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Straßenbahn Naumburg  Straßenbahn Naumburg : Oldtimer wieder flott auf Tour

Von Albrecht Günther 28.12.2016, 09:03
Rückblick: Nach der Rückkehr nach Naumburg im Mai 2015 erhielt der sanierte und neu aufgebaute „Lindner“-Wagen den Anstrich.
Rückblick: Nach der Rückkehr nach Naumburg im Mai 2015 erhielt der sanierte und neu aufgebaute „Lindner“-Wagen den Anstrich. Straßenbahn Gmbh

Naumburg - Die Naumburger Straßenbahn hat sich ein besonderes Weihnachtsgeschenk bereitet: Mit dem „Lindner“-Wagen von 1928 hat sie deutschlandweit den ältesten Straßenbahn-Wagen ab sofort wieder im Liniendienst im Einsatz. Am Heiligabend pendelte der komplett sanierte und restaurierte Oldtimer erstmals seit über 30 Jahren wieder im regulären Fahrplantakt zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt. Der 88-jährige Straßenbahnwagen war kurz zuvor wieder für den Betrieb im Öffentlichen Personennahverkehr zugelassen worden (Tageblatt/MZ berichtete).

Arbeiten dauerten über 25 Jahre

Dabei hatten die umfassenden Restaurierungsarbeiten über 25 Jahre gedauert, wie der Geschäftsführer der Naumburger Straßenbahn GmbH, Andreas Messerli, berichtet. So begannen bereits 1989 die ersten ehrenamtlichen Arbeiten, um den maroden Wagen langfristig zu erhalten. „Organisiert haben diese Arbeiten die Mitglieder des Vereins Nahverkehrsfreunde Naumburg-Jena um Carsten Tranz zusammen mit zahlreichen Partnern, Spendern und Sponsoren. Besonders das Land Sachsen-Anhalt hat mit Mitteln zur Erhaltung technischer Denkmäler dazu beigetragen, dass das Fahrzeug heute wieder frisch lackiert auf den Gleisen steht“, so Messerli.

Der Wagen ist 1928 von der Gottfried Lindner AG in Halle-Ammendorf für die Städtische Straßenbahn Halle gebaut worden. Dieser Waggonbau existierte fast 200 Jahre, gehörte zuletzt zum Bombardier-Konzern und wurde vor zehn Jahren geschlossen. In Halle war der Triebwagen bis 1978 im Einsatz. „Nach 50 Jahren erhielt er eine leichte Modernisierung; die Fachleute erkennen das an den kleinen Scheinwerfern“, weiß Andreas Plehn, ebenfalls Geschäftsführer der Straßenbahn-GmbH.

Nummer 17 entging dem Abbruch

Anschließend wurde er mit weiteren baugleichen Wagen nach Naumburg abgegeben und erhielt die Nummer 17. Hier übernahmen die „Lindner“-Wagen die Hauptlast aller Ringbahnfahrten und gehörten so bald zum Stadtbild. Ab 1982, nach 54 Jahren täglichem Einsatz, waren die „Lindner“-Wagen definitiv am Ende ihrer Lebensdauer und wurden verschrottet. Die Nummer 17 jedoch entging knapp ihrem Abbruch und erhielt einen dunkelgrünen Anstrich als „Museumswagen“. Später wurde die 17 als Arbeitswagen verwendet und sollte dann verschrottet werden, was aufmerksame Bürger nochmals abwenden konnten. Der kurz nach der Wende gegründete Nahverkehrsfreunde-Verein konnte den Wagen 1992 übernehmen und damit mit der Aufarbeitung beginnen. Das geschah in ehrenamtlicher Arbeit. Messerli: „Als erste Maßnahme wurden die alten Farbschichten abgetragen; die Mitglieder zählten zwölf Schichten. Dank einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme konnten ab 1999 mehrere Fachkräfte das Fahrgestell aufarbeiten.“ Die wichtigsten Etappen, die Sanierung der gesamten Antriebstechnik, des Wagenkastens und der Wiedereinbau der Verkabelung erfolgte von 2010 bis 2014 in Regie der Geraer Verkehrsbetrieb GmbH. Möglich wurde das unter anderem durch Spenden von Straßenbahnfreunden, Firmen, Vereinen sowie ehemaligen und jetzigen Einwohnern Naumburgs, die während der vielen Jahre zusammenkamen. Den größten Teil der Finanzierung trug jedoch das Land Sachsen-Anhalt mit Mitteln zur Erhaltung technischer Denkmäler.

Geraer melden Insolvenz an

Doch wenige Wochen vor dem Abschluss der Arbeiten gerieten die Stadtwerke Gera und damit auch der Geraer Verkehrsbetrieb in Insolvenz. „Die Aufarbeitung des Triebwagens Nummer 17 wurde im Herbst 2014 unvermittelt eingestellt, er musste gemeinsam mit den noch nicht eingebauten Teilen abtransportiert werden“, schildert Andreas Plehn das weitere Schicksal des „Lindner“-Wagens.

Das stellte die Mitglieder des Nahverkehrsfreunde-Vereins wieder vor eine große Herausforderung. Dank der schnellen Unterstützung der Jenaer Nahverkehrsgesellschaft mbH konnte der Wagen im Dezember nach Jena gebracht werden. Dort wurden die Arbeiten wieder aufgenommen. Ende Mai 2015 war die Kur vorläufig abgeschlossen, wurde der Wagen wieder zurück nach Naumburg transportiert. Hier investierten die Mitarbeiter der Naumburger Straßenbahn GmbH und die Vereinsmitglieder nochmals über 1000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit, um die letzten Details fertigzustellen. Es waren wesentlich mehr als erwartet. Als schließlich die technische Abnahme des Wagens für den Einsatz im Linienverkehr stattfinden konnte, war das für alle Beteiligten eine große Freude.

Öffnen der Türen per Handarbeit

Der Einsatz des „Lindner“-Wagens im Liniendienst stellt für die Straßenbahner eine kleine Herausforderung dar. Andreas Messerli weiß, weshalb: „Für die Türöffnung gibt es keinen Knopf, sondern Handarbeit ist gefragt. Die Eingänge sind ziemlich schmal gebaut, die heutigen Kinderwagen passen nicht durch. Und mehrere Stufen führen ins Wageninnere - ganz anders als bei den heutigen Niederflurwagen in den Großstädten. Um die Fahrgäste zu unterstützen, ist deshalb ein Schaffner mit an Bord.“