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Sommertheater  Sommertheater : Camping mit Shakespeare im Naumburger Marientor

Von Jana Kainz 06.06.2016, 07:30
Tom Baldauf, Michael Naroditski und Peter Johan (v.l.) bringen als Tom, Micha und Peter während ihrer fiktiven Bädertournee Shakespeares gesamten Werke auf die Bühne. Station machen sie mit der Naumburger Inszenierung von „Shakespeares gesammelten Werke (leicht gekürzt)“ im Marientor.
Tom Baldauf, Michael Naroditski und Peter Johan (v.l.) bringen als Tom, Micha und Peter während ihrer fiktiven Bädertournee Shakespeares gesamten Werke auf die Bühne. Station machen sie mit der Naumburger Inszenierung von „Shakespeares gesammelten Werke (leicht gekürzt)“ im Marientor. Torsten Biel

Naumburg - Fünf Tage und fünf Nächte lassen die drei männlichen Mimen des Theaters Naumburg ihr Publikum nicht auf den Marientor-Bänken schmoren, um alle Werke, die William Shakespeare je geschrieben hat, am laufenden Band zu präsentieren. So lange würde es dauern, die 37 abendfüllenden Klassiker (oder sind es gar 38?) mit den insgesamt 1834 Rollen und die 154 Sonetten, die der englische Dramatiker und Lyriker seinerzeit geschrieben hat, aufzuführen. Tom Baldauf, Michael Naroditzki und Peter Johan schaffen es in sage und schreibe 90 Minuten - „zur geistigen Errettung“ des Naumburger Publikums. Dies gelingt den Dreien dank Stephan Rumphorst Inszenierung von „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“, die Freitagabend Premiere hatte und auch Sonnabend ein begeistertes Publikum in die Nacht entließ.

Rasante Fahrt durchs gesamte Werk

Schwere Kost fürs leichte Naumburger Sommertheater? Wohl kaum. Für ihre Slapstick-Komödie haben die drei Amerikaner Adam Long, Daniel Singer und Jess Winfield (siehe „Ursprung“) den Staub der Jahrhunderte von dem Bühnenstoff des großen Engländers gewischt und mit Ulk und Klamauk aufpoliert. Keine Tragödie, keine Komödie und auch kein Königsdrama kommt zu kurz. Alles wird abgehandelt: Julia und Romeo, Titus Andronicus, Antonius und Cleopatra oder Macbeth und Hamlet. Dabei geht es sowohl drunter und drüber als auch kreuz und quer, denn nicht nur Shakespeares Texte, sondern auch seine Werke werden gekürzt, zusammengefasst, verändert, modernisiert. Heraus kommt eine rasante Berg- und Talfahrt durch die Welt des Meisters.

Bädertournee für ein Zubrot

In Naumburg beginnt diese mit einem ins Marientor einfahrenden, in die Jahre gekommen Schweizer Militärfahrzeug, das nun als Wohnmobil dient. Und zwar den drei Schauspielern Tom, Micha und Peter, die, um sich ein Zubrot zu verdienen, während der Spielzeitpause an der Ostsee auf Bädertournee gehen - selbstverständlich mit Shakespeares Werken. Bevor diese ausgepackt werden, werden das Campinglager - trashig ist kein Ausdruck - aufgeschlagen und die Rollen verteilt: Der Micha macht die Frauenrollen.

In Jogginghose oder Shorts wird noch mal mit Bier angestoßen, dann stürzen sich die drei voller Energie eifrig-wild ins Gefecht. In atemberaubend schnellen, teils akrobatischen Auf- und Abgängen ziehen sie das Werk durch, spielen vor, neben, unter, im und für diverse Szenen wie in Julia und Romeo auch auf dem Militär-Wohnmobil. Passend zur skurrilen, abgefahrenen Szenerie streifen sie sich schrille Kostüme -die wie das Bühnenbild von Claudia Weinhardt zusammengestellt wurden - über. Die Akteure spielen, was das Zeug hält und das offensichtlich mit viel Spaß am Komischen, am Klamauk, auch am derben. Zum krönenden Abschluss erhält das Publikum mit „Hamlet“ sogar Schauspielunterricht, wobei mit einem Gast Ophelias Schrei geprobt wird und das Marientor vor Begeisterung zu beben scheint. Das wohl bekannteste Königsdrama spielen die Mimen schließlich übermütig sowohl im steigerungsfähigen Schnelldurchlauf als auch urkomisch rückwärts.

Begeisterte Einträge

Als der Shorts tragende Dänenprinz zum wiederholten und letzten Mal seinen Satz rezitiert „Der Rest ist Schweigen“, bricht der Beifall los. Zwei der ersten Gästebuch-Eintragungen bringen es auf den Punkt: „Brillant, saft- und kraftvoll, expressiv, mit Hingabe und Lust am Komödiantischen - bravo“ und „Guter Grund, vom Ernst des Alltagslebens Abstand zu gewinnen“.

Zu sehen ist die Inszenierung vor der Spielpause im Marientor jeweils 19.30 Uhr am 9., 10., 11., 16., 17. 18. und 30. Juni sowie am 1., 7. und 8. Juli. Karten in der Tourist-Information Naumburg, Markt 6, 03445/27 34 80

Shakespeare als Slapstick-Komödie: Das Publikum ist begeistert - auch von der Amme (Tom Baldauf).
Shakespeare als Slapstick-Komödie: Das Publikum ist begeistert - auch von der Amme (Tom Baldauf).
Torten Biel