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DDR-Heimkinder DDR-Heimkinder: Opfer bei Entschädigung in der Warteschleife

Von Hendrik Kranert-Rydzy 21.06.2012, 19:23
Der ehemalige Insasse Ralf Weber (54) steht in einer Zelle im Dunkelzellentrakt des ehemaligen Geschlossenen Jugendwerkhofes Torgau. (FOTO: DPA)
Der ehemalige Insasse Ralf Weber (54) steht in einer Zelle im Dunkelzellentrakt des ehemaligen Geschlossenen Jugendwerkhofes Torgau. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Magdeburg/MZ. - In Sachsen-Anhalt soll nun das Sozialministerium die Aufgabe übernehmen. Bund und Länder haben einen Fonds über 40 Millionen Euro aufgelegt, mit dem die einstigen Heimkinder für erlittenes Unrecht wie Zwangseinweisungen und seelische sowie körperliche Grausamkeiten entschädigt werden sollen. Ursprünglich sollten am 1. Juli die Beratungsstellen ihre Arbeit aufnehmen.

Kritik von Opferverein

Ob das gelingt, steht in Sachsen-Anhalt in den Sternen: Aus internen Vermerken des Sozialiministeriums geht hervor, dass nicht vor August mit der Aufnahme der Beratungstätigkeit zu rechnen ist. Gleichlautend sollte auch die interessierte Öffentlichkeit in diesen Tagen via Internet informiert werden. "Es ist bislang völlig unklar, was in Sachsen-Anhalt an Beratung passieren soll", klagt Heidi Bohley vom halleschen Verein "Zeitgeschichte", der sich um die Aufarbeitung von DDR-Unrecht kümmert. Es sei nicht möglich, den Betroffenen eine Auskunft zu geben - abgesehen von einer Telefonnummer im Sozialministerium.

Dabei ist der Bedarf offensichtlich groß: Das Sozialministerium geht laut einer Hochrechnung von knapp 90 000 Kindern aus, die von 1949 bis 1989 auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt in 154 Heimen zumindest einen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbrachten. 200 Heimkinder hätten sich auch bereits gemeldet, nachdem der Heimkinderfonds Ost aufgelegt worden ist, sagte Ministeriumssprecher Holger Paech. Bislang werden die Betroffenen jedoch nach MZ-Informationen am Telefon oder per Mail mit dem Hinweis vertröstet, dass ihr Beratungswunsch registriert wurde und sie dann angeschrieben werden.

Ein mit den Vorgängen vertrauter Beamter in der Landesverwaltung geht davon aus, "dass es bei der Beratung zur Verzögerung von mehreren Monaten kommt". Das liege schon darin begründet, dass die geplanten zwei Mitarbeiter der Beratungsstelle pro Fall ein bis zwei Arbeitstage bräuchten. Bohley wiederum kritisiert, dass die Beratung an das Sozialministerium angegliedert werden solle - "wo doch die Landeszentrale für Stasi-Unterlagen über die Erfahrungen im Umgang mit den Betroffenen verfügt". Diesen gehe es nicht in erster Linie um Geld, sondern um psychologische Betreuung: Genau hier specke das Land weiter ab - die Finanzierung eines Sozialpsychologen und Spezialisten für politisch Verfolgte sei eingestellt worden.

"Fehlende Ressourcen"

Justizministerin Angela Kolb (SPD) begründet den gescheiterten Versuch, die Beratungsstelle beim Stasi-Beauftragten zu verankern, hingegen mit Personalmangel: "Uns fehlen die Ressourcen." Zudem sei das Thema im Sozialministerium besser aufgehoben, "wir sind fachlich nicht zuständig". Nach dem Publikwerden der Kritik tritt das Sozialministerium nun aufs Gas: Es sei gewährleistet, dass die Beratung für ehemalige Heimkinder ohne Zeitverzug zum 1. Juli starte, sagte Sprecher Paech. Der Berater werde außerhalb des Ministeriums in der Magdeburger Liebknechtstraße bei der Stiftung "Familien in Not" sein Büro haben, um eine vertraute Umgebung zu schaffen, so Paech.