Paul Jänicke aus Zeuchfeld Paul Jänicke aus Zeuchfeld: Mit 19 schon Ortschronist

Zeuchfeld - Ohne zu sehr dem Klischee das Wort zu reden: Ortschronisten sind oft fortgeschrittenen Alters, die ihren beruflichen Ruhestand zur ausgiebigen Erforschung der Heimatgeschichte nutzen. Der Ortschronist des 183-Seelen-Dorfes Zeuchfeld nahe Freyburg hingegen ist ganze 28 Jahre, startet als Chemiker beruflich gerade durch und schreibt an seiner Doktorarbeit. „Deswegen war ich jetzt auch schon ein dreiviertel Jahr nicht in den Archiven“, sagt Paul Jänicke fast ein wenig so, als müsse er sich entschuldigen.
Bereits seit neun Jahren, also mit Beginn als damals 19-Jähriger, spürt der freundliche und aufgeschlossene junge Mann, der ansonsten mit „Disco und Feiern gehen“ auch weniger ausgefallenen Freizeitbeschäftigungen frönt, systematisch der Geschichte seines Heimatortes nach. „Meine Mutter betrieb schon seit meiner Kindheit Ahnenforschung, was mich bald zu interessieren begann“, sagt Paul Jänicke über die Impulse, die seinen historischen Forschungsgeist weckten. Die eigene Ahnentafel habe man in gemeinsamer Arbeit inzwischen derart weitreichend rekonstruiert, dass die Darstellung des Jänicke-Stammbaums heute eine (Papier)Fläche von vier mal einem Meter beansprucht. „Ich habe wahnsinnig gern den Schilderungen meiner Oma Almut zugehört, die erzählte, was früher in Zeuchfeld los war und wer wo gewohnt hat“, ergänzt er.
Immer die Öffentlichkeit im Blick
„Weil mich das so faszinierte, habe ich 2011 damit angefangen, mehr und mehr Dorfbewohner nach einer gewissen Systematik zu befragen und sie auch um die Überlassung alter Fotos zu bitten. Es war von Anfang an mein Ziel, das Wissen nicht einfach nur so für mich zu sammeln, sondern das auch für die Öffentlichkeit in Form einer Chronik zugänglich zu machen“, unterstreicht Paul Jänicke. Wenn er anfangs die jüngere Dorfgeschichte bis vor etwa 100 Jahren im Fokus hatte, habe er seinen Blick immer weiter darüber hinaus gerichtet. „In meinen Semesterferien saß ich dann in den Archiven in Eisenach, Magdeburg, Wernigerode und Merseburg und habe alte Kirchenbücher und andere Dokumente durchforstet“, berichtet der Heimatforscher, der es erstaunlich findet, welche Fülle an historischen Akten es gibt, in denen sich Informationen zu Zeuchfeld finden.
Besondere Entdeckungen gemacht
Was seine kostbarsten Entdeckungen gewesen seien? „Da würde ich ein, wenn auch nur teilweise erhaltenes, Protokollbuch des Gemeinderates aus den Jahren 1770 bis 1860 nennen, vor allem aber die älteste bekannte Auflistung aller Zeuchfelder Einwohner: Die diente der Erhebung der Kirchensteuer - und datiert aus dem Jahre 1501“, erzählt Paul Jänicke und man meint die Euphorie zu spüren, die ihn beim Blättern in diesen Dokumenten durchfloss.
Apropos: Warum er bei einer solchen Begeisterung für die Materie nicht Geschichte, sondern Chemie als Studienfach wählte? „Chemie hat mir auch immer viel Spaß gemacht; und offen gestanden sind die Jobperspektiven da wesentlich besser - auch hier in der Region, in der ich unbedingt bleiben möchte“, nennt Paul Jänicke einen sehr pragmatischen Grund. Und schickt noch einen augenzwinkernden hinterher: „Historie lässt sich als Hobby auch wesentlich unkomplizierter betreiben - ein Chemielabor zu Hause ist dann doch ein bisschen schwierig zu bewerkstelligen.“
Drei Bände zur Ortsgeschichte bisher veröffentlicht
Ganze drei Bücher, jeweils in einer Auflage von 120 bis 140 Exemplaren, hat Paul Jänicke bislang zur Ortsgeschichte veröffentlicht und dafür sogar Bestellwünsche ehemaliger Zeuchfelder aus Berlin und München erhalten. „Zudem habe ich seit 2013 praktisch jedes Jahr hier im Dorf einen Vortrag über meine neuen Erkenntnisse beziehungsweise zu bestimmten Einzelaspekten unserer Historie gehalten, zu dem regelmäßig jeweils an die 100 Gäste kamen. Das ist für mich eine Form des Dankes für die großartige Unterstützung bei meinen Recherchen“, hebt der junge Ortschronist hervor.
Obwohl in diesem Jahr seine Promotion, die er bis August abzuschließen hofft, im Vordergrund steht und die Binsenweisheit „Je mehr ich weiß, desto schwerer wird es, etwas Neues zu finden“ nicht völlig von der Hand zu weisen ist: An Ideen für das Fortführen seiner Heimatforschungen mangelt es Paul Jänicke nicht. Ein viertes Buch und neue Vorträge könnten sich mit dem Schankwesen, also Gaststätten und Kneipen, den Brunnen und der Weinkelterei in Zeuchfeld beschäftigen.