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Interview mit Messe-Geschäftsführern Interview mit Messe-Geschäftsführern: Neustart der Leipziger Messe ist gelungen

29.06.2015, 14:51
Zusammen führen Martin Buhl-Wagner (rechts) und Markus Geisenberger die Leipziger Messe. Jedes Jahr werden auf dieser rund 40 Messen und 100 Kongresse mit internationalen Ausstellern veranstaltet.
Zusammen führen Martin Buhl-Wagner (rechts) und Markus Geisenberger die Leipziger Messe. Jedes Jahr werden auf dieser rund 40 Messen und 100 Kongresse mit internationalen Ausstellern veranstaltet. Stedtler Lizenz

Leipzig - Die Leipziger Messe zählt zu den ältesten ihrer Art in der Welt. Nach einem Einbruch 1990 hat sich Leipzig wieder unter den großen deutschen Standorten etabliert. Steffen Höhne sprach mit den Messe-Geschäftsführern Martin Buhl-Wagner und Markus Geisenberger über die Bedeutung der Messe, den erfolgreichen Neustart nach der Wende und die Ziele.

Wie eng ist der Aufstieg der Stadt Leipzig mit der Messe verbunden?

Buhl-Wagner: Leipzig und Messe lassen sich nicht trennen. Über Jahrhunderte ist der Handel das Geschäftsmodell der Stadt gewesen. Letztendlich hat das Handelsgeschäft die Architektur der Stadt entscheidend geprägt. Dies ist heute unter anderem an den imposanten Passagen in der Innenstadt eindrucksvoll sichtbar.

Nun gibt es zahlreiche deutsche Messeplätze. Was führte zum Aufstieg von Leipzig im 19. und 20. Jahrhundert?

Geisenberger: Die Einführung der ersten Mustermesse 1895 war da sicher ein entscheidender Baustein. Der aufwendige Warenhandel am Messeplatz wurde durch eine Musterschau ersetzt. Nach den gezeigten Mustern wurde von den Kaufleuten - wie heute noch üblich - bestellt und geliefert. Andere kopierten später das Konzept. In der Folge stieg Leipzig in den 20er Jahren zum Welthandelsplatz auf.

Buhl-Wagner: Durch den Kontakt mit vielen internationalen Gästen entstand in Leipzig auch eine Willkommenskultur - die bis heute gelebt und geschätzt wird. Die Stadt zog damit auch Erfinder, Industrielle und Händler an. Die Wirtschaft in der Region prosperierte, davon profitierte wiederum die Messe.

Konnte die Leipziger Messe in der DDR ihre internationale Bedeutung beibehalten?

Buhl-Wagner: Ja und Nein. Die Leipziger Messe war für viele westdeutsche und westeuropäische Unternehmen das Tor in den Ostblock. Westliche Firmen nutzten Leipzig vor allem als Schaufenster. Wer in den sozialistischen Staaten Geschäfte machen wollte, der musste nach Leipzig. Von der internationalen Entwicklung der Messebranche war der Standort aber abgeschnitten.

Das wurde nach 1990 deutlich. Der Standort stand auf der Kippe. Der erste Treuhandchef Detlev Rohwedder soll gesagt haben, drei Dinge dürften auf keinen Fall untergehen: die Porzellanmanufaktur Meissen, Carl Zeiss Jena und die Leipziger Messe. Wie prekär war die Lage der Messegesellschaft?

Geisenberger: Das Format bis 1990 bestand im Wesentlichen aus einer Frühjahrs- und Herbstmesse. Diese waren Universalmessen. Am internationalen Messemarkt hatten sich aber völlig andere Konzepte mit spezialisierten Branchenschauen etabliert. Die Leipziger Messe hatte dafür kein Programm und musste bei Null anfangen.

Buhl-Wagner: Niemand hatte auf die Leipziger Messe gewartet. Alle großen Messethemen waren vergeben.

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Wie gelang der Neuanfang?

Buhl-Wagner: Es gab zunächst einmal den politischen Willen, den Standort zu erhalten. Zudem gab es eine motivierte Messe-Mannschaft, die einen großen Aufbauwillen mitbrachte.

Geisenberger: Es wurden Konzepte erstellt, die nicht nur neue Messethemen vorsahen, sondern auch eine intensive Betreuung der Aussteller - etwa beim Bau der Messestände. Das Motto war und ist: Alles aus einer Hand.

Der Neubau der Messe war sicher ein wichtiges Signal.

Buhl-Wagner: Nur mit einem Neubau wäre nicht sichergestellt gewesen, dass die Leipziger Messe Bestand hat.

Doch ohne den Neubau würde es keine Messe mehr geben. Heute finden auf dem Gelände jährlich 30 bis 40 Messen und rund 100 Kongresse statt. Es wäre logistisch nicht machbar, größere Ausstellungen wie früher auf der Technischen Messe und in der Innenstadt durchzuführen.

Geisenberger: Der 680 Millionen Euro teure Neubau war damals die größte Einzelinvestition in den neuen Ländern und hatte natürlich Signalwirkung in der Messewelt.

Auf öffentliche Zuschüsse ist die Messe allerdings auch heute noch angewiesen.

Buhl-Wagner: Das ist in der Messewelt kein Einzelfall. Natürlich sind wir bestrebt, die Zuschüsse zu reduzieren. Das gelingt auch. Wir haben aber nicht nur den Auftrag wirtschaftlich zu arbeiten, sondern auch Wirtschaftsförderung zu betreiben. Auf jeden Euro, der auf der Messe ausgegeben wird, folgen etwa sechs Euro, die durch die Aussteller und Besucher in die Region fließen.

Leipzig hat es schnell geschafft, mit Messen wie der Autoschau Ami oder der Buchmesse wieder auf Platz neun der deutschen Messeplätze zu gelangen. Ist noch mehr drin?

Geisenberger: Dass wir wieder unter den Top 10 sind, ist ein Riesenerfolg. Gerade mit Blick auf den schwierigen Neustart ist die Entwicklung sehr gut. Es wurde ein solider Grundstock gelegt, dies werden wir jetzt weiterentwickeln - Schritt für Schritt.

Die sehr erfolgreiche Computerspielmesse "Games Convention" hat Leipzig allerdings an die Messe Köln verloren.

Geisenberger: In einem Wettbewerbsumfeld gewinnt man manchmal etwas hinzu und manchmal verliert man bedauerlicherweise etwas. Dies ist in allen Wirtschaftsbranchen so. Der Verlust der "Games Convention" hat uns geschmerzt. Die Situation ist auch eine Besonderheit in der Messebranche. Aber wir behaupten uns im Wettbewerb sehr gut und gehen jetzt mit einem neuen Format, der "Dreamhack", an den Start.

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Wirtschaftlich spielt der Osten im Mittelfeld. Wirkt sich dies auf die Messe aus?

Buhl-Wagner: Messen sind immer Spiegel der wirtschaftlichen Lage einer Branche - aber auch einer Region. Jede Messe profitiert von einem starken wirtschaftlichen Umfeld. Es fällt uns leichter Messethemen zu entwickeln, wenn es in der Region einen wirtschaftlichen Bezug gibt.

Die Autoschau Ami, schwächelte zuletzt. Auch andere große Publikumsmessen wie die Computerschau "Cebit" in Hannover haben weniger Zulauf. Verlieren die Schauen an Attraktivität?

Buhl-Wagner: Nein, dies lässt sich nicht sagen. Jede Messe hat einen Lebenszyklus, dieser hängt stark von der Branchenentwicklung ab. Für jede Schau die verliert, gibt es eine, die gewinnt.

Im Internet können sich Kunden aber vielfältig über Neuheiten informieren. Braucht es da noch einen Messebesuch?

Geisenberger: Die Messebranche wächst kontinuierlich. Teure Maschinen oder Boote bei unseren Messen werden vielleicht über das Internet verkauft, doch die Kunden wollen diese vorher sehen und testen.

Buhl-Wagner: Die Grundlage der Messe ist, dass Menschen bei Geschäftsbeziehungen auch den persönlichen Kontakt wollen. Das Format Messe ermöglicht diesen Austausch am besten. Daher haben Messen eine gute Zukunft. Natürlich gibt es durch die Digitalisierung auch Veränderungen. Diese wollen wir in Zukunft geschickt für das Messegeschäft nutzen.

Wie?

Geisenberger: Der Medizinkongress LINC ist ein Beispiel. Auf diesem werden Live-Operationen aus der ganzen Welt gezeigt und in Foren vor Ort diskutiert.

Sieht so die Zukunft der Messe aus? Auf welche Themen setzen Sie?

Geisenberger: Mit Sicherheit. Digitale Medien werden in unterschiedlicher Form schon heute auf fast allen Messen eingesetzt.

Buhl-Wagner: Die Publikumsschauen wie die Ami oder die Haus-Garten-Freizeit werden künftig noch mehr ein Event für die gesamte Familie. Wie im Freizeitpark macht man sich einen schönen Tag auf der Messe. Die Fachmessen sollen noch mehr Entscheider aus der Branche anziehen. Durch parallel laufende Kongresse unterstützen wir dies schon heute. Die Attraktivität der Stadt Leipzig tut ihr Übriges, um Gäste anzuziehen.

Umsatzentwicklung von 1994 bis 2014
Umsatzentwicklung von 1994 bis 2014
Leipziger Messe/MZ Satz GmbH Lizenz