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Handwerk Handwerk: Flachstich-Graveur aus Halle pflegt seltene Kunst

Von Christina Onnasch 18.09.2007, 06:24
Der Handgraveur Johann Körner in seiner Werkstatt in Halle bei der Arbeit an einem Monogramm auf einem Serviettensilberring. (Foto: dpa)
Der Handgraveur Johann Körner in seiner Werkstatt in Halle bei der Arbeit an einem Monogramm auf einem Serviettensilberring. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Halle/dpa. - Mit einem sogenannten Stichel fährt er in das Edelmetall undhebt Span für Span heraus. Das geht flink und sehr behutsam. DasArmband ist in eine Gravierkugel eingespannt, eine Art beweglicherSchraubstock. Diese dreht Körner hin und her, um besser an dasSchmuckstück heranzukommen. Wenn er fertig ist, wird darauf «Vanessa»eingraviert sein.

Körner ist einer der letzten Handgraveure, die es in Deutschlandnoch gibt: «Das ist ein Beruf, der bald ausstirbt.» Trauringe,Kettenanhänger, Uhrendeckel, Namensschilder, Bestecke oder Pokal-Inschriften - all das hat er früher in Handarbeit mit Gravurenversehen. Inzwischen sei das weit weniger gefragt: «Den größten Teilkönnen heutzutage Maschinen erledigen.» Der Graveurmeister istinzwischen 76 Jahre alt und eigentlich Rentner. Trotzdem sitzt ernoch zweimal wöchentlich in der Werkstatt in Halle, deren Inhaberinseine Schwester inzwischen ist. Maria Kammler beherrscht das Handwerkauch, aber als Maschinengraveurin. «Sie braucht mich für besondereArbeiten. Denn Goldschmiede, Uhrmacher und Juweliere schicken ihreAufträge hierher, da bin ich gefragt», sagt Körner.

Genau genommen ist er Flachstich-Graveur; das bedeutet, dass ermit Sticheln verschiedener Größen zarte Linien auf die Oberflächenvon Silber-, Gold-, Platin- oder Kunststoffstücken sticht. Danebengebe es sieben andere Fachrichtungen in diesem Handwerk wieStahlstanzen-, Golddruck- oder Reliefgraveure. Letztere zum Beispielgestalten plastische Formen meist für Präge- und Gießwerkzeuge. Rund700 Graveure aller Fachrichtungen gibt es nach Angaben desBundesinnungsverbandes der Galvaniseure, Graveure und Metallbildner(Hilden/Nordrhein-Westfalen) in Deutschland. Davon arbeiteten rund210 in den neuen Bundesländern. Insbesondere Flachstichgraveure gebees in Deutschland aber kaum noch.

«In der Praxis muss jeder Graveur von allem etwas bringen», sagtKörner. Allein in Halle habe es früher sieben Flachstecher gegeben:«Heute bin ich der letzte in diesem Beruf.» Zwei Maschinengraveurearbeiteten außer seiner Schwester noch in der Stadt. 1945 kam KörnersFamilie aus dem Sudetenland nach Halle. Die Lehrstelle alsFlachstich-Graveur bei einem Meister, der seinen Laden in derInnenstadt betrieb, habe Körners Vater zufällig für seinen Sohngefunden. «Bevor ich anfangen konnte, musste ich zwei Prüfungenbestehen. Zuerst wurden meine Hände ausführlich begutachtet, ob siefür den Beruf geeignet sind», erinnert sich Körner.

Danach habe er zeichnen müssen - eine Tulpe: «Denn, was manzeichnet, sticht man auch.» Einige Stücke seines Meisters verwahrtKörner bis heute in einer Kiste - fein gearbeitete Monogramme undFamilienwappen auf Silberplatten sind darunter. Zu seiner eigenenMeisterprüfung 1952 reichte er ein Wappensiegel und ein Bild der BurgRheinstein ein. 1964 übernahm Körner das Geschäft seines Meisters undführte es an mehreren Standorten 30 Jahre lang bis er es an seineSchwester übergab: «Wir waren ein richtiges kleinesFamilienunternehmen.»

Vier Graveure seien sie gewesen, seine Frau habe als Ladenhilfegearbeitet. Um 1980 sei auch ein Lehrling ausgebildet worden. «Aberwie soll man das heute machen, man kann von diesem Beruf nichtleben», sagt Körner. Ihm selbst habe es besonders gefreut, als einmalein Kunde den vollständigen Heiratsantrag in den Trauring graviertoder ein anderer seine Jagdpistole verziert haben wollte. Eindaumnagelgroßes Medaillon hütet der Graveurmeister besonders; er hates mit einem Spruch, Blumenranken und einem Monogramm versehen - eswar ein Geschenk an seine inzwischen verstorbene Frau im ersten Jahrihrer Ehe.