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Justiz Justiz: Magdeburger Gefängnis schließt nach 110 Jahren

Von Dörthe Hein 19.06.2013, 04:24
Justizvollzugsbeamte polieren ein Schild mit der Aufschrift: «Justizvollzugsanstalt Magdeburg Abt. Offener Vollzug».
Justizvollzugsbeamte polieren ein Schild mit der Aufschrift: «Justizvollzugsanstalt Magdeburg Abt. Offener Vollzug». DPA/ARCHIV Lizenz

Magdeburg/dpa. - Wer in Magdeburg einen Gefangenen besuchen will, wird von einer stehengebliebenen Uhr empfangen. Schwarz eingerahmt zuckt der große Zeiger bei 20 vor 8. Eine neue Batterie lohnt nicht mehr. Dem Magdeburger Gefängnis hat das letzte Stündchen geschlagen. Die verbliebenen Häftlinge verlassen dieser Tage den Bau. Wie die Uhr werden rund 100 000 einzelne Gegenstände vom Bett bis zum Bild weggeschafft. Sachsen-Anhalt schließt nach Naumburg im vergangenen Jahr jetzt sein zweites Gefängnis. Effizienter und kostengünstiger soll der Strafvollzug werden. Das geht eher mit großen Gefängnissen wie dem in Burg nahe Magdeburg.

Dass das Gefängnis in der Landeshauptstadt verschiedenste Zeiten mitgemacht hat, sieht man ihm deutlich an. Stückwerk bietet sich dem Betrachter innerhalb der hohen Mauern. Bodenplatten wölben sich gefährlich nach oben. Die Hafthäuser sind Originale aus der Kaiserzeit. Das Gefängnis entstand direkt neben dem Landgericht im Rahmen eines preußischen Justizbauprogramms. Eröffnet wurde es 1903. Ringsum entstanden immer weitere Gebäude, Werkstätten, eine Wäscherei.

„Derzeit haben wir noch 140 Häftlinge hier“, sagt Thomas Wurzel, Leiter der Justizvollzugsanstalt Burg, zu der Magdeburg als Außenstelle gehört. Die Männer hier sitzen in Untersuchungshaft, sind im offenen Vollzug oder verbüßen eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren. Schwere Fälle sind ohnehin in Burg untergebracht. Die 2009 dort eröffnete supermoderne Anstalt setzt neue Standards. Dort sind die Zellen elf Quadratmeter groß, in Magdeburg nur etwa sechs. Es gibt mehr Grün. Aber auch weniger Kunst an den Wänden. Auf den Fluren des Magdeburger Gefängnisses hat ein mehrfach wiedergekehrter Häftling zehn riesige Wandbilder hinterlassen - einen roten Oldtimer, Schloss Neuschwanstein, eine holländische Landschaft. In Burg ist das als „Verunstaltung“ verboten, sagt Thomas Wurzel. Das gehört zu der Vereinbarung zwischen dem Land und dem privaten Betreiber.

Warum schließen? Grundsätzlich gebe es zu viele Haftplätze im Land, heißt es aus dem Justizministerium. Vor zehn Jahren gab es noch etwa 2350 Gefangene, jetzt sind es rund 1940. Prognosen gehen von weiter sinkenden Zahlen aus. Entsprechend weniger Justizvollzugsangestellte soll es geben. Auch wenn es um Angebote für die Insassen geht, sind laut Ministerium größere Anstalten günstiger. Wenn auf 100 Gefangene ein Psychologe komme, könne es in einer kleinen Anstalt nur einen geben. Wenn der krank sei oder Urlaub habe, gebe es keinen Ersatz. Ähnlich sieht es mit Arbeits- und Freizeitangeboten aus.

Ende September soll das Gefängnis besenrein übergeben werden an das Liegenschaftsmanagement des Landes. Das wird nach einem Käufer Ausschau halten. Einfach abreißen und neu bauen geht nicht. „Teile stehen unter Denkmalschutz“, sagt Gefängnisleiter Wurzel. Schwierig schätzt er die Aussichten ein. Das Interieur wird verkauft, wenn es kein anderes Gefängnis im Land gebrauchen kann. Die 87 Beschäftigten im Magdeburger Gefängnis werden in andere Anstalten wechseln, wie auch die Gefangenen.

Was bleibt vom Knast? Für Wurzel in erster Linie Akten. Wenn das Gefängnis geschlossen wird, entstehen 800 laufende Meter Gefangenen-Personalakten. Sie sollen im Landeshauptarchiv gesichtet und neu gelagert werden. An die Akten müsse man immer wieder ran. Die aus den Jahren von vor 1990 liegen schon in Halle und sind digitalisiert, sagt Wurzel. Was ist mit dem Wichtigsten eines Gefängnisses, den Schlüsseln? Sie kommen zusammen mit den ausgebauten Schlössern in einen Hochofen. Im Verwaltungsbereich steht inzwischen schon ein großes Aquarium leer. „Die Fische ziehen mit um nach Burg“, sagt Wurzel. „Die haben lebenslänglich.“