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Ausbildungsmodell für Erzieher Land dreht „zartem Pflänzchen“ den Geldhahn zu

Künftig soll ein neues Ausbildungsmodell für Erzieher nicht mehr finanziell gefördert werden. Wie Kommunen reagieren und welche Hoffnung es gibt.

21.04.2021, 06:00
Andy Haugk
Andy Haugk Foto: René Weimer

Weißenfels - Hohenmölsens Bürgermeister Andy Haugk (parteilos) spricht von einem „zarten Pflänzchen“, das im vergangenen Jahr angefangen hat zu wachsen - und jetzt womöglich droht, wieder einzugehen. Im vergangenen Jahr haben drei Azubis in der Drei-Türme-Stadt eine praxisorientierte Erzieherinnen- und Erzieherausbildung begonnen. Diese Form der Ausbildung gibt es erst seit 2019. Das Programm wird vom Land Sachsen-Anhalt finanziell gefördert - bis jetzt. Ab dem kommenden Ausbildungsjahr müssen die Kommunen die Kosten der Ausbildung selber tragen, was in einer Stadt wie Hohenmölsen - mit einer bekanntlich angespannten Haushaltslage - für weitere Kopfschmerzen sorgt.

Denn der Geldbetrag, den die Stadt laut Haugk dann „aus eigener Tasche“ bezahlen müsste, ist nicht gering. Der große Unterschied der praxisorientierten Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu bisherigen Modellen ist, dass diese von Beginn an finanziell vergütet wird und Azubis nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen. Laut dem Sozialministerium bekommen die Kommunen derzeit für jeden Auszubildenden Zuschüsse, die im ersten Ausbildungsjahr bei monatlichen 1.450?Euro, im zweiten Lehrjahr bei 1.130 Euro und im dritten Jahr bei 540 Euro liegen. Damit werden sämtliche Kosten abgefedert, die das Ausbildungsprogramm mit sich bringt. „Im ersten Ausbildungsjahr beträgt die Förderung 100 Prozent, im zweiten Ausbildungsjahr 70 Prozent und im dritten Ausbildungsjahr 30 Prozent. Den restlichen Anteil übernimmt die Stadt“, erklärt Katharina Vokoun, Sprecherin der Weißenfelser Stadtverwaltung.

Stadt hält an Programm fest

Auch die Saalestadt lässt seit 2020 künftige Erzieherinnen und Erzieher nach diesem Modell ausbilden, derzeit sind es vier. Ihre Ausbildung wird auch bis zum Ende der Lehre im Jahr 2023 gefördert. Nur für neue Ausbildungen gibt es keine Zuschüsse mehr. Dennoch will die Stadt an der praxisorientierten Ausbildung festhalten. „Dass der Arbeitgeber eine Ausbildung finanziert, ist der Normalfall. Genauso läuft es auch bei den Verwaltungsfachangestellten“, so Vokoun. Und so sollen ab August fünf weitere Erzieher-Azubis nach dem Modell ausgebildet werden. In Weißenfels sieht man die Problematik also etwas weniger eng als in Hohenmölsen. So wurden laut Katharina Vokoun im aktuellen Haushaltsplan für 2021 auch schon 52.000 Euro für die Finanzierung der praxisorientierten Ausbildung eingeplant.

-> zum Kommentar: Ein Teufelskreis

In der Drei-Türme-Stadt ist das hingegen nicht der Fall. „Wir sind in unseren Planungen davon ausgegangen, dass die Förderung vom Land fortgesetzt wird“, so Bürgermeister Haugk. Doch wie begründet das Land die Einstellung der Förderung des Programms? Auf MZ-Nachfrage verweist ein Ministeriumssprecher auf das Gute-Kita-Gesetz des Bundes, das die praxisorientierte Ausbildung regelt. Die Finanzierung des Programms läuft Ende 2022 aus. „Ohne Finanzierungsgrundlage kann zum 1. August 2021 kein weiterer Ausbildungsdurchgang gefördert werden, der bis zum 31. Juli 2024 laufen würde. Der Bund hat zwar in Aussicht gestellt, die Mittel im Gute-Kita-Gesetz weiterhin zur Verfügung zu stellen, darüber wird aber abschließend erst nach der Bundestagswahl entschieden werden“, erklärt der Sprecher des Sozialministeriums. Das Land werde sich um eine Fortsetzung der Förderung bemühen.

Modell der Zukunft

Denn - und hier sind sich Kommunen und das Land einig: Die praxisorientierte Ausbildung ist das Modell der Zukunft für die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher. „Aufgrund der zahlreichen Nachfragen von Interessentinnen und Interessenten sind wir davon überzeugt, dass eine vergütete Erzieherausbildung der richtige Weg ist, um eine gegenüber anderen Ausbildungen konkurrenz- und zukunftsfähige Ausbildung zu etablieren“, so das Landessozialministerium. Auch die Qualität der Ausbildung werde durch das Programm verbessert, was auch die Stadt Weißenfels so sieht: „Der größte Vorteil ist die enge Verzahnung von Praxis und Theorie von Anbeginn an.

Es findet ein wöchentlicher Wechsel zwischen Schule und Kita statt. Somit ist immer wieder eine Rückkopplung mit den gesammelten Erfahrungen und dem erworbenen Wissen möglich“, sagt Katharina Vokoun. Die Stadt setzt große Hoffnungen auf das neue Ausbildungsmodell und möchte dadurch „qualifizierte Fachkräfte an sich binden.“ Und auch für Hohenmölsen und Haugk sei die praxisintegrierte Ausbildung die „Ausbildungsform der Zukunft“.

Theorie und Praxis im Wechsel

Die praxisorientierte Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher gibt es seit 2019. Das Modell unterscheidet sich von bisherigen Ausbildungsformen im Wesentlichen darin, dass die Auszubildenden die drei Lehrjahre bezahlt kommen, sie also ein festes Ausbildungsgehalt kriegen. Zudem finden während der Ausbildung Schule und praktische Arbeit in den Kita abwechselnd statt. Bisher war es so, dass man zwei Jahre die Schule besuchte und erst im dritten Jahr, dem Anerkennungsjahr, in die Einrichtungen ging. Die bisherigen Vorqualifikationen, um eine Ausbildung zum Erzieher beginnen zu können, gelten auch bei der praxisorientierten Ausbildung: Man benötigt etwa den Abschluss als Kinderpfleger oder Sozialassistenten.

Für das Modell wurden 2019 extra eigene Klassen in verschiedenen Berufsschulen des Landes gebildet, darunter in Halle, Dessau, Stendal und Magdeburg. Seit dem vergangenen Jahr bietet auch die Berufsbildende Schule Burgenlandkreis in Weißenfels die praxisorientierte Ausbildung an. Laut Schulleiter Jörg Riemer besteht diese Klasse aus 22 Schülerinnen und Schülern. (mz/Tobias Schlegel)