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"Ich musste gucken was da los ist" "Ich musste gucken was da los ist": Nachruf auf Ex-MZ-Chefredakteur Jörg Biallas

Von Kai Gauselmann 11.01.2021, 20:35
Jörg Biallas
Jörg Biallas bt

Halle (Saale) - Es ist erstaunlich, was manchmal über die Richtung eines Lebensweges entscheidet. Bei Jörg Biallas, zuletzt Chefredakteur der Bundestagszeitung „Das Parlament“ in Berlin und davor Chefredakteur der Mitteldeutschen Zeitung in Halle, stand am Beginn einer bemerkenswerten journalistischen Karriere: ein lädiertes Knie.

Anfang der 1980er Jahre galt Jörg Biallas als großes Volleyball-Talent, der junge Mann spielte damals beim USC in Münster (Nordrhein-Westfalen) und wollte in der Bundesliga auftrumpfen. Doch eine schwere Knieverletzung beendete jäh den Traum von der Profisportler-Karriere - und der Mann aus Witten im Ruhrgebiet bewarb sich um ein Volontariat bei den Westfälischen Nachrichten in Münster und wurde Journalist. Dann studierte er in Hamburg Japanologie, Journalistik sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. In der Hansestadt probierte er auch ein anderes Medium und arbeitete unter anderem für den NDR-Hörfunk.

Die zweite große Wendung in seinem Leben ging auf Weltgeschichte zurück: die Wiedervereinigung. Es war unvorstellbar für den Westdeutschen, der Transformation nur von Ferne zuzuschauen. ,,Ich hab sofort alles geschmissen. Ich musste raus in die neuen Länder, gucken, was da los ist!“, hat er später erzählt.

Gucken, was da los ist - und anderen dann davon erzählen: Mit diesem journalistischen Ur-Impuls kam er zur MZ, arbeitete zunächst in der Lokalredaktion in Artern - und prägte über Jahre in unterschiedlichen Funktionen die Mitteldeutsche Zeitung maßgeblich mit, als Ressortleiter in den Bereichen Reportage und Politik/Nachrichten, als Chef vom Dienst und von 2005 bis 2010 als Chefredakteur, in der Nachfolge von Monika Zimmermann und gemeinsam mit Hans-Jürgen Greye. Dann ging der Vater zweier erwachsener Töchter nach Berlin, wurde und blieb bis zuletzt Chef der Bundestagszeitung „Das Parlament“.

Jörg Biallas war ein leidenschaftlicher Journalist, der für die Zeitung lebte. Ein genauer Beobachter, streitbar und kraftvoll, der zuhörte und es sich nie leicht machte. Willenskraft, Lebensfreude und Verlässlichkeit waren nicht nur seine journalistischen Tugenden, sondern auch menschliche Eigenschaften, denen er treu blieb - auch in den vergangenen Jahren und trotz eines langen, schweren Leidens, an dessen Folgen Jörg Biallas am vergangenen Sonnabend, zwei Tage nach seinem 59. Geburtstag, in Potsdam verstorben ist. (mz)