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Integration Junge Ukrainerin findet Hilfe in Hohenmölsen - und wird nun selbst zur Helferin

Warum der Burgenlandkreis der 21-Jährigen nicht unbekannt ist und woher sie so gut Deutsch kann.

Von Tobias Schlegel Aktualisiert: 12.05.2022, 09:41
Yelyzaveta Yatsiuk, kurz Lisa genannt, (rechts) ist mit ihrer Familie seit März in Hohenmölsen. Unterstützt wird sie von Birgit Gajowski und deren Familie.
Yelyzaveta Yatsiuk, kurz Lisa genannt, (rechts) ist mit ihrer Familie seit März in Hohenmölsen. Unterstützt wird sie von Birgit Gajowski und deren Familie. Foto: Matthias Krüger

Hohenmölsen/MZ - Den 24. Februar 2022 wird Yelyzaveta Yatsiuk in ihrem Leben nicht mehr vergessen: „Ich bin am Morgen aufgewacht und mein Freund sagte zu mir: ,Steh auf, der Krieg hat begonnen’“, erzählt die 21 Jahre alte Ukrainerin.

Ein knappes Vierteljahr später: Yelyzaveta Yatsiuk, die von allen nur Lisa genannt wird, sitzt an einem Tisch in der Grundschule Hohenmölsen - 1.400 Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Die hat die junge Frau in den ersten Kriegswochen gemeinsam mit ihrer Mutter, Tante und ihrem Cousin verlassen, um in Hohenmölsen Schutz zu finden. „Es ist sehr ruhig hier, man hat nicht viel Stress und kann sich gut einleben“, sagt die junge Frau in einem sehr guten Deutsch.

Aus einer 400.000-Einwohner-Stadt nach Hohenmölsen

Woher sie die Sprache kann? Die 21-Jährige hat Englisch, Deutsch und Literatur studiert und ihren Bachelor-Abschluss gemacht. Aktuell strebt sie ihren Master an - in Deutsch, Englisch und Philologie. Darüber hinaus hat Lisa in ihrer Heimat in einem Sprachlernzentrum - eine Art Volkshochschule - Deutsch- und Englischunterricht gegeben. „Ich kann mir beruflich nichts anderes vorstellen“, sagt die junge Ukrainerin. Sprachen haben sie schon zu Schulzeiten interessiert.

Zudem habe sie bereits vor dem Ukraine-Krieg eine Verbindung zu Deutschland und der Region um Hohenmölsen gehabt: Ihre Tante wohnte einige Zeit in Profen. „Die deutsche Sprache gefällt mir auch sehr gut“, sagt Lisa, die ursprünglich aus einem kleinen Dorf stammt, die letzten Jahre aber in der 400.000-Einwohner-Stadt Winnyzja in der Zentralukraine gelebt und studiert hat - etwa vier Autostunden von Kiew entfernt.

Polnische Helfer brachten die Familie nach Krakau

Als ihre Tante noch in Profen wohnte, habe Lisa sie mehrmals besucht. Und so war es naheliegend, hier in der Region vor dem russischen Angriffskrieg Schutz zu suchen. „Als der Krieg begann, war das schwer zu glauben. Wir dachten, er würde nicht lange dauern und es war zunächst auch nicht geplant, nach Deutschland zu kommen“, erzählt Lisa. Denn: „Wir wussten, dass unsere Männer im Land bleiben müssen. Doch sie wollten, dass wir in Sicherheit sind“, sagt die 21-Jährige. Auf der Flucht begegneten Lisa und ihrer Familie zwei polnische Helfer, die sie nach Krakau brachten.

Von dort holte die Familie eine Bekannte ihrer Tante aus Profen ab, die vor einem Jahr zurück in die Ukraine ging und dort nach wie vor ist, und brachte sie nach Hohenmölsen. Dort sind Lisa, ihre Mutter, eine andere Tante und deren Sohn nun untergebracht. „Auch wenn ich die Region hier schon etwas kannte, hat es Zeit gebraucht, das alles zu begreifen“, sagt Lisa. Ihr Freund, der Vater und der Onkel sind nach wie vor in der Ukraine. Täglich steht sie mit ihnen telefonisch in Kontakt. „Wir unterstützen uns gegenseitig. Gott sei Dank sind sie alle gesund, es ist alles in Ordnung bei ihnen“, berichtet die 21-Jährige - und kämpft dabei dennoch mit den Tränen, als sie das sagt.

„Der Unterricht macht mir sehr viel Spaß"

In Hohenmölsen setzt die junge Frau ihr Studium nun aus der Ferne fort - bald steht ihre Masterarbeit an. Und: Lisa gibt wieder Unterricht und wird damit selbst zur Helferin. Dank der Freundin ihrer Tante konnte sie Kontakt zum Burgenlandkreis und dem Landesschulamt aufnehmen. Seit Kurzem gibt die 21-Jährige Förderunterricht am Hohenmölsener Agricolagymnasium, bringt dort Schülerinnen und Schülern der Klassenstufe sieben und neun über den normalen Unterricht hinaus Englisch bei. Geplant ist zudem, dass sie ukrainischen Kindern in der Sekundarschule Deutsch beibringt.

Des Weiteren unterstützt Lisa ihre erwachsenen Landsleute in Hohenmölsen dabei, die deutsche Sprache zu lernen. Die junge Frau ist dabei Teil des Projekts „Stadtschule“ der Willkommensinitiative, bei dem den in Hohenmölsen lebenden ukrainischen Flüchtlingen in einem Sprachkurs Deutsch beigebracht wird (die MZ berichtete). Lisa ist eine von drei Lehrern der Stadtschule. „Ich mag es, meine Deutschkenntnisse zu teilen und der Unterricht macht mir sehr viel Spaß“, sagt die Ukrainerin.

Dankbar für die Unterstützung

Darüber hinaus unternimmt die 21-Jährige mit ihrer Familie viele Spaziergänge - unter anderem war man schon am Mondsee und besuchte einen Flohmarkt. Auch die Freundin ihrer Tante und deren Familie kümmern sich um Lisa und deren Angehörige, unterstützen sie dabei, im Alltag zurechtzukommen. „Meine Familie und ich sind dafür sehr dankbar. Die Menschen hier sind sehr offen, freundlich und hilfsbereit. Wir haben so viel Unterstützung bekommen, das wissen wir sehr zu schätzen“, sagt die 21-Jährige.

Schwierig ist es dagegen, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Aufgrund des Krieges und dessen ungewissen Ausgangs sei es fast unmöglich, etwas zu planen. Alles sei so instabil, eine Rückkehr in die Heimat ungewiss. „Auch wenn es mir in Deutschland sehr gefällt, vermisse ich die Ukraine doch sehr“, sagt Lisa. Beruflich möchte die 21-Jährige auch nach ihrem Studium weiter mit Sprachen arbeiten. Sie gebe sehr gerne Unterricht, aber auch eine Anstellung als Dolmetscherin kann sich die Ukrainerin vorstellen.