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Fahrsicherheitszentrum Schkeuditz Fahrsicherheitszentrum Schkeuditz: Training des Gefühls

Von ANTONIE STÄDTER 12.12.2010, 20:10

SCHKEUDITZ/MZ. - Im Fahrsicherheitszentrum Schkeuditz lernen Lkw-Fahrer, mit brenzligen Situationen umzugehen. Anforderungen sind gestiegen. Die Branche hat Nachwuchssorgen.

"Du kannst ruhig noch ein wenig schneller fahren", sagt Andreas Klaus in sein Funkgerät - und der Fahrer im Lkw beschleunigt leicht, noch bevor er in die eisglatte Kurve biegt. Die rote Anzeige des Tempo-Messgerätes, das in der Nähe aufgestellt ist, zeigt knapp 15 Kilometer pro Stunde. Der Brummi-Fahrer soll beobachten, wie sich sein Wagen bei solch schwierigen Bedingungen verhält, die derzeit ja viele auf den Straßen ins Rutschen bringen. Und: wie er selbst in kritischen Situationen reagiert. Zwei Runden dreht er, bevor er mit Bedacht den Kreisel verlässt. "Schnee und Eis sind optimal zum Üben", sagt Andreas Klaus, der hier - auf dem Gelände des ADAC Fahrsicherheitszentrums Leipzig-Halle in Schkeuditz - regelmäßig Lkw-Fahrer trainiert. Dann ist der nächste an der Reihe.

Dabei sind die 13 Fahrer, die hier heute etwa auch Gefahrbremsungen üben und Reaktionszeiten austesten, alles andere als Anfänger. Sie alle arbeiten im regionalen Lieferverkehr für einen Fleisch- und Wurstwarenhersteller, dessen Produkte sie vorwiegend in Sachsen-Anhalt verteilen. Und machen ihren Job bereits seit Jahren, mitunter Jahrzehnten.

Natürlich hat man da eine gewisse Routine, sagt Uwe Behle aus Halle, der ursprünglich Maschinenanlagenmonteur gelernt hat, seit einer Umschulung zum Lkw-Fahrer Ende der 90er Jahre aber beruflich auf den Straßen zu Hause ist. Bei dem Training lerne man trotzdem noch etwas, so der 50-Jährige. "Die Wiederholungen sind wichtig." Das Fahrsicherheitstraining gehört neben Unterricht zum wirtschaftlichen Fahren, zu Vorschriften wie Lenk- und Ruhezeiten, Ladungssicherung oder dem Kundenkontakt zu einer 35 Stunden umfassenden Weiterbildung, die seit 2009 für Lkw-Fahrer Pflicht ist. Nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz müssen sie alle fünf Jahre an einer solchen Schulung teilnehmen. Uwe Behle findet das richtig.

Auch Fahrsicherheitstrainer Andreas Klaus ist, wie er sagt, "ein Mordsfreund der Qualifikationspflicht". Da zuvor oft ein Führerschein ausgereicht hat, um als Lkw-Fahrer tätig zu sein, hätten sich die Fahrer ihr Wissen meist selbst aneignen müssen. Und so gebe es mitunter Defizite, zum Beispiel bei Themen wie Fahrzeugtechnik oder Ladungssicherung. Zumal sich die Anforderungen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht hätten: mit immer komplexer werdender Technik, deutlich mehr Verkehr auf den Straßen und dem gestiegenen Zeit- und Termindruck. Allerdings geht Michael Imling, Geschäftsführer des ADAC Fahrsicherheitszentrums Leipzig-Halle, davon aus, dass die Schulungs-Kapazitäten für die vorgeschriebene Qualifikation bundesweit nicht ausreichen - zumal die meisten Firmen ihre Mitarbeiter am liebsten an Samstagen zur Weiterbildung schicken wollten.

Auch in einer weiteren Sache habe sich der Berufsalltag des Lkw-Fahrers geändert, sagt Willy Schnieders, Bundesvorsitzender der Kraftfahrergewerkschaft: Heute reiche es oft nicht mehr aus, die Waren an die Laderampe zu stellen. "Die Kraftfahrer müssen heutzutage ihre Fahrzeuge vielfach selbst be- und entladen." Diese Zeit werde dann oft als Pause gerechnet. "Der Fahrer ist der Leidtragende." Seiner Meinung nach würden weniger Unfälle mit Lkw passieren, "wenn die Fahrer nur ihren Job machen müssten - also fahren".

"Das war schon kritisch", sagt der 26-jährige Michael Thurow, als er seine Fahrerkabine nach dem speziellen Kurventraining verlässt. Sein Wagen ist vor wenigen Momenten richtig ausgebrochen, stand quer auf der vereisten Fahrbahn. "Wahrscheinlich war ich etwas zu schnell unterwegs", resümiert der Brummi-Fahrer, der das Training für eine gute Sache hält: "Hier macht man Dinge, die man im Alltag nicht üben kann." Seit drei Jahren arbeitet der gelernte Pferdewirt aus Nauendorf im Saalekreis als Lkw-Fahrer. "Das ist kein Job, den heute viele machen wollen", sagt er. "Ich habe jedenfalls noch keinen jungen Fernfahrer erlebt, der gesagt hat, er mache das mit Leib und Seele", so Thurow. Ihm selbst ist es sehr wichtig, dass er nach Feierabend zu Hause sein kann, weil er im regionalen Lieferverkehr tätig ist.

Tatsächlich hat die Branche Nachwuchssorgen. Nach Angaben des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) waren die Anteile der als Berufskraftfahrer Beschäftigten in sämtlichen jüngeren Altersklassen zuletzt rückläufig. Der Anteil der unter 25-Jährigen sank demnach 2009 auf 2,4 Prozent. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten war 50 Jahre und älter - und wird somit innerhalb der nächsten 15 Jahre altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden.

Bei den rund 52 000 deutschen Unternehmen, die gewerblichen Güterverkehr betreiben, und den rund 40 000 Werkverkehrsunternehmen sind im vorigen Jahr laut dem Bundesamt insgesamt nur rund 2 100 neue Ausbildungsverträge zum Berufskraftfahrer abgeschlossen worden. "Die Ausbildungsaktivitäten der Branche sind noch sehr gering, haben in den vergangenen Jahren aber stetig zugenommen", so BAG-Referentin Lydia Siepmann. Ein Grund dafür könne der sich abzeichnende Nachwuchsmangel sein. Doch die Abbrecherquote von rund 19 Prozent liegt laut BAG deutlich über dem Durchschnitt aller Ausbildungsberufe mit etwa acht Prozent.

Als Falko Lemke Ende der 80er Jahre Lkw-Fahrer wurde, da galt der Beruf bei vielen Jungen noch als Traumjob. "Schon zu Schulzeiten hatte ich den Wunsch, später einmal zu fahren", erinnert sich der 42-Jährige aus Magdeburg. Die vielfach beschworene Trucker-Romantik habe es im Arbeitsalltag zwar schon damals nicht mehr gegeben. Doch bis heute reize ihn die Unabhängigkeit an seinem Job, erzählt er. Und: "Ich fahre einfach gerne."