Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt: Jeder Vierte ist minderjährig

Halberstadt - Die acht Flüchtlingskinder schauen Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) irritiert und etwas verständnislos an, als er sich zu ihnen an den kleinen Tisch setzt und nach ihren Heimatländern fragt. Die Sprachbarriere vermag auch der Regierungschef bei seinem etwa zwei Stunden dauernden Besuch am Dienstag in der zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt nicht zu überwinden. Dennoch kommt er zusammen mit Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Ende doch noch mit Flüchtlingen ins Gespräch.
Gut zwanzig Minuten nimmt er sich hinter verschlossenen Türen Zeit, um mit einer syrischen Familie zu reden, die erst seit gut einer Woche in Deutschland ist. Der Vater arbeitete in der Hauptstadt Damaskus als Zahntechniker, seine Frau ist Sportlehrerin. „Es handelt sich um gut ausgebildete Menschen, wo die Integration ohne Probleme und sehr schnell möglich ist“, sagt der Ministerpräsident.
Land und Kommunen unter Druck
Das ist eine der Botschaften, die Haseloff mit seinem Besuch in Halberstadt verbindet. Er will, dass sich die Flüchtlinge aus Syrien dauerhaft in Sachsen-Anhalt integrieren können. Mittlerweile kommt jeder vierte Flüchtling aus dem Bürgerkriegsland. „Angesichts der demografischen Entwicklung brauchen wir diese Fachkräfte“, sagt er. Zumal eine Rückkehr in absehbarer Zeit nicht möglich sein werde. Haseloff und Stahlknecht gehen aber noch einen Schritt weiter. Sie fordern, dass das seit 2005 geltende Zuwanderungsgesetz weiterentwickelt wird.
„Deutschland ist schon jetzt ein Einwanderungsland, wir müssen beweglicher werden“, sagt der Innenminister. Darüber müsse mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung gesprochen werden. Konkreter wollen weder Haseloff noch Stahlknecht zu diesem Zeitpunkt werden.
Es wird mit einer größeren Zahl von Flüchtlingen gerechnet
Doch nicht nur die gezielte Zuwanderung ist Thema des Besuches. Die steigenden Asylbewerberzahlen setzen das Land und die Kommunen unter Druck. Seit 2011 hat sich die Zahl der Asylbewerber pro Jahr von 1 400 auf 6 600 mehr als vervierfacht. Auch für die beiden kommenden Jahre ist mit mehr Flüchtlingen zu rechnen. Das erfordert auch weitere Investitionen in Halberstadt, wo die Asylbewerber ihre ersten drei Wochen in Sachsen-Anhalt verbringen. „Wir werden die Sanierungszyklen weiter verkürzen müssen“, sagt Haseloff.
Schon im vergangenen Jahr hat das Land die Zahl der Sozialarbeiter in Halberstadt aufgestockt und die Bettenkapazität erweitert. Auch das für die Asylanträge zuständige Bundesamt für Migration hat zehn zusätzliche Mitarbeiter vor Ort eingestellt.
Wochenlang auf der Flucht
Damit wird auch auf die veränderte Flüchtlingsstruktur reagiert. Während in den vergangenen Jahren in erster Linie alleinstehende Männer nach Sachsen-Anhalt kamen, sind es mittlerweile vor allem Familien mit Kindern. Gut jeder vierte Flüchtling ist minderjährig. Das zeigt sich auch bei dem Besuch im Kindergarten der Aufnahmestelle - einem gut 60 Quadratmeter großen Raum. Rund 700 verschiedene Kinder hat Erzieher Marko Pietsch in seinem ersten Jahr in Halberstadt hier betreut. Es gebe Tage, wo er dauerhaft Gruppen mit bis zu 35 Kindern habe. Dabei ist intensive Betreuung immens wichtig. Gerade die Flüchtlinge aus Syrien haben zum Teil traumatische Erlebnisse hinter sich. So ist die Familie, die mit dem Ministerpräsidenten spricht, mehrere Wochen lang aus Damaskus geflohen. Zunächst über den Landweg in die Türkei, dann in einem Frachter über das Mittelmeer nach Italien und weiter nach Halberstadt. „Sie sind jetzt erst einmal froh, in Sicherheit zu sein“, sagt Haseloff. (mz)

