Gesundheit Gesundheit: Vater wirft Klinikum Behandlungsfehler vor
Quedlinburg/MZ. -
Den 10. Juli 2005 werden Sandra Zimmermann und ihre Tochter Sabrina wohl nie mehr vergessen: Weil das Thalenser Mädchen über Bauchweh klagte, fieberte und kaum etwas essen konnte, rief die Mutter die an diesem Sonntag tätige Bereitschaftsärztin. Dr. Silvia Hildebrandt kam, untersuchte die Siebenjährige und stellte nach dem Abtasten eine Verdachtsdiagnose: akute Blinddarmentzündung. Die Einweisung ins Klinikum Quedlinburg war für die Internistin die logische Konsequenz. Für die schwerbehinderte Sabrina jedoch begann damit eine Odyssee, die gut eine Woche später auf der Intensivstation der Uniklinik Halle endete. Und dort wird das Mädchen vier Monate später noch immer behandelt.
Die Krankengeschichte steht inzwischen auf einer Internet-Seite, die Sabrinas Vater Mirko Rothe verantwortet. Rothe wählte bei seiner Beschreibung bewusst die Ich-Perspektive und lässt seine Tochter erzählen, wie sie in die Klinik kam, stundenlang nicht behandelt worden sei, um später - trotz vermuteter Blinddarmentzündung - Bauchmassagen verordnet zu bekommen.
Eine, wie die Eltern meinen, verhängnisvolle Entscheidung, die womöglich fatale Folgen gehabt hat. Tatsächlich machen die Mediziner zwei Tage nach der Einlieferung eine dramatische Entdeckung: Bei einer Bauchspiegelung sahen sie den geplatzten Blinddarm, berichtet die Mutter. Aus Sabrina wird eine Intensivpatientin, die knapp eine Woche später in die Kinderklinik des halleschen St.-Barbara-Krankenhauses kommt. "Die dortigen Ärzte haben uns am 20. Juli mitgeteilt, dass wir mit dem Schlimmsten rechnen müssen", so Rothe. Das Kind wird schließlich ins Uniklinikum Halle verlegt.
Dort kämpfen die Mediziner noch immer: "Nachdem Sabrina mehrere Wochen in akuter Lebensgefahr schwebte, hat sich ihr Zustand mittlerweile zwar stabilisiert. Allerdings ist die Gefahr weiterer Komplikationen recht groß", so der kommissarische Chef der Uni-Kinderklinik, Professor Ralph Grabitz. Die Dauer der weiteren Behandlung sei nicht absehbar.
Zu lange gewartet?
Davon lässt der Vater das schwerbehinderte Mädchen, das sich aufgrund einer Erbkrankheit selbst kaum artikulieren kann, im Internet berichten. Mirko Rothe sieht keinen Grund für Kritik an dieser Art der Darstellung: "Mit der Ich-Form arbeiten auch andere im Internet." Und der 32-Jährige steht dazu, die Namen von Ärzten und Schwestern veröffentlicht zu haben: "Ich will die Verantwortlichen nennen und nicht die Klinik anprangern. Und ich will, dass die Verantwortlichen dazu stehen", sagt er und formuliert seine Vorwürfe: Sabrina sei mehrere Stunden nicht behandelt worden, zudem sei die Entzündung nicht erkannt, zu spät operiert und mit der Massage womöglich das Platzen des Blinddarms ausgelöst worden.
Klinikchef nennt Namen
Das Material für die von Rothe angekündigte "große Kampagne" lieferte Klinikchef Hans-Volkhard Hecht: Er nannte Rothe die Namen aller beteiligten Ärzte und Schwestern. Dass sie nun im Internet zu lesen sind, überrascht auch Hecht. Die Herausgabe war für den Klinikgeschäftsführer quasi eine vertrauensbildende Maßnahme: "Herr Rothe kann Einsicht in die Krankenakte beantragen und sieht die Namen sowieso." Laut Hecht hat mittlerweile die Klinik den Fall geprüft. Ergebnis: "Wir sehen keinen Behandlungsfehler und haben uns nichts vorzuwerfen."
Doch wie soll es nun weitergehen? Hecht sieht nur eine Möglichkeit: "Am liebsten wäre uns, wenn die Eltern den normalen Klageweg beschreiten." Dann würden Gutachter den Fall beleuchten. Das sei allemal besser, als die Geschichte öffentlich zu diskutieren.
Unterdessen sorgt der Fall für Diskussionen. Dies zeigt nicht nur das Gästebuch der Internet-Seite, wo auch kritische Stimmen zu Darstellungsform und Namensnennung zu finden sind. Auch in der Öffentlichkeit regen sich Stimmen, die die Art und Weise nicht gutheißen. Rothe lässt sich davon nicht beeindrucken: "Für mich ist das unterlassene Hilfeleistung." Deshalb habe er den Fall öffentlich beschrieben. Und: "Hier geht es nicht um Geld, hier geht es um Zustände, die abgestellt werden müssen." Dass er noch keine Anzeige erstattet habe, sei dem Zeitmangel geschuldet.
Inzwischen hat auch die damalige Bereitschaftsärztin vom Fortgang der Geschichte erfahren: "Ich glaube, dass es zu einer Verkettung vieler unglücklicher Umstände gekommen ist", sagt Silvia Hildebrandt. "Ich kann das Anliegen der Eltern verstehen. Aber ich denke, dass der Weg, den der Vater eingeschlagen hat, nicht der richtige ist."