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Kinderheime in Brandenburg Kinderheime in Brandenburg: "Harte Methoden und schwarze Pädagogik"

07.11.2013, 09:00
Blick auf ein Haus für Bewohner des Kinder- und Jugendheimes der Haasenburg GmbH in Neuendorf am See (Brandenburg)
Blick auf ein Haus für Bewohner des Kinder- und Jugendheimes der Haasenburg GmbH in Neuendorf am See (Brandenburg) ZB Lizenz

Potsdam/dpa - Nach Misshandlungsvorwürfen und einem erschütternden Experten-Bericht zieht Brandenburgs Jugendministerin Martina Münch (SPD) die Reißleine: Die umstrittenen Kinder- und Jugendheime der Haasenburg GmbH in Brandenburg werden geschlossen. In den kommenden zwei Wochen werde der Entzug der Betriebserlaubnis vorbereitet, sagte Münch. „Pädagogisches Konzept und Realität klaffen weit auseinander“, sagte die Ministerin. Durch willkürliche Machtausübung in den Heimen bestehe eine latente Gefährdung des Kindeswohls.

Sie sehe keine Alternative zur Schließung, so Münch. Grundlage ihrer Entscheidung ist der Bericht einer Untersuchungskommission. Der Betreiber, die Haasenburg GmbH, will sich juristisch wehren. In den Heimen mit insgesamt 114 Plätzen - 56 davon geschlossen - haben Jugendämter aus ganz Deutschland schwer erziehbare Kinder und Jugendliche untergebracht.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt in etwa 70 Verfahren gegen Erzieher und Betreiber. In den teils geschlossenen Heimen sollen Kinder und Jugendliche gedemütigt und misshandelt worden sein. Die Haasenburg GmbH weist die Vorwürfe zurück. Der Betreiber will den Bericht der Kommission analysieren. Eine Stellungnahme sei zunächst nicht möglich, weil das Ergebnis der Haasenburg nicht vorab zugegangen sei. Dies sei bedauerlich, sagte ein Unternehmenssprecher.

Die Kommission hat schwere Missstände in den Heimen und erheblichen Reformbedarf festgestellt. Knapp vier Monate haben sie interne Unterlagen ausgewertet, aktuelle und frühere Heimbewohner sowie Mitarbeiter befragt und die Einrichtungen besucht. „Es herrscht kein freundlicher und wohlwollender Geist“, berichtete der Vorsitzende der Kommission, Martin Hoffmann. Die schlimmsten Schilderungen beschrieben „härteste Methoden aus den finstersten Ecken der „schwarzen Pädagogik“ der 1950er Jahre.

Derzeit sind laut Ministerium noch 37 Bewohner in den Heimen. Drei von ihnen kämen aus Hamburg, nur zwei aus Brandenburg. Weitere Herkunftsorte seien zunächst nicht möglich, so ein Sprecher. Gemeinsam mit den Jugendämtern soll nun nach Alternativen gesucht werden. „Wir haben das Familieninterventionsteam beauftragt, die alternative Betreuung umzusetzen“, sagte Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD).

„Wir setzen natürlich die Jugendlichen nicht auf die Straße“, betonte Münch. Nach Einschätzung ihres Hauses können durchaus zwei Monate vergehen, bis sie die Haasenburg-Heime verlassen können. „Bis dahin werden wir die Einrichtungen intensiv im Blick behalten“, so Münch.

Vertreter aller Fraktionen in Brandenburgs Landtag begrüßten die Schließung der Heime. Die Fraktionen von Linke und FDP fühlten sich in ihrer Forderung bestätigt, kritisierten die Reaktion von Münch jedoch als zu spät. Zudem forderten sie Konsequenzen bei den Aufsichtsbehörden. Es sei nicht hinnehmbar, das lediglich drei Mitarbeiter beim Landesjugendamt für rund 400 Einrichtungen zuständig seien, hieß es auch von der CDU-Fraktion.

Laut Expertenkommission blieben die meisten Maßnahmen der Kontrollbehörden wirkungslos. „Es hätte früher und konsequenter gehandelt werden können“, sagte der Vorsitzende der Kommission, Martin Hoffmann. Dies gelte für die örtlichen Jugendämter, das Landesjugendamt - und das Ministerium.

Münch kündigte eine Überprüfung der Behörden an. Die Heimaufsicht werde neu aufgestellt und personell verstärkt, wenn das Landesjugendamt - wie schon länger geplant - zum Januar 2014 ins Ministerium integriert werde. „Die deutlichen Hinweise der Kommission zu den Versäumnissen in der Heimaufsicht machen klar, dass eine detaillierte Untersuchung der Vorwürfe notwendig ist“, sagte sie.

Brandenburg will die Probleme mit den Haasenburg-Heimen als Impuls für eine bundesweite Debatte zur Jugendhilfe nutzen. „Es geht hier um Jugendliche, die niemand mehr wollte und darum in den Heimen gelandet sind“, sagte Münch. „Es fehlen bundesweit gesetzliche Regelungen dazu, unter welchen Bedingungen in derartigen Einrichtungen mit ihnen umgegangen wird.“ Dafür wolle sich Brandenburg stark machen - möglicherweise mit einer Bundesratsinitiative.