erfurt geborene Fotografin Gundula Schulze Eldowy auf Einladung des Kollegen Robert Frank nach New York. Der Beginn einer Verwandlung, zeigen zwei Ausstellungen in Berlin.

Von Christian Eger 02.02.2024, 17:37
Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank, Ost-Berlin 1985 (Ausschnitt)
Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank, Ost-Berlin 1985 (Ausschnitt) (Foto: Roger Melis)

Berlin/MZ. - Ost-Berlin im Frühjahr 1987. Die junge, 1954 in Erfurt geborene Fotografin Gundula Schulze schreibt nach New York an die amerikanisch-schweizerische Fotografenlegende Robert Frank (1924-2019). „Ich will mal eine Ausstellung inszenieren, wo ich vier Räume habe und jedes Thema hängt in einem Raum. Wo ich etwas zum Vorschein bringen möchte, das überall steckt, in der Liebe, dem Körper, der Arbeit etc. Alles irgendwie Heiligtümer.“ Aber, sagt sie, im Blick auf ihre ostdeutsche Mitwelt: Es sei so „schwer da bei den Leuten ranzukommen“.

Fast 40 Jahre – und eine Weltkarriere – später hat es Gundula Schulze, die heute Schulze Eldowy heißt, geschafft. „Halt die Ohren steif!“ heißt die große Schau in der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin, die – hier nun zusammen mit Arbeiten von Robert Frank – etwas mehr als die einst erträumten vier Räume füllt, aber genau zu den 1987 aufgerufenen Themen: Liebe, Körper, Arbeit.

Was das Gezeigte verbindet, ist ein starker Lebens- und Erlebnishunger, ein Sinn, der der Sinnlichkeit folgt. Angstfrei. Verspielt. Das, was Gundula Schulze nach dem Mauerfall 1990 sofort aus der DDR weg erst für drei Jahre zu Robert Frank nach New York, dann nach Ägypten, schließlich bis Peru führte, wo sie heute lebt – freilich immer mit einem Atelier in Berlin.

Halt die Ohren steif!

Zur Eröffnung der Akademie-Ausstellung, die von einer Schau im Berliner Bröhan Museum begleitet wird, die Schulze Eldowys längst klassische Serie „Berlin in einer Hundenacht“ (1977-1990) zeigt, reiste die Fotografin eigens an. Nicht irgendeine, schon gar keine typisch ostdeutsche Fotografin. Typisch ostdeutsch wäre das: ein ernsthafter, elegischer, die Wirklichkeit eintrübender Blick. Der geht Schulze Eldowy völlig ab.

Auch höchstpersönlich. Alles an ihrem Auftritt vor der Presse ist ein Statement. Der rote, mit geformten Blüten besetzte Haarreif. Das rote Tuch über dem ausladenden schwarz-weißen Kleid. Ihre etwas langsame, wie erst nach Worten suchende Stimme. Sie habe, sagt sie, als sie 1990 nach New York kam, herausgewollt „aus der Enge und Starre“ im Osten. Sie hoffte, Menschen zu treffen, die „Weite, Neugierde, Kenntlichkeit“ in sich tragen. Menschen, die so seien „wie ich selbst bin.“ „Halt die Ohren steif!“ Warum dieser Titel? Seine Entsprechung findet er im Englischen: Keep a stiff upper lip! Halt die Oberlippe steif! So oft, sagt Schulze Eldowy, hätte sie das gehört. Sie, als ein Mensch, der schnell alles aufnehme, anverwandle. Auch Wortwendungen.

Sie bringt Farbe ins Spiel: Fotografin Gundula Schulze Eldowy (rechts)  wird in der Akademie der Künste von  Dokumentarfilmerin Helke Misselwitz begrüßt.
Sie bringt Farbe ins Spiel: Fotografin Gundula Schulze Eldowy (rechts) wird in der Akademie der Künste von Dokumentarfilmerin Helke Misselwitz begrüßt.
(Foto: dpa)

Untypisch war die Künstlerin bereits in der DDR, wo sie über die Werbung 1979 zum Fotografiestudium in Leipzig kam. Sie behauptete sich als Einzelgängerin, auch ästhetisch. Ihr in der „Hundenacht“-Serie gezeigter Sozialstil wurde als „Müllkastenfotografie“ belächelt. Tatsächlich war es ein unverstellter, einfühlsamer Realismus. Auch den Menschen gegenüber. Die Schau, die ihr Werk mit den Arbeiten des – wie sie sagt – ihr „seelenverwandten“ Robert Frank spiegelt, zeigt ihren Weg ins Offene: weg von der neusachlichen „Straight-Fotografie“ hin zu einem schöpferischen Realismus.

Die Ausstellung startet in einem Vorraum, der Schulze Eldowys schwarz-weiße Berlin-Klassiker auf Transparenten zeigt. Dazu ein Dokfilm von Helke Misselwitz, der den Weg der Künstlerin nach New York erklärt. Es gibt von Max Frisch das Wort „Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur“. Bei Schulze Eldowy kommt die Entfaltung nach 1990 einer Verwandlung gleich – zu einer Kunstfotografie, die mit Spiegelungen und Mehrfachbelichtungen arbeitet. Nicht einfach Lichtbilder sind das, sondern Lichtgemälde.

Lichtgemälde und Polaroids

30 Jahre alt war die Künstlerin, als sie in Ost-Berlin 1985 dem 30 Jahre älteren Robert Frank begegnete, der – eingeladen von Rudolf Schäfer – die namhaften Ost-Fotografen empfing, die Schlange standen. Zu Gundula Schulze Eldowy entstand sofort ein väterlich-freundschaftlicher Kontakt. Sie war bereit für eine Verwandlung. Robert Frank, der vormalige Beatnik, auch, der gerade zu Polaroid- und Filmaufnahmen wechselte.

Vier Räume zeigen den Weg nach und in New York. Es geht los mit den Stadtfotografien von Robert Frank, dessen 100. Geburtstag im November zu würdigen ist, und Gundula Schulze Eldowys früher Sozialfotografie, die aber schon erzählerische Tendenzen zeigt. Im Raum darauf sind Polaroid-Aufnahmen der Fotografin zu sehen, zudem großflächige farbige Straßenszenen – neben und mit Aufnahmen von Frank. Im letzten Raum die Lichtgemälde. In Mehrfachbelichtungen hergestellte Fotobildkunst aus der New York Serie „Spinning on my heels“ – Ich dreh mich auf den Fersen. Dreh dich! Beweg dich! Und sieh: Menschen, die tanzen und träumen.

In New York, sagt Gundula Schulze Eldowy, habe sie das Gefühl gehabt, viel näher an der Realität zu sein als in Deutschland. „Einmal um die eigene Achse gedreht, werden andere Schichten der Wirklichkeit sichtbar.“ Längst ist sie, die am 23. Februar 70 wird, weitergezogen. Aber dieses um die eigene Achse drehen, ist ihr geblieben. Es ist das, was die Schau mit jedem Betrachter macht.

Bis 1. April: Halt die Ohren steif! Akademie der Künste, Berlin, Pariser Platz, Di-Fr 14-19 Uhr, Sa-So 11-19 Uhr. Bröhan-Museum: Berlin in einer Hundenacht, bis 14.4., Di-So 10-18 Uhr, Berlin-Charlottenburg, Schlossstraße 1a.

Gundula Schulze Eldowy: Ohne Titel. Großformatiges Werk aus der Serie „Spinning on my heels“, entstanden 1992 in New York
Gundula Schulze Eldowy: Ohne Titel. Großformatiges Werk aus der Serie „Spinning on my heels“, entstanden 1992 in New York
(Foto: Gundula Schulze Eldowy)