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Steffen Erler Steffen Erler: Nie ohne Trompete

Von Jana Kainz 10.03.2019, 09:43
Steffen Erler hat die Trompete immer griffbereit - sowohl auf der Arbeit im Lazarus-Haus Bad Kösen als auch in der Freizeit, die er unter anderem im Flemminger Posaunenchor verbringt.
Steffen Erler hat die Trompete immer griffbereit - sowohl auf der Arbeit im Lazarus-Haus Bad Kösen als auch in der Freizeit, die er unter anderem im Flemminger Posaunenchor verbringt. Torsten Biel

Flemmingen - Ein Stück jüngere der inzwischen 70-jährigen Geschichte des Flemminger Posaunenchores hat Steffen Erler mitgeschrieben und zugleich dafür gesorgt, dass sie weiter geschrieben werden kann. Als sich in den 2000er Jahren abzeichnete, dass das Durchschnittsalter der Bläser konstant in die Höhe geht, entschloss sich der Flemminger, die sich ausbreitende Nachwuchssorge aus den Reihen des Posaunenchores zu vertreiben. Das war 2008. Da hatte er bereits Erfahrung in der Nachwuchsarbeit.

1994 mangelte es schon einmal an jungen Mitstreitern. Damals musste Erler seinen Blick nicht in großer Runde nach möglichem Musiker-Nachwuchs schweifen lassen. Sohn Louis war mit seinen sieben Jahren inzwischen alt genug, das Posaunenspiel zu erlernen. „Ihn habe ich rangeholt und auch meine Nichten Katja Hollstein und Juliane Häupl, beide waren damals neun Jahre alt“, erzählt er. Aber es braucht einen langen Atem. „Die Zeit zu überbrücken“, so Erler, „bis auf dem Instrument ein Lied entstehen kann, ist schwierig.“ Nach zwei Jahren strichen die drei jungen Instrumentalisten die Segel.

Doch vier Jungen, die 2008 aufgrund einer von dem Flemminger Ensemble aufgegebenen Zeitungsannonce antraten, um ein Blasinstrument zu erlernen, hatten schließlich den nötigen Biss. Vergangenes Jahr, während der Jubiläumsfeier des Posaunenchores, erhielten Marcus Herzer, Heinz Embacher, Anton Schröder und Maximilian Kästner - das sind die besagten vier Jungen - für ihr zehnjähriges musikalisches Wirken die silberne Bläsernadel. „Das ist mein ganzer Stolz“, so Erler - neben Enkel Albert, dem Sohn seiner Tochter Judith, versteht sich. Der Fünfjährige würde nur zu gern musikalisch seinem Großvater nacheifern. „In Flemmingen gibt es derzeit insgesamt drei kleine Kinder, die im Posaunenchor mitspielen wollen, aber sie sind noch zu jung“, sagt Erler, der sich inzwischen aus der Nachwuchsausbildung zurückgezogen hat - ebenso aus der Leitung des Chores. Mit dieser hatte ihn sein Vorgänger Alfred Nagel 1993 überrumpelt. Für Erler damals ein Sprung ins kalte Wasser: „Ich hatte bis dahin nichts mit Musiktheorie zu tun, mit Notenmaterial oder mit dem Dirigieren.“ Doch der heute 55-Jährige fuchste sich schnell ein.

Auch wenn er inzwischen weder den Nachwuchs an- noch den Chor leitet, den Staffelstab hat er vor drei Jahren Ralf Nelkenbrecher übergeben, ist er dem Posaunenchor treu geblieben. Angefangen hatte alles vor über 40 Jahren. Damals gehörte sein älterer Bruder Dieter dem Flemminger Posaunenchor an. „Er meinte eines Tages, ich solle mal mitkommen, es gebe ja noch die alte Trompete meines Onkels“, so Erler. Jedoch ließen sich die Ventile wegen des angesetzten Grünspans nicht mehr bewegen. Er brachte das gute Stück zu einem Flemminger Tüftler. „Für eine Schachtel F6 hat er mir die Trompete hergerichtet“, erzählt Erler. Und letztlich war es einst Pfarrerin Barbara Wichmann, die ihn mit drei anderen Jungs zum Nachwuchsquartett zusammenstellte und unterrichtete.

Viel Zeit verbrachte er seither mit dem Posaunenchor. „Im Jahr fallen an die 60, 70 Einsätze an“, peilt er über den Daumen. Das sei immer sehr bereichernd - auch, weil er dabei kulturell viel über die Region erfahren hat. Dass er all das erleben durfte, hat er auch seiner Frau Sabine zu verdanken, weiß er, denn sie hat das alles mitgetragen - und nicht nur das. Neben der Musik begleitete er seine Kinder zu deren Hobbys. Mit dem Sohn machte er Judo oder Motorcross und mit der Tochter ging es zum Reiten. „Außerdem leitete ich das Männerballett des Flemminger Karnevals, meine Frau das Damenballett“, zählt er auf. Für die Pfingstburschen hob er mit anderen Posaunenspielern auch noch die Scheunen-Combo aus der Taufe. Um die Burschen durchs Dorf begleiten zu können, musste die Combo vor allem eines lernen: Im Gehen zu musizieren. „Das haben wir bei mir zu Hause um den Birnenbaum geprobt“, so Erler.

Die Trompete begleitet ihn nicht nur durch die Freizeit. Im Lazarus-Haus Bad Kösen, in dem er als Haustechniker arbeitet, liegen immer zwei, drei Instrumente griffbereit, um bei Andachten oder gelegentlich Aussegnungen zu musizieren. Ursprünglich verdiente er als Zimmerer und Tischler sein Geld. Nach 1989 wurde das Klima in dem Möbelbetrieb, in dem er arbeitete, ungemütlicher. Er sehnte sich nach etwas Neuem. Fündig wurde er fünf Jahre später zur Grundsteinlegung für das Lazarus-Haus in Bad Kösen. Der Flemminger Posaunenchor gestaltete dieses Ereignis einst mit aus. Kurzerhand bewarb er sich um einen Job in der künftigen Seniorenwohnanlage. Der Ansprechpartner saß in Berlin und fragte ihn prompt, wo Flemmingen überhaupt liege. Erlers Antwort: „Zu Pferd bin ich in drei Minuten in Bad Kösen“ - schneller als mancher Naumburger mit dem Auto. Und tatsächlich ritt Erler später einige Zeit mit seinem Pferd zur Arbeit.

Dass er im Lazarus-Haus arbeiten darf, sei für ihn eine Fügung Gottes. „Ich habe eine Ader für Ältere und für Kinder. Die Älteren sind immer so dankbar und Kinder begeisterungsfähig, wie jüngst zum Naumburger Taubenmarkt auf dem wir Flemminger musiziert haben. Da waren es wieder die Kinder“, so Erler, „die stehengeblieben sind und der Musik gelauscht haben.“