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Lebensbilder  Lebensbilder: Eva Kindler stellt in ihrem Naumburger Atelier Puppen aus Pappmachè her.

Von Constanze Matthes 17.01.2017, 15:05
Eva Kindler gestaltet an einer Figur die Haare aus Zeitungspapier.
Eva Kindler gestaltet an einer Figur die Haare aus Zeitungspapier. Torsten Biel

Naumburg - Ein Besucher fühlt sich ein wenig beobachtet, wenn er das Atelier von Eva Kindler betritt. Was jedoch nicht unangenehm erscheint. Ganz im Gegenteil. Viele der Gesichter und Figuren, die in der Arbeitsstube der 64-Jährigen im Regal, an der Wand oder auf der Fensterbank platziert sind, machen einen sympathischen Eindruck. Man möchte sie kennenlernen oder verbindet diese mit realen Personen. „So geht es auch Kunden, die eine der Figuren sehen. Plötzlich sagen sie, die kenne ich doch“, erzählt Eva Kindler.

So fertigt Eva Kindler ihre Figuren aus Papier im Naumburger Atelier an

Trotz der Unterschiede in Größe, Form und Gestalt haben die Geschöpfe eines gemeinsam: Sie sind aus Papier gefertigt, genauer gesagt aus Pappmaché, einer Mischung aus Papier, Leim, Wasser und Sand, die Schicht für Schicht eine Figur ergibt, die auch ein beachtliches Gewicht erreichen kann. „Viele erinnert das an die Kindheit, an das mit der Hilfe eines Luftballons selbst gebastelte Sparschwein. Doch das hat mit dem, was ich tue, weniger zu tun.“ Mehrere Wochen vergehen, bis eines ihrer Werke vollendet ist. Haben einige frühere Arbeiten ein Gerüst aus Karton oder Draht, bestehen die meisten mittlerweile nur aus reinem Pappmaché. Ihre Oberfläche wird geschliffen. Sie bekommen ein Gesicht, indem Augen und Mund farbig gestaltet werden. Ihre jüngste Figur erhält gerade einen wirren Haarschopf aus Papierstreifen, die einzeln aufgeklebt werden.

Jede bekommt so ihren ganz eigenen Charakter und Ausdruck. „Das Bild, das ich von der Figur zu Beginn im Kopf habe, wandelt sich mit der Zeit“, erzählt die Neu-Naumburgerin, die im Othmarsweg wohnt und arbeitet. Erste Skizzen oder Vorlagen braucht sie nicht. Noch heute überrascht es sie, wie die ausdrucksstarken Figuren zu ihren Proportionen kommen. Zu ihren Vorbildern zählen die beiden Bildhauer Stefan Balkenhol und Ron Mueck, die vorwiegend mit Holz beziehungsweise Kautschuk arbeiten.

Psychologen als Kunden

Zu ihren Kunden gehören unter anderem Psychologen, die für Patientengespräche und eine sogenannte Familienaufstellung Figuren benötigen. Oft verbinden sich mit dem Käufer interessante Geschichten: Eine Figur ziert als Fotografie die Erinnerungskarten an Patienten einer Zahnärztin. Eine Friseurin mit Wuschelkopf erwarb eine ihr ähnliche Skulptur. Das merkwürdigste Werk, was in Eva Kindlers Atelier entstand, war ein Fußball mit einem Gesicht.

Das Kreative im Blut: der Vater Maler, die Schwester Grafikerin

Vor gut acht Jahren hat die gebürtige Thüringerin, geboren in Dingelstädt im Eichsfeld, ihren künstlerischen Ausdruck in der Gestaltung mit Papier gefunden, ein Material, das sie seit vielen Jahren mit Leidenschaft sammelt. „Ich nehme für die Figuren vorzugsweise Zeitungen, die nach dem Lesen damit noch eine spezielle Verwendung erfahren. Am besten eignet sich das Naumburger Tageblatt.“ Die kreativen Wurzeln reichen dabei in ihre Familie: Der Vater hat gemalt, die Schwester Ursula Strozynski lebt als Grafikerin und Malerin in Berlin. „Ich habe dadurch das konzentrierte Sehen gelernt.“

Obwohl Eva Kindler bereits in der Kindheit gezeichnet hat, schlug sie einen anderen beruflichen Weg ein: Sie studierte Mathematik an der Universität Jena, war später an der Hochschule beschäftigt. Zuletzt war sie mehrere Jahre bei den Vereinigten Domstiftern tätig, wirkte bis zu ihrem Ruhestand vor zwei Jahren im Merseburger Dom sowohl als Gästeführerin als auch im Bereich Museumspädagogik. Auch die Sonderausstellung „Naumburg und die Düsseldorfer Malerschule“ 2015 hat sie begleitet.

Heute gibt sie neben ihrer künstlerischen Arbeit, die mehrere Stunden täglich in Anspruch nimmt, Nachhilfe in Mathematik. Ab Februar wird sie im Offenen Atelier in der Naumburger Familienbildungsstätte wirken (siehe Beitrag „Angebot“).

Passanten werfen neugierige Blicke

Seit fünf Jahren lebt Eva Kindler mit ihrem Mann Eduard, einem Pfarrer im Ruhestand, in der Domstadt, wo er einst an der kirchlichen Hochschule studiert hatte. Gemeinsam haben sie fünf Kinder, sind Großeltern von sieben Enkeln. Ihr neues Zuhause hat sich dank der Sanierungsoffensive der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (DSK) von einer Ruine in ein schmuckes Eigenheim verwandelt. Zehn Jahre stand es leer. Auch an dessen Fassade hatte das bekannte Plakat mit den großen Lettern „Dieses Haus will leben“ gehangen. „Wir fühlen uns hier sehr wohl“, sagt Eva Kindler. Da stört es nicht, wenn dann und wann Passanten neugierig durch das Fenster in das Atelier schauen oder gar klingeln und den Raum mit Neugierde betreten.

Offenes Atelier für Kreative aus Naumburg und Umgebung nach Winterferien

In der Familienbildungsstätte in Naumburg wird es nach den Winterferien wieder ein offenes Kunstangebot geben. Eva Kindler wird im Offenen Atelier wirken, in der an Kunst Interessierte kreativ arbeiten und sich mit unterschiedlichen Materialien ausprobieren können. Das Offene Atelier war von der Kunsttherapeutin Nicole Schmitz-Teekath ins Leben gerufen worden. Das Angebot wird mit Mitteln des Bundesprogramms „Kultur macht stark“ des Bundesbildungsministeriums gefördert.

Weitere Informationen zum Offenen Atelier und Anmeldungen telefonisch unter: 03445/20 15 76

(mz)

Eva Kindler gestaltet Figuren aus Papier.
Eva Kindler gestaltet Figuren aus Papier.
Torsten Biel