1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Kultur
  6. >
  7. Kunst aus Sachsen-Anhalt: Malerstar Moritz Götze wird 60: „Alles Schöne ist noch da“

Kunst aus Sachsen-Anhalt Malerstar Moritz Götze wird 60: „Alles Schöne ist noch da“

Sachsen-Anhalts bekanntester Künstler: Der Maler, Verleger und Musiker Moritz Götze wird 60 und spricht über das Alter, die Kunst und warum es ihn immer wieder nach Halle zieht.

29.07.2024, 11:21
Künstler Moritz Götze in seiner Werkschau in Quedlinburg: „Ich habe nie Pläne. Ich reagiere.“
Künstler Moritz Götze in seiner Werkschau in Quedlinburg: „Ich habe nie Pläne. Ich reagiere.“ (Foto: dpa)

Halle/MZ. - Er ist der Mann, der vieles kann: Maler und Musiker, Verleger und Ausstellungskurator. Und er ist, gemessen an der Präsenz seines Werkes, der populärste Gegenwartskünstler in Sachsen-Anhalt. Das umtriebige Tätigsein ist die natürliche Daseinsform des Hallensers, der den „Deutschen Pop“ erfand. Mit Moritz Götze, der am 26. Juli 60 wird, sprach unser Redakteur Christian Eger.

Herr Götze, Sie werden 60. Wie geht es Ihnen damit?Moritz Götze: Naja, theoretisch habe ich damit überhaupt keine Probleme. Praktisch schon, weil ich die Rolle des Benjamins, der ich ja immer war, so sehr angenommen hatte. Also den Umstand, immer der Jüngste in meinem Umfeld zu sein. Da ist es natürlich auf einmal komisch, dass man 60 ist. Sie hatten über viele Jahre den Ruf eines jungen Wilden. Jetzt sind Sie der wilde Alte?Ich hoffe.

Ist das Alter ein Thema für Sie?Mich beschäftigt die Endlichkeit. Als man 50 geworden ist, wurde man nur 50, mehr nicht. Aber jetzt? Was vor 20 Jahren war, ist, wenn man 60 ist, nicht lange her. Aber was wird in 20 Jahren sein? Man weiß, wenn man es überhaupt bis 80 schafft, dass ganz viele Sachen im Leben sozusagen gar nicht mehr so möglich sind. Zum Beispiel meine Leidenschaft für das Faltbootfahren, in irgendwelcher Wildnis im Dreck zu liegen. Das wird wahrscheinlich in zehn Jahren ausgeträumt sein.Was macht das mit Ihnen?Es ist bedauerlich. Aber mit mir selbst macht das nichts. Ich kann mich gut in mein Schicksal fügen und habe Alternativen. Alles Schöne ist noch ganz elementar da.

Ihre Karriere verlief bislang einzigartig. Sie sind der populärste bildende Künstler in Sachsen-Anhalt. Bis in die Regierungsbehörden hinein hängen Ihre Bilder. Wie konnte das passieren?Das liegt an meiner Omnipräsenz über Sachsen-Anhalt hinaus. Vor 35 Jahren gab es wenige Künstler in unserer Region, die überregional überall präsent waren. Bereits meine zweite richtige Ausstellung fand in Berlin statt. Ich war schon immer überregional integriert. Wahrscheinlich, weil die Felder hier in Halle auch durch meine Eltern schon abgesteckt waren. Es war ein Ausweg?Ja, außerhalb konnte ich meinen eigenen Lorbeer verdienen. Und dann kam die Wende mit dem glücklichen Zufall, dass ich mit dem Galeristen Peter Lang befreundet war. Mit der Neugier, die es im Westen für Galerien im Osten gegeben hat, bin ich in Bereiche gekommen, die mir ganz viele Türen geöffnet haben. Dadurch bin ich bis heute sehr vernetzt zwischen Bodensee und Nordsee.

Wenn von Ihrer Kunst gesprochen wird, ist von Deutschem Pop die Rede. Was soll das sein?

Tja, das ist eine Schublade, in die ich mich auch selbst gesteckt habe, mit der ich aber nicht richtig glücklich bin. Aber die Schublade, die für mich passen würde, gibt es nicht. Insofern ist „Deutscher Pop“ das Einfachste. Ich habe ja einen Bezug zur Pop- und Comic Art. Aber die englisch-amerikanische und westdeutsche Pop Art kommt ja mehr aus der Kapitalismus- und Konsumkritik, das war aber in Ostdeutschland nicht das Problem. Ich habe über meine Eltern und die internationalen Pop Art-Künstler diese Attitüde angenommen. Aber die ist ja auch nicht weit entfernt von meiner Leidenschaft für Hannes Hegen und das „Mosaik“. Ich liebe wirklich die gotische Malerei. Und Giotto. Die italienische Sammlung im Altenburger Lindenau-Museum. Auch wenn man das nicht sofort mit Pop Art verbinden würde, hat das eine starke Affinität zu mir. Ihr Malen und Gestalten geht mit viel regionalhistorischem Einsatz einher. Warum?Ich würde sagen: unter anderem regional. Anton von Werner zum Beispiel oder Pückler oder Schadow, das sind schon überregionale Künstler. Ich habe Künstler des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart in meine Sprache adaptiert. Wenn man historische Themen, die sonst keiner beackert, mit Hingabe bearbeitet, passt man in viele museale Konzepte. So kam eines zum anderen: Als Herausgeber der Kulturhistorischen Hefte im Hasenverlag habe ich als Laienhistoriker eine Leidenschaft, mich mit solchen Themen zu beschäftigen. Wäre es für Sie vorstellbar, in einem anderen Bundesland, in einer anderen Stadt zu leben?Vor 30 Jahren hätte ich es mir vorstellen können, aber ich hätte es nicht gewollt. Es wäre dann immer irgendwie Mecklenburg geworden. Es gab Notüberlegungen, falls es mit der Kunst scheitert, dass man dann nach Mecklenburg ziehen könnte. Aber Halle war für mich optimal. Auch mit Kindern und Familie. Und für Frankfurt am Main und Berlin ist Halle ein sehr zentraler Ort, von dem aus man wunderbar agieren kann. Ich habe wirklich eine große Leidenschaft für unsere merkwürdig gebrochene, komische Heimat. Warum?Es ist das, warum ich auch gerne nach Osteuropa fahre. Diese Nähe von schönen Sachen, aber man darf sich nicht einfach umdrehen, weil dann da eben ein Schornstein rausguckt oder ein Braunkohleloch ist oder ein Windradpark steht. Es ist ja keine durchweg schöne Landschaft wie in Mecklenburg. Das hat hier immer so Enklaven, die Brüche haben, auch geschichtlich. Das empfinde ich als Reichtum. Wenn ich an den Leuna-Werken vorbeifahre, schlägt mein Herz höher.Wohin geht es mit Ihrer Kunst? Was haben Sie vor?Ich habe nie Pläne. Ich reagiere. Ich gehe leidenschaftlich in Museen, da stolpere ich dann über irgendwelche Bilder, die mich anregen. Vor ein paar Jahren habe ich wieder angefangen mit Radierungen zu Büchern von Manfred Krug und Klaus Schlesinger. Ich lasse mich treiben von dem, was mich anregt. Dann gibt es Projekte wie jetzt in Bernburg. Ich bin sehr glücklich, dass die Finanzierung für die innere Gestaltung der Ägidien-Kirche steht. So kann ich in drei Jahren abschließen, woran ich fast 20 Jahre gearbeitet habe. Sie hatten früh davon geträumt, einmal ein Museumsdirektor zu werden. Wird es einmal ein Götze-Museum geben?(lacht) Naja, das ist kompliziert. (lacht) Man denkt ja nach über irgendwelche Strukturen, was man nun mit seinem ganzen Kram, dem Nachlass, macht. Das ist ein kompliziertes Thema. Aber ich wollte nie Direktor eines Museums von mir selbst werden. Mein Traum war das klassische Heimatmuseum, das von der Ur- und Frühgeschichte bis zur gegenwärtigen Kunst alles drin hat. Da ist mein Denken im 19. Jahrhundert stehen geblieben. Aber so ein Museum muss ich ja gar nicht mehr einrichten, weil ich durch die Ausstellungsprojekte, die ich so nebenbei mache – etwa im Kunstverein in Pobles –, schon ein bisschen eine museale Funktion habe. Jetzt wird erstmal gefeiert?Das geht am Freitag los in unserem Haus in Mecklenburg. Parallel gibt es im Feininger-Museum in Quedlinburg ein Fest, aber ohne mich. In Mecklenburg wird es anstrengend werden. Ich bin noch dabei, mich vorzuerholen.

Feininger Museum in Quedlinburg bis 26. August: „Westlöffel & Ostkaffe“, Werkschau Moritz Götze