Ernstfall Ebola Ernstfall Ebola: Medikamenten-Spezialist aus Blankenburg im Krisengebiet

Blankenburg - Der Hilferuf von Rudolf Seiters in Sachen Ebola ist deutlich. Allerdings geht es nicht um neue Schreckensmeldungen aus dem westafrikanischen Krisengebiet. Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) verkündete die Zahl der Freiwilligen, die sich bis jetzt zu einem Einsatz in einer Krankenstation in Westafrika gemeldet haben. Nur 483 Bewerbungen seien eingegangen, 196 Personen grundsätzlich geeignet. „Das reicht aber bei Weitem nicht aus, um die Kliniken über Monate hinweg zu betreiben“, so Seiters.
Das Ebola-Virus ist zwar sehr gefährlich, aber nicht hochansteckend. Laut Weltgesundheitsorganisation gibt es keine Hinweise darauf, dass sich der Erreger über andere Wege als den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten eines Erkrankten überträgt. Das Virus gelangt durch die Schleimhäute in den Körper, etwa durch Mund oder Augen. Auch Wunden und Verletzungen sind mögliche Eintrittsstellen. Blut, Fäkalien und Erbrochenes von Patienten sind die am stärksten infektiösen Substanzen. Zudem wurde das Virus in Muttermilch, Urin und Sperma nachgewiesen.
Infizierte Menschen sind erst ansteckend, wenn sie erste Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Muskel- oder Halsschmerzen entwickeln. Das bedeutet umgekehrt, dass Menschen in der Inkubationszeit - also in der Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit - Ebola nicht weitergeben können. Diese Spanne liegt zwischen zwei und 21 Tagen.
Die Forschung über die Ebola-Krankheit fördert das Bundesforschungsministerium mit weiteren fünf Millionen Euro. „Wir brauchen dringend verlässliche Diagnose- und Behandlungsmethoden“, erklärte Ministerin Johanna Wanka (CDU) gestern. Bei den neu geförderten Projekten gehe es um die Entwicklung von Prophylaxemöglichkeiten und klinische Prüfungen von Impfstoffkandidaten. Zu den Forschungsvorhaben gehöre auch die Entwicklung eines Schnelltests.
Zwei Impfstoffe gegen Ebola werden bereits an Menschen getestet. In Tierversuchen hätten beide einen hundertprozentigen Schutz gezeigt, sagte gestern Marylyn Addo vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung in Hamburg. Der eine Impfstoff werde seit September in den USA, Großbritannien und Mali getestet. Der zweite - ein Lebend-Impfstoff, der zum Teil in Marburg entwickelt wurde - werde in Kürze in der Schweiz, Gabun, Kenia und Deutschland getestet.
In einer ersten Phase werde der Impfstoff 30 gesunden Freiwilligen gespritzt, um die Verträglichkeit zu testen. In Phase zwei könnten bereits Tausende Menschen in Afrika einbezogen werden, sagte Klaus Cichutek, Leiter des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts. Er geht davon aus, dass 2015 die abschließenden Phase-3-Studien beginnen könnten: „Es geht voran - und schneller als gedacht.“
Ein Mangel an Freiwilligen droht. Zur Linderung dürfte beitragen, was die Bundeswehr am Mittwoch verkündete. Rund 3 400 Freiwillige hätten sich dort gemeldet, knapp 800 stehen nach einer Prüfung auch für den Einsatz in Westafrika bereit. Einer von ihnen ist Paul Deutschmann aus Blankenburg (Harz).
Medikamente für 75.000 Soldaten
Der 28-Jährige ist ein Medikamenten-Spezialist und dadurch für den Einsatz im Ebola-Krisengebiet besonders geeignet. Derzeit arbeitet er als pharmazeutisch-kaufmännischer Angestellter in der Harz-Kaserne Blankenburg. Auf dem Gelände befindet sich auch eine von drei Bundeswehrapotheken. Sie ist in einem acht Kilometer langen Tunnelsystem untergebracht. Medikamente für 75 000 Soldaten lagern hier. Deutschmann ist für ihren Einkauf zuständig, also dafür, dass die langen Regalreihen im Stollen immer gut gefüllt sind.
Gestern Vormittag sitzt er in der Cafeteria der Kaserne. Am Nebentisch erzählen zwei Soldaten über ihren Einsatz in Afghanistan und wie es in der Hauptstadt Kabul riecht. Der Fernseher an der Wand ist eingeschaltet. Es läuft ein Nachrichtenkanal. Im Ticker ist zu lesen, dass die Zahl der Ebola-Toten weiter steigt. Außerdem habe die USA gerade die Einreisebestimmungen für Menschen aus den westafrikanischen Krisenländern Liberia, Sierra Leone und Guinea verschärft. Für die Staaten also, in die Deutschmann bald reisen will.
Wie Paul Deutschmann zu seiner Entscheidung kam, lesen Sie auf Seite 2.
„Nach dem Aufruf der Ministerin habe ich erst einmal für mich selber gesagt, dass ich am Ebola-Einsatz teilnehmen möchte“, sagt Deutschmann. „Solch eine Entscheidung trifft man aber nicht allein.“ Er habe anschließend mit seiner Freundin gesprochen und die sei zumindest nicht überrascht gewesen. „Sie weiß, dass ich nun einmal Soldat bin und so eine Situation immer eintreten kann“, sagt der 28-Jährige. Angst habe sie trotzdem um ihn. Ähnlich reagierte auch seine Familie. „Sie geben mir Rückhalt, aber ihnen fehlt auch ein wenig das Verständnis für meine Entscheidung.“ Vor allem eines wollten sie immer wieder wissen: Warum musst unbedingt du das machen?
Erste Einsätze im November
Diese Frage verdeutlicht, was auch die geringen Freiwilligen-Zahlen des DRK zeigen: Die Angst vor Ebola ist in Deutschland groß. Sich freiwillig in ein Gebiet zu begeben, in dem seit Ausbruch der Epidemie im Februar diesen Jahres über 4 600 Menschen an der hochansteckenden Krankheit gestorben sind, erscheint vielen als zu waghalsig. Zumal täglich neue Infektionen hinzu kommen, auch unter Ärzten und Krankenpersonal.
Für Deutschmann sind solche Meldungen aus den Krisenländern „nicht schön“. Er geht aber davon aus, dass er vor Ort vernünftig geschützt ist. Und auch gut vorbereitet dorthin geschickt wird. Die Schulungen für die Freiwilligen laufen bereits. Seit Montag absolvieren die ersten 15 Soldaten in einer Kaserne bei Hamburg einen Lehrgang. Sie werden im Umgang mit Schutzanzügen geschult und medizinisch weitergebildet. Wann es für Deutschmann genau losgeht, weiß er noch nicht. „Derzeit bin ich als freiwillig gemeldet und warte auf weitere Befehle“, erklärt er. Die tägliche Verschlechterung der Lage halte ihn aber nicht von seiner Bereitschaft zum Einsatz ab. „Für mich ist es ein normaler Arbeitsablauf, in solche Regionen zu gehen“, sagt der Soldat.
Vor zwei Jahren war Deutschmann in Afghanistan und hat für fünfeinhalb Monate in der Apotheke des Feldlazaretts in Masar-e-Sharif gearbeitet. Auch dort seien die Bedingungen schwierig gewesen. „Aber Auslandseinsätze gehören nun einmal dazu“, sagt er. Ihm sei bewusst, dass keiner von ihm erwartet, dass er nach Westafrika geht. „Ich denke aber, dass mein Wissen und Können dort gebraucht wird“, sagt der 28-Jährige. „Und wenn man Ebola noch stoppen will, dann muss man jetzt handeln.“
Und dafür brauche es eben Freiwillige, meint Deutschmann, der damit gleichzeitig die Frage beantwortet, die ihm so oft gestellt wird: Warum er? „Einer muss es ja machen.“ (mz)
