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Strukturwandel Strukturwandel: Wünsche an die Kanzlerin aus dem Burgenlandkreis

Von Yvette Meinhardt und Alexander Kempf 09.01.2019, 06:00
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) AFP

Zeitz - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht den Kohleausstieg jetzt zur Chefsache. Demnach soll es in der kommenden Woche, am 15. Januar, erstmals zu einem Kohlegipfel im Kanzleramt in Berlin kommen.

Gerade wurde bekannt, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr 150 Millionen Euro Soforthilfe an die Reviere in Sachsen-Anhalt, Sachen und Brandenburg zahlen will. Doch was sagen Politiker aus dem Burgenlandkreis dazu, die MZ fragte nach Reaktionen.

Wie würde der Landkreis die angekündigte Soforthilfe verwenden?

„Wenn 20 Prozent der Mittel des Sofortprogramms für Sachsen-Anhalt zur Verfügung stehen, geht es um 30 Millionen Euro. Damit könnte nur ein kleiner Teil der vorgeschlagenen Projekte finanziert werden“, rechnet Götz Ulrich (CDU) vor. Bislang habe er noch keine offiziellen Informationen dazu bekommen. „Ich habe mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Rücksprache genommen. Auch er hatte noch keine Zusagen zu konkreten Projekten“, sagte Ulrich.

Der Burgenlandkreis ist selbst aktiv geworden und hat bereits Vorschläge erarbeitet. Dazu zählen etwa die Erschließung von Altindustrieflächen im Gebiet von Zeitz und Hohenmölsen sowie eines neuen Gewerbegebietes an den Autobahnen A9 und A38 in Weißenfels, die Anbindung der Gemeinde Elsteraue und der Stadt Zeitz an das S-Bahn-Netz in Richtung Leipzig und Gera, die Schaffung von großen Bildungscampus in Zeitz, Weißenfels und Naumburg.

Was wünschen sich andere regionale Politiker?

„Unser Interesse geht dahin, einen vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle auszuschließen“, sagt der Zeitzer OB Christian Thieme (CDU). Es gehe um Arbeitsplätze, Wertschöpfung sowie die Attraktivität und Wirtschaftskraft der Region - und nicht zuletzt um die Menschen. Er erwarte vor dem Ausstieg Ausgleichsmaßnahmen für die Region, nicht hinterher. „In Gespräche bin ich als Zeitzer Oberbürgermeister nicht direkt involviert, stehe aber seit langem mit Landrat Götz Ulrich in engen Abstimmungen“, so Thieme.

Der Landrat hat einen ganzen Fragenkatalog parat. Das zentrale Thema: Wie will der Bund den betroffenen Revieren bei der Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen unter die Arme greifen? Ulrich fragt außerdem: Soll es Sonderwirtschaftszonen mit reduzierten Steuersätzen geben? Welche Infrastruktur soll ausgebaut werden? Welche Bundesbehörden werden angesiedelt? Wird das Mitteldeutsche Revier gleichberechtigt berücksichtigt? Ulrich kritisiert: „Eine Einbindung des Burgenlandkreises hat bisher nicht stattgefunden.“

Auch der Hohenmölsener Bürgermeister hat bereits Vorschläge parat. Andy Haugk (parteilos) begrüßt mögliche Investitionen in das S-Bahn-Netz. „Ich finde das gut. Wir haben hier in Hohenmölsen aber keine Schiene“, sagt er. Darum ist aus seiner Sicht wichtig, dass auch die einst durch den Tagebau gekappte Ost-West-Verbindung nördlich vom Tagebau Profen perspektivisch wieder hergestellt wird. „Darüber müssen wir uns dringend Gedanken machen“, sagt er.

Welche Rolle spielt der Landrat beim Zustandekommen des Gipfels in Berlin?

„Ich begrüße den Gipfel sehr“, reagiert Landrat Götz Ulrich auf diese Ankündigung. Gemeinsam mit seinem Landratskollegen Harald Altekrüger (CDU) aus der Lausitz und Michael Kreuzberg (CDU) aus dem Rheinischen Revier hatte Ulrich diesen Vorschlag bereits vor einem Jahr gemacht und sich mit einem Brief im Dezember 2017 an die Kanzlerin gewandt. „Es ist schön, wenn diese Idee nun aufgegriffen wird, weil die Kohlekommission im Februar zwar ihren Abschlussbericht vorlegen will. Dieser Bericht ist aber kein Gesetz und wird sicher durch Bundesregierung und Bundestag modifiziert. Uns interessiert daher sehr, welche Position die Bundesregierung selbst zum Ausstieg und dem Strukturwandel vertritt“, so Ulrich am Montag gegenüber der MZ.

Welche Forderungen hat die Stadt Zeitz?

„Es wird die spannende Frage sein, wer etwas abbekommt. Die Mittel werden grundsätzlich projektbezogen verteilt und nicht prozentual“, so Oberbürgermeister Christian Thieme. Man dürfe nicht nur auf diese erste „Rate“ blicken, sondern muss den Strukturwandel langfristig betrachten. Thieme ergänzt: „In der Region Zeitz interessieren uns nachhaltige Projekte wie Industriearbeitsplätze, Verkehrsinfrastrukturverbesserungen wie S-Bahn und A 38-Anschluss, neue Gewerbegebiete, Gründerzentren, Hochschulen und ansprechend gestaltete ehemalige Tagebaue, die sich zusätzlich auch touristisch nutzen lassen.“

Welche Bedenken gibt es zum Kohleausstieg?

„Wir dürfen nicht überstürzt aus der Kohleverstromung aussteigen. Die Energieversorgung Deutschlands möglichst unabhängig von anderen Ländern sicherzustellen, hat Vorrang. Dafür wird die Braunkohle noch lange benötigt“, sagt Landrat Götz Ulrich. Der Übergangszeitraum müsse lang genug sein, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Der Bund müsse konkret sagen, wie er das machen will, denn er zerschlage mit seinen Entscheidungen funktionierende Strukturen. „Wir brauchen eine Infrastrukturoffensive für die Reviere, die die Großstädte mit den Revierregionen besser verknüpfen“, fordert der Landrat.

Nichts zu überstürzen, ist auch der Standpunkt des Hohenmölsener Bürgermeisters. „Ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist es, den Tagebau zu Ende zu fahren. Ansonsten haben wir nur ein halb angefangenes Loch“, sagt Andy Haugk. (mz)