Interview zu Altersarmut Interview zu Altersarmut: DGB sagt steigende Armut bei Senioren voraus

Zeitz - Das Thema Altersarmut bewegt sichtlich viele Leser. Im vergangenen Jahr sind im Burgenlandkreis beispielsweise 1.648 Frauen und Männer wegen Altersarmut vom Bund mit rund 7,4 Millionen Euro unterstützt worden. Im Jahr 2010 waren es „nur“ 1.388 Menschen, die 3,8 Millionen Euro erhielten. Klaus-Dieter Kunick sprach dazu mit Johannes Krause, Geschäftsführer der Region Halle-Dessau des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Wie bewerten Sie diese Zahlen?
Krause: Uns wundern diese Zahlen überhaupt nicht. Es ist so, wie wir schon lange vorausgesagt haben, die Altersarmut nimmt bundesweit zu. Wir gehen sogar einen Schritt weiter und sagen, dass jeder sechste Rentner künftig von Armut betroffen sein könnte.
Können Sie das konkretisieren?
Krause: Noch sind es von den rund 20 Millionen Rentnern in Deutschland nur wenige Senioren, die am Existenzminimum leben. Aber das ändert sich, garantiert. So gehen wir davon aus, dass im Jahre 2030 etwa die Hälfte der Senioren eine Rente beziehen wird, die kaum höher als die Grundsicherung ist.
Grundsicherung heißt was?
Krause: Nichts anderes als Sozialhilfe. Und die orientiert sich am Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger. Die Grundsicherung liegt einschließlich der Leistungen für Wohnung und Heizung bei 690 Euro monatlich. Als Faustregel gilt: Wenn das gesamte Einkommen unter 773 Euro liegt, sollte man prüfen lassen, ob Anspruch auf Grundsicherung besteht. Das hat alles nichts mit Schwarz-Weiß-Malerei zu tun, sondern mit der Realität. Und vor der sollte niemand die Augen verschließen.
Ab welcher Summe wird eigentlich von Altersarmut gesprochen?
Krause: Wer als Alleinstehender weniger als 979 Euro netto im Monat hat, ist laut EU-Richtlinie arm. Man muss aber immer das einzelne Land sehen, die Renten entwickeln sich unterschiedlich. In Deutschland liegt die Grenze bei 1.050 Euro. Es gibt jedoch in Deutschland keine Mindestrente, sondern die individuelle Grundsicherung. Zusätzlich verschärfend wirkt sich außerdem der Beginn der stufenweisen Besteuerung der Rente, welche noch zusätzlich Rentenbezüge kürzen wird.
Wer ist besonders von der Armut im Alter betroffen?
Krause: Teilzeitbeschäftigte, Arbeitslose und alleinerziehende Mütter. In der Agentur für Arbeit Weißenfels sind zum Beispiel 14.853 Teilzeitbeschäftigte registriert und weitere 7.187 Menschen sind geringfügig beschäftigt. Sie alle haben ein höheres Risiko altersarm zu werden, da sie nur begrenzt gesetzliche Rentenansprüche sammeln können. Es ist zudem oftmals so, dass Mütter häufig nach der Geburt des Kindes erst einmal nach einer Teilzeit-Stelle greifen, um mehr Zeit für das Kind zu haben. Das hat allerdings dramatische Konsequenzen, denn das Einkommen wirkt sich negativ auf die Rente aus. Das ist eine Folge von Bezahlung ohne Tarif oder Armut trotz Arbeit. Der Staat hat das durchaus erkannt, unternimmt aber nichts und sagt „uns sind die Hände gebunden.“
Wer ist noch davon betroffen?
Krause: Keine Frage, wer schlechter ausgebildet ist hat ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden. Besonders betroffen ist die Gruppe der Personen ohne Berufsabschluss. Das sind im Burgenlandkreis 2.268 Personen. In der Agentur für Arbeit sind das 201 ohne Berufsschulabschluss, im Jobcenter sind es 2.067 Personen, was 30,1 Prozent aller Registrierten entspricht. Durch dieses geringe Einkommen landen viele Menschen in der Grundsicherung und bekommen nur eine Minimalrente.
Ist die Altersarmut aufzuhalten?
Krause: Als Gewerkschafter sagen wir, das der Staat gegensteuern muss. Das Rentenniveau wurde abgesenkt, in diesem Jahr wurden ein paar Euro mehr versprochen. Das löst aber nicht das Problem. Besonders im Osten, dem Billig-Lohn-Land mit wenigen Betrieben, die nach einem Tarifvertrag zahlen, wird die Armut gravierend ausfallen. Der Staat hat so viel Steuern eingenommen wie lange nicht. Wir fordern deshalb, dass der Staat die Renten bezuschusst und das Rentenniveau grundlegend anhebt. Ansonsten wird es nicht bei den eingangs erwähnten 1.648 Menschen bleiben, sondern dann wird diese Zahl explodieren.
(mz)