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Lebensbilder  Lebensbilder : Straßengeschichte fehlt Lobby

Von Roland Lüders 22.08.2016, 07:38
Im Internet existiert die Autobahn- und Straßengeschichte nur virtuell, in Helmut Schneiders Arbeitszimmer dagegen in weiten Teilen auch physisch in Form von zahlreichen Publikationen oder Sammlungen, zu denen ebenfalls historische Karten gehören.
Im Internet existiert die Autobahn- und Straßengeschichte nur virtuell, in Helmut Schneiders Arbeitszimmer dagegen in weiten Teilen auch physisch in Form von zahlreichen Publikationen oder Sammlungen, zu denen ebenfalls historische Karten gehören. Torsten Biel

Naumburg - Es ist schon ein Phänomen: Viele Menschen fahren mit ihrem Auto oder Motorrad über Autobahnen und andere Straßen - vielleicht mehr als mit dem Zug. Zur Geschichte der Eisenbahn und ihrer Schienenwege gibt es unzählige Publikationen und Internetseiten. Will man etwas über die Entwicklung des Straßenwesens erfahren, wird man dagegen nur schwer fündig.

Warum es so wenig fachliche Publikationen gibt? „Autobahn- und Straßengeschichte hat in Deutschland keine Lobby“, sagt Helmut Schneider. Diese Lücke will der Naumburger schließen helfen. Die Schränke und Regale seines Arbeitszimmers sind voll mit Aktenordnern, Büchern und Broschüren zu diesem Thema. Wobei es dem Diplom-Betriebswirt und Informatiker vor allem um die wissenschaftliche Aufarbeitung der Entwicklung des Straßenwesens geht.

Als ein führender Kopf der Interessengemeinschaft für historisch-wissenschaftliche Forschung und Dokumentation genannten Geschichtsbereichs hat er deshalb das „Archiv für für Autobahn- und Straßengeschichte“ geschaffen.

Denn wie seine Erfahrungen zeigten, gibt es kein übergreifendes staatliches Archiv in der Bundesrepublik. Grund sind die föderalen Strukturen, nach denen die Verantwortung für den Straßenbau im Gegensatz zum Schienennetz weitgehend dezentral geregelt ist. „Doch auch die heute zuständigen Ämter in den Bundesländern beschäftigen sich kaum mit der Geschichte des in ihrer Obhut befindlichen Fernstraßennetzes“, sagt Helmut Schneider.

Dabei gab es im Gegensatz zum Gleisbau, wo nur moderate Modernisierungen auf der Tagesordnung standen, beim Straßenbau im 20. Jahrhundert geradezu eine Revolution. 1920 traten zwar Autos und Lkw auf den Straßen verstärkt in Erscheinung. Doch die Fahrbahnen waren noch an die Ansprüche von Pferdefuhrwerken angepasst, bestanden zu 90 Prozent aus wassergebundenen Schotterdecken. „Deshalb mussten die Wegebau-Verantwortlichen rasch umdenken, die herkömmlichen Methoden für Straßenbau und -unterhaltung über Bord werfen und zügig innovative Baumethoden einführen“, blickt der Archivar zurück, der diese Entwicklung akribisch aufgearbeitet hat.

Wegen der beschränkten Räumlichkeiten in der Neubauwohnung kann man das Archiv allerdings nur online nutzen. Es ist als Datenbank aufgebaut, Themenseiten und dazugehörige Archivbereiche sind miteinander verknüpft, so dass man sich als Suchender auf dieser Internetplattform - sie umfasst 4000 Einzelinformationen - nicht verirrt. Letztlich liegt dem Ganzen das Grundprinzip gebräuchlicher Suchmaschinen zugrunde. „Die Eingabe von Schlagwörtern führt zu einer Ergebnisliste, aus der dann das Zutreffende ausgewählt werden kann.“

Die Internetseite hat Helmut Schneider übrigens selbst programmiert. Was für den EDV-Spezialisten, der vor seiner Pensionierung im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder die Datenverarbeitung leitete, keine große Herausforderung war. In der früheren Bezirksstadt hatte der gebürtige Lengefelder auch nach dem Studium in Rodewisch seine Zelte aufgeschlagen. Als das Aus des Werkes anstand, machte er sich 1991 selbstständig.

Helmut Schneider fühlte sich auch während seines Arbeitslebens der Heimat verbunden. Nach dem Renteneintritt zog es ihn und seine Ehefrau zurück ins Saaletal. „Ich suchte eine Wohnung in Naumburg und habe in der Schreberstraße das Passende gefunden.“