Datenschutz Datenschutz: Der Staat hört mit
Dresden/dapd. - Linke Gruppen und Anhänger der Antifa sehen im Vorgehen der sächsischen Polizei bei einer Neonazi-Demonstration am 19. Februar in Dresden einen gezielten Versuch, künftige Gegendemonstranten abzuschrecken. Die FDP-Bundestagsfraktion sieht das Versammlungsrecht bedroht und die Staatsanwaltschaft in Dresden gibt sich zumindest peinlich berührt.
Den Anlass für all das boten die sächsischen Ermittler, die im Verlauf der Demonstration eine sogenannte Funkzellenauswertung vorgenommen hatten, wie die "Tageszeitung" am Wochenende berichtet hatte. Mehrere tausend Mobilfunkteilnehmer, deren Handy sich in der Zeit von 13 bis 17 Uhr in eine bestimmte Funkzelle in der Dresdner Südvorstadt eingeloggt hatte, wurden dabei erfasst, alle ihre Gespräche und SMS ausgewertet. Neben Demonstrationsteilnehmern waren dies auch die Datensätze von Anwohnern, Rechtsanwälten, Journalisten und sogar Bundestagsabgeordneten, die die Vorgänge in Dresden lediglich beobachtet wollten.
In der richterlichen Anordnung für diese Funkzellenauswertung hatte es geheißen, man wolle damit gewaltsame Übergriffe von Gegendemonstranten auf Polizeibeamte besser verfolgen können. Manche Daten fanden sich später in Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte wieder, die lediglich versucht haben sollen, die angemeldete Demonstration friedlich zu behindern. Darunter auch ein Mitarbeiter der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen.
Die Staatsanwaltschaft kündigte am Wochenende an, diese Informationen in den laufenden Verfahren nicht mehr verwerten zu wollen. Die Strafprozessordnung macht allerdings keine klaren Vorgaben für die Nutzung von Daten, die mittels der Funkzellenauswertung erhoben worden sind. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, kritisierte in der "taz" die "immense Streubreite" dieses Eingriffs und verlangt striktere Regeln für den Umgang mit den sensiblen Mobilfunkdaten.
Die FDP-Bundestagsfraktion äußerte sich am Montag sehr besorgt über das Vorgehen der Dresdner Ermittler. "Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit darf nicht dadurch untergraben werden, dass jeder, der an einer Demonstration teilnimmt, einem Generalverdacht unterstellt wird", sagte Fraktions-Vize Gisela Piltz (FDP) der Frankfurter Rundschau. Das Vorgehen der sächsischen Ermittler sei "offensichtlich unverhältnismäßig".
Auf Antrag der Grünen soll sich jetzt der Innen- und Rechtsausschuss des Dresdner Landtags in einer Sondersitzung mit dem Vorfall von Februar beschäftigen. Linke Gruppen und Antifa-Aktivisten argwöhnen, dass die Polizei mit ihrer Aktion gezielt Gegendemonstranten abschrecken will.
Das Vorgehen der Polizei gegen Gegendemonstranten des Neonazi-Aufmarschs im vergangenen Februar hatte bereits zuvor für einige Furore gesorgt, weil Beamte des Landeskriminalamtes am Rande der Demonstranten eine Großrazzia gegen linken Gruppen durchgeführt hatten, die den Protestzug stören wollten. Dabei hatte die Polizei unter anderem ein Haus gestürmt, in dem sich ein Parteibüro der Linken, eine Anwaltspraxis sowie das Verbindungsbüro des linken Aktionsbündnisses befunden hatte. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hatte das Vorgehen der Polizei damals massiv kritisiert.