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Landgericht Halle Landgericht Halle: Von Haft bis Freispruch für drei Männer einer syrischen Großfamilie

Von Jana Kainz 01.04.2020, 07:01
16. Große Kammer des Landgerichts Halle ordnet an, einen 30-Jährigen, der in Naumburg mit Gegenständen um sich geworfen hat, in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
16. Große Kammer des Landgerichts Halle ordnet an, einen 30-Jährigen, der in Naumburg mit Gegenständen um sich geworfen hat, in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. NT (Archiv)

Naumburg/Halle (Saale) - Sie haben mit ihrem Gebaren der Polizei gegenüber vor drei, vier Jahren eine Zeit lang für verstärkte Polizeipräsenz in Naumburg gesorgt. Montag nun sind drei Männer der über die Grenzen der Domstadt hinaus bekannten syrischen Großfamilie am Landgericht Halle verurteilt worden, jedoch noch nicht rechtskräftig. Auch wenn der Vorsitzende Richter in der Urteilsverkündung meinte, dass die „Wahrheit in der Mitte zu liegen scheint“, sah es die 10. Große Strafkammer nach gut vier Monaten Prozess als erwiesen an, dass der Vater und seine zwei Söhne mehrere Straftaten begangen haben. Zu den angeklagten Vorwürfen hätten sich die Männer zwar „breit ein- und auch ausgelassen, aber das ist nur eine Sicht der Dinge“, so der Richter.

Der mit auf der Anklagebank sitzende Vater muss wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte samt vorsätzlicher Körperverletzung in die Tasche greifen. Er wurde, wie vom Staatsanwalt gefordert, zu einer 3.000-Euro-Geldstrafe verurteilt, wobei 500 Euro als gezahlt gelten - wegen „rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung“, wie es heißt.

Demnach steht fest, dass der 49-Jährige im April 2016 während eines Polizeieinsatzes vor der Shisha-Bar, die einer seiner Söhne in Naumburg betreibt, die Gäste gegen die Beamten aufgewiegelt hat. Einem Polizisten schlug er mit der Faust auf den Kopf. Ob jeder seiner Finger mit einem Siegelring besetzt war, was einem Schlagring und damit einer Waffe gleich käme, ließ sich nicht feststellen. Während der Urteilsbegründung winkte der Syrer ab, wollte er vom Dolmetscher nicht mehr wissen, was der Richter noch zu sagen hatte.

Polizisten gedroht

Der mit 24 Jahren jüngste der drei Angeklagten wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Zwei Monate davon gelten, aus gleichem Grund wie bei seinem Vater, als vollstreckt. Gefordert hatte die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft. Auf das Konto des Mannes gehen folglich das Fahren ohne Fahrerlaubnis in neun Fällen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, wobei in einem Sachbeschädigung und in einem anderen Beleidigung im Spiel war, das Vortäuschen einer Straftat, Bedrohung sowie Körperverletzung. Demnach hat er unter anderem im Mai 2017 einen Polizeiwagen demoliert, als Beamte seine Fahrerlaubnis vorläufig einziehen wollten. Der Schaden wird mit 800 Euro beziffert.

Noch in der Nacht hatte er mit seinem mit angeklagten Bruder und anderen Männern das Naumburger Revierkommissariat aufgesucht, um sich seine Fahrerlaubnis zurückzuholen. Inwieweit er an der Randale vor der Wache beteiligt war, ging aus der tonlosen Aufzeichnung der Überwachungskamera nicht hervor. So wurde er von der Anklage der Sachbeschädigung freigesprochen. Jedoch steht fest, dass er über die Sprechanlage wider besseren Wissens behauptet hat, dass ihm ein Streifenwagen über den Fuß gefahren sei. Als die Männer es bis ins Revier geschafft hatten, drohte er den Beamten, ihnen eine Kugel durch den Kopf zu jagen.

Mit einem Fausthieb zu Fall brachte er 2017 in einer Müchelner Diskothek einen betrunkenen Gast. Durch den Schlag und den so verursachten Sturz platzte dem Mann die Lippe auf. Zudem blutete er aus der Nase sowie aus einem Ohr und verletzte sich den Meniskus. 3.000 Euro soll der Angeklagte Schmerzensgeld zahlen.

Richter übergibt Fahrerlaubnis

Seine Gesamtfreiheitsstrafe wurde indes wegen positiver Sozialprognose zur vierjährigen Bewährung ausgesetzt. Das nahm der junge Mann freudestrahlend zur Kenntnis. Und während der Belehrung, dass diese widerrufen werde, wenn er sich in der Zeit nicht straffrei verhalte, warf er ein: „Ich bin schon drei Jahre in Bewährung.“ Große Freude stand ihm ins Gesicht geschrieben, als ihm der Richter seine Fahrerlaubnis reichte. Und nicht nur das. Für die Zeit, in der ihm dieses Dokument entzogen worden war, erhält er nun eine entsprechende Entschädigung.

Tür zum Revier aufgetreten

Fehlt noch der dritte Angeklagte im Bunde. Der 27-Jährige soll für zehn Monate hinter Gitter. Weil aber auch ihm etwas erlassen wird, sind es letztlich neun Monate Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte für ein Jahr und drei Monate plädiert. Wie sein Vater hatte auch er beim Polizeieinsatz vor der Shisha-Bar die Situation angeheizt. Zudem streamte er Teile des Einsatzes live und beleidigte die Beamten aufs Übelste. „Er beleidigt gern“, meinte der Richter mit Blick in das strafrelevante Vorleben des Angeklagten. Bewiesen wurde im Prozesses auch, dass er während der Randale vor dem Kommissariat die verschlossene Tür der Zaunanlage aufgetreten hat.

Übrigens ist er, wie berichtet, vor einer Woche im Landgericht unter anderem wegen bewaffneten Drogenhandels in nicht geringer Menge zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt worden.