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Weischütz Weischütz: Gepflegte Idylle

Von Gudrun Schröder 02.05.2018, 12:29
Für Radfahrer herausgeputzt: Der Unstrut-Radwanderweg führt direkt durch Weischütz.
Für Radfahrer herausgeputzt: Der Unstrut-Radwanderweg führt direkt durch Weischütz. Schröder

Weischütz - Idyllisch am linken Ufer der Unstrut, zwischen Laucha und Freyburg, liegt das kleine Dorf Weischütz. Mit der Verwaltungsreform 2009 wurde Weischütz eingemeindet und ist ein Ortsteil von Freyburg. Die Ortsform zählt zu den typischen Sackgassendörfern, und das Dorf im Unstruttal bleibt somit vom Durchgangsverkehr verschont. Dennoch finden sich täglich Besucher per Fahrrad oder per pedes hier ein. Der Unstrut-Radwanderweg führt von Laucha kommend über die Fußgängerbrücke direkt durch Weischütz. Gern nutzen Wanderer den herrlich gelegenen Platz am Fluss-Ufer für eine kurze Rast. An dieser Stelle führte in alter Zeit eine Furt durch die Unstrut. Später gab es eine Fähre und seit 1961 die Brücke, Weischütz’s Blaues Wunder.

Auf der gepflegten Wiese mit den Sitzgelegenheiten treffe ich mich mit Ortschronist Martin Hoffmann zu einem historischen Rundgang durch das Winzerdorf. Der 64-Jährige kann jede Menge erzählen. Er lebt seit 1980 hier und hat sich intensiv mit der Geschichte befasst. Gleich neben dem Rastplatz befindet sich das Weingut Köhler-Wölbling. Der große Birnbaum, unter dem gern die Weine verkostet werden, zeigt sich in weißer Blütenpracht. Der Strauß, als Zeichen der offenen Straußwirtschaft, hängt noch nicht. Aber morgen wird zur Jungweinprobe eingeladen.

Weischütz, so erzählt Hoffmann, trennt sich in zwei Bereiche: links das eigentliche Dorf, rechts der Gutsbezirk. Wir wenden uns zuerst dem Dorf zu. Um den kleinen Platz mit der jungen Dorflinde gruppieren sich die einstigen, hübsch sanierten Bauerngehöfte. Die ehemalige Gastwirtschaft und Bäckerei hat seit den 60er-Jahren geschlossen. Sogar aus Laucha holten sich die Leute hier Brot. Auch an die einstige Schmiede wird sich kaum jemand erinnern.

Etwa 130 Einwohner zählt Weischütz. Viele junge Familien leben im Dorf. Es gibt keinen Leerstand an Häusern. Lediglich die alte „Kaserne“ ist unbewohnt. Der Chronist berichtet, dass diese zum Rittergut gehörte. In ihr wurden in den Sommermonaten die Erntehelfer einquartiert. Ein paar Meter von der „Kaserne“ entfernt, rechter Hand, treffen wir auf Doris und Hans-Dieter Hoffmann. Das Ehepaar betreibt einen Menü- und Partyservice. „Wir sind beide gelernte Köche und entschlossen uns vor zehn Jahren für die Selbstständigkeit mit dem Catering“, sagte Hoffmann. Der Anfang sei schwer gewesen. Sie hätten viel riskiert, die Stallungen zu Betriebsräumen ausgebaut. Inzwischen liefern sie täglich Essen unter anderem nach Freyburg, Schleberoda, Laucha, Hirschroda. Am Sonntag gibt’s dazu Kuchen, und sie richten Familienfeiern aus. Allerdings ist Urlaub für Hoffmanns ein Fremdwort.

Noch mal umrunden wir den eigentlichen Dorfplatz und wenden uns dem Gutsbezirk zu. Auf der Grünfläche mit den Nadelgehölzen rechts vor dem Eingang zum Rittergut, wo einst das Brauhaus stand, mähen Bernadette Zehrer und Conny Harnisch den Rasen. Die Frauen sind Mitarbeiterinnen des Bauhofes der Stadt Freyburg und für die Grünpflege in Weischütz, Zscheiplitz, Zeuchfeld und Schleberoda zuständig. „Die anfallenden Instandhaltungs- und Erhaltungsmaßnahmen lassen wir regelmäßig in den Ortsteilen durchführen“, sagt Bürgermeister Udo Mänicke.

Das Rittergut ist ein historischer Hingucker, an ihm kommt man nicht vorbei. Es macht, wie das gesamte Dorf, einen gepflegten Eindruck. Martin Hoffmann erläutert, dass das Rittergut ursprünglich ein großer Vier-Seiten-Hof war, aber durch Abrisse und Umbauten nicht ohne weiteres zu erkennen ist. Dominierend ist das Gutshaus, dessen Kernbau zwischen 1350/1380 entstand. Das erste nachweisbare Adelsgeschlecht sind die Ritter von Kannawurf, die 1349/50 Weischütz vom Markgrafen von Meißen als Lehen erhielten. Einen Rittersitz gab es zu dieser Zeit noch nicht. Den Kannawurfs folgten die Herren von Rockhausen und von 1468 bis 1622 die Adelsfamilie Thüna. Wie von dem Ortschronist zu hören war, wechselte das Rittergut nach dem Erlöschen der Thüna-Linie mehrfach den Besitzer.

Zu DDR-Zeiten wurde das Haus als Wohnraum, Gemeindeverwaltung und Versammlungsraum genutzt. Dazu waren der Kindergarten, das Arztzimmer und zeitweilig eine Verkaufsstelle untergebracht. Einige kennen sicher noch den Tierarzt und Maler Rudolf Wissel d’Arrest, der mit seiner Frau deren traditionellen Familienbesitz 1993 von der Treuhand kaufte. Nach seinem Tod 2007 stand das Herrenhaus zum Verkauf. Vor sieben Jahren erwarben Meike und Dietmar Hirsekorn ihr „Schlösschen“. „Wir waren auf der Suche nach einem Grundstück, wollten aber etwas Besonderes. Das Gutshaus hat uns sofort gefallen“, berichtet das Ehepaar. Inzwischen fühlen sie sich sehr wohl im Dorf. „Wir wurden super aufgenommen“. Die Dorfgemeinschaft wiederum ist froh, dass sich junge Leute als Käufer gefunden haben.

Vor der Kirche treffen wir auf Günter Röder, Vorsitzender des Kirchgemeinderates Laucha. Röder schaut nach dem Fortschritt der Bauarbeiten an der eingerüsteten Kirche. Nach der Erneuerung des Daches im vorigen Jahr steht die Sanierung der Fassade an. Seit den 90er-Jahren kämpft die Kirchengemeinde um diese Restaurierung. „Das Mauerwerk lassen wir aber nicht verputzen, es wird vorsichtig gereinigt, neu verfugt und steinsichtig bleiben. Die Denkmalbehörde hat nach langen Debatten endlich zugestimmt. Wir wollen die Südwand als ein Bilderbuch der Baugeschichte zeigen“, sagt Röder.

Neue Sandsteinplatten

Die Restauratorin Claudia Lorenz hat herausgefunden, das sechs Mörtelarten aus den verschiedenen Bauphasen an der Kirche zu finden sind. Auch die alten Rüstlöcher werden gelassen. Und am Turm, hinter einem kleinen Stein versteckt, zeigt Hoffmann auf das zu sehende originale Rüstholz aus dem 13. Jahrhundert.

Parallel zur Außensanierung erfolgt im Innern der Kirche die Erneuerung des Fußbodens. Röder erklärt: „Wir haben zur Zeit eine chaotische Baustelle, aber sind glücklich darüber“. Der Mittelgang wird mit neuen Sandsteinplatten ausgelegt. Mit noch gut erhaltenen Platten werden die Seiten des Kirchenschiffs komplettiert. Dass auch der Fußboden Geheimnisse birgt, beweist ein zu Tage geförderter Grabstein. Die Bedeutung wird nun vom Kirchenältesten erforscht. Die Kosten der drei Maßnahmen liegen bei 200000 Euro. Viel Geld für die kleine Kirchengemeinde mit 27 Mitgliedern. Fördermittelgeber ist vor allem das Landesamt für Denkmalpflege.

Nach dem Plausch mit Röder führt der Rundgang vorbei an der kleinen Dorfschule, die 1963 geschlossen wurde. Hoffmanns Vater war einst als Dorfschullehrer nach Weischütz gekommen. Acht Klassen lernten in einem einzigen Raum. Danach war im Haus bis 1994 der Konsum untergebracht. Ein Geschäft existiert im Dorf nicht mehr. Das Gebäude wird heute vom Verein Unstrutfreunde Weischütz genutzt und auch für Familienfeiern angeboten. Der 23 Mitglieder zählende Verein, unter der Vorsitzenden Regina Schlensok gründete sich vor neun Jahren und bestimmt das kulturelle Leben im Dorf. Ebenso im Dorf packen die Männer der Feuerwehr unter Leiter Ronny Krämer mit an.

Weine, selbst ausgebaut

Rechts am Dorfrand führt der Auenweg zu einer Siedlung mit schmucken Einfamilienhäusern. Hier empfängt uns Bernd Längricht, Winzer im Nebenerwerb. Mit seiner Frau Gerlinde bietet er in seinem Weingarten selbst ausgebaute Weine an. Im gemütlichen Verkostungsraum kredenzt der Winzer Kostproben des jungen Jahrgangs: Müller-Thurgau, Weißburgunder und seinen Liebling, eine Silvaner Spätlese. Nur zweimal im Jahr hat der Ausschank geöffnet: zum Freyburger Weinfrühling und zum Tag des offenen Weinkellers. Längrichts Rebanlagen befinden sich in der Burgscheidunger Veitsgrube und am Nüssenberg.

(mz)