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Flutopfer in Prettin Flutopfer in Prettin: Lebenstraum ging zweimal unter

Von Walter Zöller 05.11.2003, 16:49

Prettin/MZ. - "Es war ein Bild des Jammers." Wenn Heidrun Skawski von den Ereignissen Anfang Oktober dieses Jahres erzählt, hat sie Tränen in den Augen. "Und dann kam der Abrissbagger." Binnen kurzer Zeit riss der Greifarm den Lebenstraum von Heidrun und Gerhard Skawski nieder. Ihr Einfamilienhaus im Hirschmühlenweg in Prettin (Landkreis Wittenberg) wurde dem Erdboden gleich gemacht. Die Elbe hatte aus dem schmucken Heim eine Gefahr für Leib und Leben gemacht.

Heidrun und Gerhard Skawski sind bodenständige Menschen. Beide sind Mitte fünfzig, sie fährt Taxi, er betreibt eine Fahrschule. Vor sieben Jahre kauften sie das zweigeschossige Haus im Hirschmühlenweg. In die Sanierung mussten viel Geld und Eigenarbeit gesteckt werden. "Aber wir haben es damals geschafft," sagt Gerhard Skawski auch heute noch mit Stolz in der Stimme. Vor sechs Jahren zog das Ehepaar in das neue Heim.

Dass die 600 Meter entfernt vorbeifließende Elbe ihr Haus jemals in den Grundfesten erschüttern könnte, schien undenkbar. Als dann das Hochwasser im August 2002 kam, hatten die Skawskis gerade noch Zeit, einige Möbel in die obere Etage zu schaffen. Und Gerhard Skawski folgte dem verhängnisvollen Rat eines Fachmanns. "Ich füllte den Öltank im Keller bis zum Rand, damit er nicht umkippt."

Doch der Tank hielt trotz des großen Gewichts und zusätzlicher Sicherungsseile dem Wasserdruck nicht stand, in Keller und Wohnraum breiteten sich 3000 Liter Öl aus. "Als wir wieder an unser Haus heran konnten, schwamm überall eine dicke Ölbrühe herum," so Gerhard Skawski. Wut und Verzweiflung folgte bald der feste Wille, den Lebenstraum ein zweites Mal in Angriff zu nehmen. "Wir fangen an, wir schaffen das."

Und die Skawkis fingen an. Übernachtet wurde im Wohnwagen neben dem Eigenheim. Jede freie Minute ging es in das Haus, um das ölverseuchte Mauerwerk Stein für Stein herauszunehmen und durch neues zu ersetzen. Die Probleme schienen erdrückend. Reicht die Hilfe für Flutopfer? Welche Behördengänge sind noch notwendig? Bleibt genügend Kraft für den Beruf? Heidrun Skawski: "Die Nerven lagen blank."

Die Mühe schien sich dennoch zu lohnen. "Das Umweltamt der Kreisverwaltung," so Gerhard Skawski, "veranlasste Luftmessungen. Danach hieß es, es sei alles in Ordnung, wir könnten ohne Bedenken wieder in unser Haus einziehen." Das taten die Skawskis auch. An den durchdringenden Ölgeruch hatten sie sich längst gewöhnt.

Der Körper aber reagierte auf die Belastung. Gerhard Skawski fühlte sich immer häufiger elend, bekam Husten, hatte Kopfschmerzen. Seine Frau hatte plötzlich zu hohen Blutdruck, wurde krank geschrieben. Ihr Hausarzt zog die Notbremse. "Sie müssen sofort aus dem Haus raus," sagte er dem entsetzten Ehepaar. Das Gesundheitsamt bestätigte die Diagnose des Arztes, in dem ölverseuchten Haus konnte niemand mehr wohnen. Es blieb nur der Abriss.

Anfang Mai dieses Jahres zogen die Skawskis aus. "Es war so, als hätte man uns den Boden unter den Füßen weggezogen." Die Familie kam bei Freunden in Prettin zur Miete unter, dem Ehepaar stand ein neuer Kraftakt bevor. Und wieder galt es behördliche Hürden zu nehmen. Die Abrissgenehmigung lag zwar schnell vor. Nicht jedoch die Entscheidung darüber, in welcher Höhe Abriss und Neubau gefördert werden. Mit dem Rat, die Kosten vorzufinanzieren, konnte Gerhard Skawski nichts anfangen. "Welche Bank gibt einem 56-Jährigen denn noch einen Kredit?"

Die Monate vergingen in quälender Ungewissheit, bis die offenen Geldfragen Anfang Oktober endlich geregelt waren. Auch Dank einer Finanzhilfe des Vereins "Wir helfen", der das von Lesern der MZ, des Kölner Stadt-Anzeiger und des Express gespendete Geld an Flutopfer verteilt. Nun geht Familie Skawski ihren Lebenstraum zum dritten Mal an. Die Bodenplatte für das neue Haus an alter Stelle ist gegossen, bald soll Richtfest sein. Gerhard Skawski: "Wir schaffen das."