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Interview mit Jens Bullerjahn Interview mit Jens Bullerjahn: "Packe nicht meine Tasche"

09.07.2013, 21:01
„Ich muss nicht jeden Satz von Katrin Budde gut finden“, sagt Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn.
„Ich muss nicht jeden Satz von Katrin Budde gut finden“, sagt Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn. dpa/achiv Lizenz

Magdeburg/MZ - Es sind harte Zeiten für Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD): Die Proteste gegen seine Sparpolitik an den Hochschulen halten an, die eigene Partei rückt von ihm ab. Selbst über einen Rücktritt wird spekuliert. Mit Bullerjahn sprachen Hans-Jürgen Greye und Hendrik Kranert-Rydzy.

Herr Minister, wie fühlt man sich denn so als Buhmann des Landes?

Bullerjahn: Ich sehe mich selber nicht so. Finanzminister ist ein Job, nach dem sich wenige drängeln und in dem Glücksmomente überschaubar sind. Ich habe da aber kein Alleinstellungsmerkmal, das geht vielen Kollegen so. Es ist eine schwierige Zeit, Finanzpolitik wird von vielen Seiten kritisch begleitet – und damit muss ich leben.

Gibt es denn überhaupt noch Menschen die sagen: Jens, halte durch?

Bullerjahn: Sie werden es kaum glauben, es gibt sogar in den Medien welche. Ich gehe frei und ohne Bodyguards durch dieses Land. Ich glaube sogar, die Masse der Bevölkerung fordert von mir ein, was sie selber zu Hause macht...

...wirtschaften oder sparen?

Bullerjahn: Ich will da keine Haarspalterei betreiben. Aber es stimmt schon: Weniger Schulden zu machen wird einem schon als Sparen ausgelegt. Jeder, der heute Finanzpolitik betreibt, muss sich fragen, ob er künftigen Generationen weitere Schulden aufbürden will.

Die Frage ist doch, ob es überhaupt in absehbarer Zeit noch Leute gibt, denen die Schulden aufgebürdet werden können, wenn jetzt falsche Prioritäten gesetzt werden und das Land immer unattraktiver wird?

Bullerjahn: Ich nehme ausdrücklich für mich in Anspruch, dass ich einer der Finanzminister in Deutschland bin, der gestaltet. Sie schreiben aber immer nur, dass da einer sitzt, der das Land zu Tode spart.

Den Eindruck des Totsparens haben derzeit Tausende im Land.

Bullerjahn: Es findet eine Entkopplung statt, die Leute sehen von Früh bis Abend nur schlechte Nachrichten, in denen es um Rettungspakete, einen schlechten Euro und Schulden geht. In manchen Ländern wurde wegen der Finanzkrise die Hälfte aller Lehrer von heute auf morgen entlassen. Wir haben aber bei den Lehrern die Einstellungskorridore verdoppelt, obwohl das von den Zahlen her nicht nötig wäre. Wir geben sehr viel Geld für die Kinderbetreuung aus, weil wir für die Zukunft planen. Und unsere Entschuldungsprogramme für die Kommunen sind bundesweit ebenso einmalig wie unser Programm zur Sanierung aller bestandsfähigen Kitas und Schulen. Sachsen-Anhalt steht in vielen Dingen so gut da wie noch nie!

Dennoch wollen Sie ausgerechnet bei den Hochschulen kürzen und legen bei den Theatern die Magdeburger Elle an.

Bullerjahn: Das kommt ja nicht aus heiterem Himmel. Schon 2009 hat der Wissenschaftsrat auf die Probleme der Unimedizin in Halle hingewiesen; 2011 habe ich gesagt, dass sich etwas ändern muss. Leider hat die Fachpolitik da nichts gemacht, auch nicht die damalige Wissenschaftsministerin Wolff. Die Verantwortlichen, die heute bei den Demonstrationen mit vorne stehen und die Reden führen, die hatten auch die Aufgabe, etwas zu ändern. Deshalb bin ich dem Wissenschaftsrat ausdrücklich dankbar, dass er jetzt aufgeschrieben hat, was besser werden soll. Und nicht, was kaputt gespart wird. In meiner Amtszeit sind zudem 100 Millionen Euro zusätzlich in den Wissenschaftsbereich geflossen. Es gibt aber einige Hochschuleinrichtungen, die haben in den letzten Jahren mehr Geld ausgegeben als sie bekommen haben. So kam es erst zu strukturellen Defiziten. Wenn in der Politik, auch in den Regierungs-Parteien, und anderswo alle ihren Job gemacht hätten, hätte es die Debatte so nicht geben müssen.

Sie haben die Debatte befördert, weil Sie von den 50 Millionen Euro bei den Hochschulen nicht abweichen.

Bullerjahn: Ich hatte mich mit Ministerin Wolff darauf geeinigt ...

... was sie bestreitet.

Bullerjahn: Ich gehöre nicht zu denen, die im Nachgang richtig stellen, ich stehe zu meinem Wort. Und ich weiß, was ich gesagt habe, sonst wäre ich mit der Idee nicht gekommen. Zudem haben wir die Einsparungen nicht auf die Hochschulen, sondern über den gesamten Wissenschaftsbereich gelegt.

Ihre Partei- und Fraktionschefin Katrin Budde weiß davon nichts. Merkwürdig, oder?

Bullerjahn: Es ist im Kabinett gesagt worden, dass der gesamte Einzelplan Wissenschaft herangezogen wird. Da war sie dabei. Abgesehen davon, es hilft doch nicht, dass sich jetzt alle auf den stürzen, der laut ausspricht, was alle längst wissen: Es muss Strukturveränderungen geben!

Macht es Ihnen dann nicht sehr zu schaffen, dass maßgebliche Politiker(innen) in Ihrer Partei Ihren Kurs ebenfalls öffentlich kritisieren?

Bullerjahn: Nein.

Budde hat sinngemäß gesagt, Sie sollten angesichts der Bundestagswahl endlich mal die Klappe halten, weil Ihr Spardiktat dem Ergebnis der SPD schaden könnte.

Bullerjahn: Ich muss nicht jeden Satz von Katrin Budde gut finden. Ich finde manches auch unverhältnismäßig gegenüber dem, was ich hier seit Jahren mache. Natürlich muss sie den Wahlkampf mehr im Auge haben als ich und auch die Frage, was wird 2016. Ich gehe fest davon aus, dass wir das Problem Haushalt und auch die Frage der Hochschulen gemeinsam lösen.

Budde hat die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im Landtag kritisiert, als säße sie in der Opposition. Hat Sie das erschüttert?

Bullerjahn: Mich erschüttert nichts. Außer wenn der HFC absteigt, was nicht passieren wird. Ich will nicht abstreiten, dass manche Regierungserklärungen und Haushaltsreden hätten besser ausfallen können. Ich weiß auch, dass das mit der CDU keine Partnerschaft für die Ewigkeit, sondern eine Sachgemeinschaft ist. Und ich wünsche meiner Partei, dass sie die Union beim nächsten Mal wieder in die Schranken weist. Aber ich halte derzeit die Sacharbeit für vernünftig und suche daher in meinen Reden zuerst das Verbindende.

Und was passiert, wenn die Bundestagswahl für die SPD in Sachsen-Anhalt wieder so schlecht ausfällt wie vor vier Jahren?

Bullerjahn: Warten wir das Ergebnis erstmal ab. Steinbrück jedenfalls würde sich kaputtlachen, wenn Bullerjahn für das Ergebnis verantwortlich gemacht wird – im Guten wie im Schlechten.

Sie ignorieren also Spekulationen über ihr mögliches politisches Ende?

Bullerjahn: Ich kenne solche Spekulationen seit ich in der Politik bin. Wenn jemand der Meinung ist, ich sei konzeptionell zu schwach, kann er ja inhaltlich etwas vorlegen - ich stehe niemandem im Weg. Wenn man meint, ich bin nicht der Typ, an den sich alle ankuscheln - da habe ich meine Konsequenz gezogen, ich trete 2016 nicht noch einmal als Spitzenkandidat an.

Und nach der Bundestagswahl?

Bullerjahn: Wie gesagt: Zuerst geht es darum, dass wir alle gemeinsam kämpfen. Und wenn es nach der Wahl Kommentare gibt, der Bullerjahn sei schuld, werde ich mich der Debatte stellen. Ja – es wird Leute geben, die sagen, der Jens hat uns auch nicht besonders geholfen. Aber ich werde deswegen nicht meine Tasche packen. Das hätte ich vielleicht vor zehn Jahren gemacht, hätte mich aufs Motorrad gesetzt und wäre in den Süden gefahren. So einfach will ich es mir aber nicht machen. Zumal sich nichts bessern würde, wenn ein einziger Politiker morgen zurücktritt. Und wenn alle fordern, der Finanzminister muss den Haushalt konsolidieren, ein harter Hund sein und das Ganze auch noch lächelnd als Wohltat nach außen verkaufen – das überfordert jeden.

„Ich muss nicht jeden Satz von Katrin Budde gut finden“, sagt Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn.
„Ich muss nicht jeden Satz von Katrin Budde gut finden“, sagt Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn.
Bauer/archiv Lizenz