1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Jagd auf das Supermarkt-Phantom: Jagd auf das Supermarkt-Phantom: SEK nimmt mutmaßlichen Serienräuber fest

Jagd auf das Supermarkt-Phantom Jagd auf das Supermarkt-Phantom: SEK nimmt mutmaßlichen Serienräuber fest

Von Katrin Löwe 26.06.2015, 19:08
In einem Discounter in Hannover-Stöcken erschoss der Supermarkträuber einen Kunden. Die Ermittlungen dort liefen schnell auf Hochtouren.
In einem Discounter in Hannover-Stöcken erschoss der Supermarkträuber einen Kunden. Die Ermittlungen dort liefen schnell auf Hochtouren. dpa Lizenz

Hannover/Halle (Saale) - Es ist ein Wort, mit dem Monique M. reagiert, als am Morgen die ersten Meldungen durchsickern: „Endlich“ schreibt sie auf ihrer Facebook-Seite. Wenig später fügt sie in in dem sozialen Netzwerk hinzu: „Ich bin mal gespannt, was sich da jetzt noch ergibt, aber endlich hat der schlimmste Horror ein Ende!“

Ein Horror, der für ihren Freund Joey am 4. Dezember 2014 tödliche Folgen hatte. Damals wurde der 21-Jährige in Hannover-Stöcken im Handgemenge bei einem Raubüberfall auf einen Supermarkt erschossen, als er couragiert eingreifen wollte. Sieben Monate später ist der mutmaßliche Täter - ein Serienräuber, der auch in Sachsen-Anhalt zuschlug - gefasst.

Auf Rastplatz überrascht

Es handelt sich nach Angaben der Polizei um einen 42-jährigen Polen, der gerade wieder nach Deutschland eingereist war - vermutlich, um im Raum Dresden den nächsten Überfall zu begehen. Dort wurde er am Donnerstagmorgen kurz nach 5 Uhr am Rastplatz „Dresdner Tor Nord“ von Kräften eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) verhaftet. „Er hat keinen Widerstand geleistet“, hieß es am Freitag. Der Mann wurde im Auto überrascht, nachdem er sich darin offenbar schlafen legen wollte. Das SEK schlug die Scheiben ein, entriegelte die Türen und überwältigte ihn.

Monatelang war der Räuber das Phantom, das nicht greifbar schien. Immer wieder betrat der Mann abends kurz vor Ladenschluss Supermärkte, täuschte Einkäufe vor, bedrohte dann plötzlich die Angestellten an der Kasse mit einer Pistole - und schoss mehrfach.

So auch in Dessau, wo er am 21. Februar dieses Jahres einen Aldi-Markt überfiel. DNA-Spuren führten die Ermittler bald zur Erkenntnis, dass er der damals noch unbekannte Raubmörder von Stöcken ist, dem inzwischen eine ganze Überfall-Serie angelastet wurde.

Lange Zeit schienen die Ermittlungen nicht weiterzukommen, obwohl es Bilder aus Überwachungskameras gab, der Täter Besonderheiten wie einen schwerfälligen Gang aufwies. Erst vergangene Woche kündigte die Staatsanwaltschaft an, im Juli über die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ um Hilfe zu bitten. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hatte zwischenzeitlich 5000 Euro Belohnung für Hinweise ausgelobt.

Gleichzeitig warnten die Behörden: „Der Mann gilt als äußerst gefährlich und dürfte bewaffnet sein, so dass Zeugen keinesfalls an ihn herantreten sollten.“ Nicht ohne Grund: Insgesamt 13 Mal an acht Tatorten hat er nach jetzigen Angaben der Ermittler geschossen. Neben dem tödlich getroffenen Zeugen in Stöcken gab es einen weiteren Verletzten beim selben Überfall. Einer Kassiererin wurde in den Fuß geschossen.

Die Wende in den Ermittlungen brachte die am Dienstag vorliegende Auswertung von Telefondaten aus Funkzellenabfragen. Mit dieser Methode kann herausgefunden werden, welche Handys in der Nähe eines bestimmten Ortes benutzt wurden. Erstmals lagen nun Erkenntnisse vor, dass an insgesamt fünf weit auseinanderliegenden Tatorten in Bayern, Thüringen und Niedersachsen ein und dieselbe Telefonnummer eine Rolle spielte. „Das konnte kein Zufall sein“, so Staatsanwaltschaftssprecher Thomas Klinge. Von nun an ging alles ganz schnell.

Am Mittwoch um 22 Uhr loggte sich dieses Handy bei Cottbus ins Mobilfunknetz ein. Spezialeinsatzkräfte aus fünf Ländern wurden in Bewegung gesetzt. Ergebnis war die Festnahme auf dem Dresdner Rastplatz.

Dank einer guten Zusammenarbeit mit polnischen Behörden sei bereits am Freitag auch die Wohnung des Tatverdächtigen in Polen durchsucht worden, sagte Klinge. „Das wäre vor wenigen Jahren noch illusorisch gewesen.“ Bisher war der Mann, der dort mit einer Lebensgefährtin und einem Kind lebt, polizeilich auch in seinem Heimatland noch nicht aufgefallen. In Deutschland soll er zwar Kontakte haben, teilweise ist er nach Erkenntnissen der Polizei aber offenbar nur für die Taten eingereist.

Mittlerweile haben die Ermittler insgesamt 43 Überfälle unter Beobachtung, bei denen der Pole als Tatverdächtiger infrage kommt, darunter sechs Fälle in Sachsen-Anhalt. Für 17 Taten - davon drei in Dessau-Roßlau, Burg und Möckern (Jerichower Land) - gibt es aufgrund von Waffen- oder DNA-Spuren bereits sichere Belege.

Schon seit September 2013 trieb der Mann offenbar in Deutschland sein Unwesen. Auffällig: Eine Zeit lang bewegte sich der Täter vor allem im Umfeld der Autobahn 2 und naher Flüsse. Die These, dass es sich um einen Binnenschiffer handeln könnte, wurde nach Angaben der Polizei ad acta gelegt, als der Mann von diesem Muster abwich.

DNA-Auswertung abgewartet

Dass die Ermittler erst gestern mit der Verhaftung an die Öffentlichkeit gingen, hatte einen Grund. Im Zusammenhang mit dem Raubmord in Stöcken war bereits im Dezember 2014 ein Mann in Nordrhein-Westfalen festgenommen worden, dessen Unschuld sich später herausstellte. „Wir wollten uns sicher sein diesmal“, sagte Staatsanwaltschafts-Sprecher Klinge. Am Freitagmorgen habe festgestanden: Die DNA des 42-Jährigen stimmt mit DNA-Spuren von zwölf Tatorten überein, an drei Tatorten wurden seine Fingerabdrücke gefunden.

Die Größe des Verdächtigen von 1,76 Meter entspreche fast den 1,73 Meter, die mithilfe der Überwachungsvideos berechnet wurden. In seinem Auto wurden bei der Festnahme neben einer Waffe, wie sie bei Überfällen verwendet wurde, selbst gebastelte Einkaufswagen-Chips gefunden.

Solche wurden auch an Tatorten entdeckt. Das Auto, bei dem blitzschnell deutsche und polnische Kennzeichen getauscht werden konnten, war im Zusammenhang mit Überfällen ebenfalls aufgefallen. „All das zusammengenommen macht uns doch sehr optimistisch, dass es sich diesmal um den Richtigen handelt“, betonte Klinge.

In den 17 klar ihm zugeordneten Fällen soll der Mann 100.000 Euro erbeutet haben. Er sitzt inzwischen in Haft - ein Geständnis hat er zunächst nicht abgelegt. (mz)

Der Supermarkt-Räuber wurde bei verschiedenen Überfällen von Überwachungskameras gefilmt.
Der Supermarkt-Räuber wurde bei verschiedenen Überfällen von Überwachungskameras gefilmt.
Polizei Lizenz
Der Supermarkt-Räuber wurde bei verschiedenen Überfällen von Überwachungskameras gefilmt.
Der Supermarkt-Räuber wurde bei verschiedenen Überfällen von Überwachungskameras gefilmt.
Polizei Lizenz
Supermarkt-Räuber: Bei dem Überfall in Hannover am 4. Dezember hatte der Täter einen 21-Jährigen im Handgemenge erschossen
Supermarkt-Räuber: Bei dem Überfall in Hannover am 4. Dezember hatte der Täter einen 21-Jährigen im Handgemenge erschossen
Polizei Lizenz