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in Schkeuditz  in Schkeuditz: Im Zauber des Menüs

Von michael falgowski 16.12.2011, 18:53

Schkeuditz/MZ. - Dieses wird, wir sagen es gleich, ein begeistertes Urteil. Und wir verstehen im Fall der Schkeuditzer Schillerstuben nicht, warum die lieben Kollegen vom Gault Millau hier geizten mit ihren Punkten und derer nur 14 verliehen. "Wir gehören seit Jahren zu den Top Ten in Sachsen." Miroslav Drahokoupil weiß, was er kann. Er betreibt das Restaurant seit 16 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Claudia. Die Stuben sind aber noch in diversen anderen Schlemmeratlanten benotet, und im Michelin gab’s sogar einen Stern. Das hat sich bis über die Ländergrenze herumgesprochen, 40 Prozent der Gäste kommen heute aus dem 20 Minuten Autofahrt entfernten Halle.

Im trotz des Fluglärms reichlich verschlafenen Schkeuditz wirken die Schillerstuben wie ein gastronomisches Ufo. Die guten Stuben verbergen sich mitten in einem sehr normalen Wohnviertel in einer schönen, fast hundertjährigen Stadtvilla. Gelbe Fassade, grüne Fensterläden, gepflegter Garten. Drinnen herrscht Wohnzimmeratmosphäre. An den Wänden hängen Bilder und Fotos, auf einem alten Nähmaschinentischchen werden die Spirituosen präsentiert. Die stilvollen Möbel stehen recht eng beieinander; die Tische sind jedoch so geschickt gestellt, dass man schwer auf fremde Teller gucken kann. Muss man auch nicht, weil eigentlich überall das gleiche zu finden ist. In den Schillerstuben gibt es immer nur ein Menü, das handgeschrieben auf einer Tafel präsentiert wird. Die Wahl hat man lediglich in der Anzahl der Gänge, zwischen drei (in unserem Fall für 55 Euro) und sechs (75 Euro) darf man sich entscheiden bei freier Auswahl der Speisen.

Bis zu drei Wechsel des Menüs pro Woche gibt es, Miroslav Drahokoupil entscheidet das je nach Lieferung des Fisches dienstags und donnerstags recht spontan. "Unser Schwerpunkt liegt auf der mediterranen italienisch-französischen Küche." Was das Paar aber nicht davon abhält, auch mal asiatisch zu experimentierten; "unser" Menü hatte einen deutlichen fernöstlichen Einschlag. Um zu vermeiden, uns in der Findung diverser und im Sinne der besseren Lesbarkeit möglichst differenzierter Superlative üben zu müssen, geben wir unser Urteil schon mal an dieser Stelle ab. Sämtliche Gerichte waren absolut hervorragend, immer mit einer Spur Überraschendem, ohne jedoch den Gast damit vor den Kopf zu stoßen. Perfekt gegart, perfekt gewürzt, perfekte Zutaten. Klar, es gibt Kollegen, die das anders sehen, aber s. o. Nach dieser Höchstnote unsererseits können wir uns nun aber den Details widmen.

Zuoberst offerierte besagte Tafel entweder ein Parfait von der Entenstopfleber, pralinengleich geschichtet mit bitterer Schokolade und Gelee obendrauf, mit zwei süßen Melonenkügelchen und einer Scheibe gebutterter Brioche (das ist ein leicht süßliches Hefegebäck) oder aber eine Auswahl an thailändischen Salaten. Schokolade und die wesentlich dezentere Lebercreme im Parfait harmonierten wie Ente und Teich, und die Brioche war so gut, wie sie vermutlich Kalorien enthielt. Die Salate entpuppten sich als Offenbarung: Rindfleischsalat mit frischem Koriander; Glasnudelsalat mit Flusskrebsschwänzen; Hähnchenbrust mit geröstetem Reis. Dazu gab es Baguette.

Hernach kam die Suppe auf den Tisch. Cremig und verhältnismäßig kräftig schmeckend, mit einer Blumenkohlrose in der Mitte, darauf ein recht üppiges Stück gebeizter Lachs, darauf wiederum ein Erbsenspuma, eine Art Schaum. Ein zweiter Gruß des Hauses - der erste bestand aus kleinen Brötchen, gereicht mit Salzbutter, Gänseschmalz und Kräuter-Zwiebel-Quark noch vor dem eigentlichen Beginn des Festmahls - wurde gereicht. Satéspieße mit Erdnusssauce auf Gurkensalat: zartes, sehr aromatisches Hühnerfleisch und ein, sagen wir mal so, normal guter Gurkensalat. So, was folgte dann? Ach ja, das Kabeljaufilet in roter Currysauce mit glasiertem Paprika und karamellisiertem thailändischen Spargel. Letzterer ist ganz dünn und grün und bestätigte unsere Überzeugung, dass karamellisierter Spargel jetzt wirklich unser Lieblingsgemüse geworden ist.

Und als wir dachten, besser geht’s nun wirklich nicht mehr, kam schließlich das Rinderfilet daher! "Am Knochen gereift, vom Charolais-Rind, wunderbar zart", hatte uns Claudia Drahokoupil versprochen. Und sie sollte recht behalten. Auf die Sekunde genau gegart, rosa, aber nicht mehr blutig, ruhte das würzige Fleisch auf einem weiteren Stück, diesmal jedoch aus dem geschmorten Kalbsbäckchen auf Senfgemüse. Das bestand aus Stauden- und Knollensellerie, Möhren und noch etwas anderem, alles kleingeschnitten und äußerst pikant.

Zu guter letzt musste schließlich noch die Entscheidung getroffen werden für den Abschluss des Menüs. Sollte es eine Rohkäseauswahl sein oder ein süßes Dessert? Passionsfruchtsorbet, Kokosmousse und Ananas in Walnusskruste, knusprig und süß, warben um Gunst. Das Urteil über die gesamten Menübestandteile haben wir ja bereits oben abgegeben. Neben dem Wohlgeschmack muss noch erwähnt werden, dass die einzelnen Komponenten eigentlich jedes Gerichtes so wunderbar harmonierten, auch wenn jede für sich einen kräftigen Eigengeschmack hatte und sie einander gar nicht brauchten. Sie schlugen sich nicht, könnte man sagen, sondern sie vertrugen sich.

Übrigens auch mit dem Wein. Miroslav Drahokoupil ist gelernter Sommelier und frönt seinem Hobby auch weiterhin, und so müssen Speise- und Weinkarte eine harmonische Beziehung führen. Der von uns gewählte Blaufränkische aus dem Österreichischen war recht mild, passte daher aber gut zum Fisch und zum weißen wie roten Fleisch.

Wird man als Weinfachmann nun Koch, weil man ein gutes Glas gerne mal am Herd trinkt, wie unsereins? Oder kocht man zuerst und lernt dann die passenden Tropfen zu schätzen? Sich hier für Ei oder Henne zu entscheiden, gelingt Miroslav Drahokoupil, gebürtiger Prager übrigens, auch nicht richtig. "Ich stamme aus einer Gastronomenfamilie. Und bei uns haben immer schon die Männer gekocht." Und so leben Traditionen fort, sein eigener Sohn steht heute mit ihm in der Küche. Zu dritt führen sie dieses kleine, feine Restaurant. Und nein, Friedrich Schiller war in diesem Hause nie zu Gast. Der Name bezieht sich auf die Schillerstraße, in der Drahokoupils ihr erstes Domizil hatten. Und eigentlich passt er ja auch gut zur jetzigen Adresse: Herderstraße.