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"Kyffhäuser-Treffen" "Kyffhäuser-Treffen": Wie Burgscheidungen auf die AfD reagiert

Von Alexander Schierholz 23.06.2018, 18:36
Auch André Poggenburg ist nach Burgscheidungen gekommen.
Auch André Poggenburg ist nach Burgscheidungen gekommen. dpa-Zentralbild

Burgscheidungen - Hans-Thomas Tillschneider ist gerade erst aus dem Auto gestiegen und losgegangen, da kehrt er um, sein Redemanuskript holen. So muss der AfD-Landtagsabgeordnete den Weg zwischen Parkplatz und Veranstaltungsort später nicht noch einmal zurücklegen. Parkplätze sind Mangelware in Burgscheidungen (Burgendlandkreis). Daher müssen die Teilnehmer des „Kyffhäuser-Treffens“ der AfD entlang der Straße zwischen dem Dorf und dem Nachbarort Karsdorf parken und einen Fußmarsch in Kauf nehmen - mehrere hundert Meter, zehn bis 15 Minuten.

Rechtsnationaler Flügel der AfD trifft sich in Burgscheidungen

Begleitet von Protesten, trifft sich in Burgscheidungen am Sonnabend der rechtsnationale Flügel der Partei, der auch genau so heißt: „der Flügel“. 1.000 Teilnehmer treffen auf 650 Dorfbewohner. Das bedeutet Ausnahmezustand. Der Ort im Unstruttal ist abgeriegelt. An allen Ecken stehen Kleinbusse der Polizei oder kurven durch die engen Gassen.

Vor dem Tor des Schlosses, in dem die AfD zusammenkommt, haben sich Kamerateams und Fotografen postiert. Vor ihnen, den Schlossberg hinauf, stehen die Teilnehmer in einer langen Schlange und warten geduldig auf Einlass. Das dauert. Das Tor ist ein Nadelöhr. Das Treffen beginnt mit Verspätung; erst mehr als eine Stunde nach dem geplanten Beginn schließen sich hinter den letzten Teilnehmern die schweren hölzernen Torflügel. Die Reporter müssen draußen bleiben. Medien sind unerwünscht.

Björn Höcke hält Rede in Burgscheidungen

Im Schlosshof ist für die AfD ein großes Festzelt aufgebaut, die Bühne geschmückt mit einer riesigen Deutschland-Fahne. Während die Gäste dort Reden von AfD-Bundeschef Jörg Meuthen oder dem thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke zuhören, kommt der Gegenprotest im Ort bei zehn Grad, grauem Himmel und Nieselregel nur langsam in Gang.

Unter dem Motto „Für Menschlichkeit und Miteinander“ haben sie ein Dorffest geplant, um der AfD etwas entgegenzusetzen. Pfarrerin Anne-Christina Wegner hat die Kirche geöffnet, Helfer haben in einem Nebenraum ein Buffet aufgebaut - Kaffee und Kuchen, Würstchen und Schnittchen, Salat und Suppe. Am Eingang des Gotteshauses liegen Informationen aus über die Geschichte des Kindergartens, für den Spenden gesammelt werden. Viele ältere Menschen kommen, Familien mit Kindern.

70 Menschen bei „Friedensspaziergang“ gegen AfD

Von linken Gewalttätern keine Spur. Diese, so hatten sich Wegner und ihr Mitorganisator Johannes David in sozialen Netzwerken vorwerfen lassen müssen, würden sie mit ihrer Veranstaltung eigens anlocken. „Blühender Blödsinn“, kommentiert Wegner. Gewalt geht stattdessen von der anderen Seite aus: Am Nachmittag wird nach Polizeiangaben eine Journalistin von einem AfD-Anhänger geschubst und beleidigt, ihre Kamera wird dabei beschädigt.

Zuvor, der Regen hat aufgehört, die Sonne lugt hervor, machen sich am Mittag rund 70 Menschen mit bunten Luftballons in den Händen vom Sportplatz aus zu einem „Friedensspaziergang“ durch den Ort auf. 70 gegen 1.000 - ein ernüchterndes Verhältnis.

Doch Markus Nierth will das nicht so stehen lassen: „Lassen Sie sich nicht davon entmutigen, dass Sie so wenige sind“, ruft der ehemalige Bürgermeister von Tröglitz (Burgenlandkreis) die Menschen auf. „Wir haben in Tröglitz gelernt, dass wir uns nicht wegducken dürfen vor denjenigen, die unser friedliches Zusammenleben zerstören wollen“, sagt Nierth mit Blick auf die AfD. Nierth war im Frühjahr 2015 zurückgetreten, nachdem Rechtsextremisten bei einer Anti-Asyl-Demonstration vor seinem Wohnhaus aufmarschieren wollten. Nun ist er gekommen, um den Burgscheidungern Mut zu machen.

André Poggenburg: „Mitteldeutschland ist ,Flügel’-Land“

Neben ihm geht Götz Ulrich. Der CDU-Politiker, Landrat des Burgenlandkreises, hat ebenso wie Nierth Morddrohungen erhalten wegen seines Einsatzes für Flüchtlinge. Nun mahnt er, die „europäische Fahne hochzuhalten und mit denen, die zu uns gekommen sind, das friedliche Zusammenleben zu organisieren“.

Es ist der Gegenentwurf zur Strategie der AfD-Rechtsaußen. Geht es nach André Poggenburg, Sachsen-Anhalts Ex-AfD-Landeschef und Mitbegründer des „Flügels“, soll die rechtsnationale Strömung in der Partei an Einfluss gewinnen - vom Osten aus.

„Mitteldeutschland ist ,Flügel’-Land“, sagt Poggenburg vor Beginn des Treffens in die Mikrofone der Reporter, nun wolle man „die Botschaft des ,Flügels’ in die westdeutschen Landesverbände tragen“. Die rechtsnationale Strömung versteht sich Poggenburg zufolge als „Korrektiv“ innerhalb der Partei. Man wolle an die „Grundwerte“ erinnern, für die die AfD stehe, etwa die „Distanz zum Establishment“. Politik werde nicht nur in den Parlamenten, sondern auch „auf der Straße“ gemacht.

Zum Beispiel gemeinsam mit Pegida. Gast der AfD auf Schloss Burgscheidungen ist auch Lutz Bachmann, der Mitbegründer der fremdenfeindlichen Bewegung - und Poggenburg bekräftigt den Schulterschluss mit Pegida: „Es gibt keine Distanz.“ (mz)