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Spardebatte Spardebatte: Krise des Vertrauens

Von andreas montag 09.07.2013, 19:28
Protest an Halles Oper: Die Künstler lassen die Puppen baumeln.
Protest an Halles Oper: Die Künstler lassen die Puppen baumeln. jens schlüter Lizenz

halle/MZ - Was für ein Drama, kein Ende in Sicht: Die Akteure, die Theaterleute und Orchestermusiker aus Halle und Dessau, die Schauspieler aus Eisleben dazu, sind verbittert. Der sozialdemokratische Kultusminister Sachsen-Anhalts, Stephan Dorgerloh, sowie sein Sekundant und Parteifreund, der Landtagsabgeordnete Gerhard Miesterfeld, ringen um Verständnis. Schauplatz der tiefernsten, von der SPD-Landtagsfraktion inszenierten Aufführung ist das Opernhaus Halle, von dessen Balkon schwarze Puppen baumeln. Kunst, Kultur, Bildung – alle tot, heißt die Botschaft der Komödianten.

Und unausgesprochen steht über der Veranstaltung am heißen Montagabend: Es gibt eine tiefe Vertrauenskrise zwischen den Künstlern und der Regierung des Landes. Mag sein, dass der Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und sein jedenfalls der Propaganda nach starker Mann, Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), den Zorn der Multiplikatoren unterschätzen.

Und nun kommt die Kürzungskeule

Mag sein, sie fühlen sich wirklich stark. Aber das wird ihnen nicht wirklich nützen, auch wenn sie keinen Putsch befürchten müssen: In Sachsen-Anhalt gibt es nicht mal mehr Militär. Dafür schöne Plätze wie den Airport Cochstedt, den, so die Eigenwerbung, einzigen internationalen Verkehrsflughafen in Sachsen-Anhalt. „Wir freuen uns, Ihnen tolle Reiseziele und attraktive Reise- sowie Frachtangebote anzubieten. Ab dem 26. März 2013 starten und landen wöchentlich Flugzeuge nach Palma de Mallorca und ab dem 3. April 2013 nach Girona/Barcelona“, meldet dessen Webseite. Super.

Die Vertrauenskrise zwischen Theatern und Regierung hingegen ist nicht behauptet, nicht dramatisiert: Hier fühlen sich Menschen nicht ernst genommen, nicht gebraucht und in ihrer Würde verletzt. Tom Wolter, der für die freie Szene spricht und dies auch schon im Kulturkonvent getan hat, bringt es auf eine knappe Formel: Da hat er nun im Kulturkonvent gesessen und mit anderen Vorschläge erarbeitet, wozu der Landtag sie schließlich gebeten hatte, und nun kommt die Kürzungskeule. Statt der geforderten Anhebung des Kulturetats auf 100 Millionen Euro sollen sieben Millionen von dem, was man ohnehin für zu wenig erachtet hat, gestrichen werden, Halle und Dessau auf Magdeburger Maß gestutzt. Und Eisleben war schon über die Wupper, bis es der Minister mit einer auf zwei Jahre befristeten Förderzusage über jeweils immerhin 750 000 Euro (statt wie bisher 1,3 Millionen) gerade noch auffing.

Mit „Hauruck-Aktion“ nicht zu bewerkstelligen

Das macht böses Blut, sie würden von Dorgerloh am liebsten kein Stück Brot mehr nehmen, wenn sie es nicht zum Überleben so dringend brauchten. Und die Kunst geht nun einmal nach Brot, wie Lessing es in seinem Trauerspiel „Emilia Galotti“ den Maler Conti sagen lässt. Die Zeiten haben sich geändert, die Regeln nicht. Dabei hatte der Kulturkonvent doch genau das versucht, zumal sein Moderator Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Auch am Montag hat er noch einmal den Geist des Konvents beschworen und gesagt, die vom Kabinett beschlossenen Kürzungen seien falsch.

Auch, weil man damit keinen Landeshaushalt sanieren könne. Freilich sei auch wahr, dass man im Lichte der demografischen Entwicklung nicht die Augen vor einem notwendigen strukturellen Umbau verschließen dürfe. Aber der sei eben nicht mit einer „Hauruck-Aktion“ zu bewerkstelligen.

Manchmal wird es geradezu rührend an diesem Abend. Etwa, wenn Gerhard Miesterfeld dem Gelächter im Saal mehr trotzig als drohend entgegenhält, es sei deutlich geworden, wie sehr der Kultusminister ringe: „Es wäre gut für Sie, wenn Sie das glaubten!“ Sie wollen es nicht glauben, Axel Köhler, Halles Opernchef, ruft Dorgerloh zu, es sei nicht der Job der Künstler, die Menschen von der Berechtigung der Kunst zu überzeugen, sondern der des Ministers. Das lässt Dorgerloh nicht stehen: „Wir müssen das gemeinsam machen!“ Aber hier liegt der Hase im Pfeffer. Gemeinsam geht nichts, scheint es.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf den Landtag. Der muss den Haushalt ja erst noch beschließen. Miesterfeld hat es gesagt, Zimmermann auch. Man kann das als einen deutlichen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Fragt sich nur, ob er auch bemerkt worden ist. Die Hallenser und Dessauer Theaterleute winken nur ab, Halles SPD-Stadtverband fordert, die Kürzungen für die hallesche Bühnen zurückzunehmen und gefälligst erst einmal über Strukturen zu reden. Und Eislebens Intendant Ulrich Fischer spricht indessen von der Angst vor einem Sterben auf Raten.

Die Gräben sind tief, das Land, in dem die Blütenträume reifen, scheint nicht auf dieser Welt zu sein. Jedenfalls nicht in Sachsen-Anhalt. Der Vorhang fällt, und nicht einmal mehr Fragen sind noch offen. Halb neun Uhr abends zeigt die Uhr. Nicht fünf vor Zwölf. Da liegen die meisten Bürger hierzulande schon im Bett.

Er hat getan, was er konnte: Kulturkonvent-Moderator Olaf Zimmermann
Er hat getan, was er konnte: Kulturkonvent-Moderator Olaf Zimmermann
Jens Schlüter Lizenz
Hört zu, will es gemeinsam richten: Kultusminister Stephan Dorgerloh.
Hört zu, will es gemeinsam richten: Kultusminister Stephan Dorgerloh.
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