Archäologie in Sachsen-Anhalt Wird das Geheimnis gelüftet? Mysteriöses Grab in der Stiftskirche St. Marien in Walbeck
Die mittelalterliche Kirchenruine in Walbeck gibt ihre Geheimnisse nur stückweise preis. Bei archäologischen Nachgrabungen kamen jetzt neue Details zutage.

Walbeck. - Wer wurde in der Ruine der über 1.000 Jahre alten Stiftskirche St. Marien in Walbeck (Landkreis Börde) einst beerdigt? Bereits 1932 wurde dort ein einzigartiges, reich verziertes, frei stehendes Grabmal, eine sogenannte Tumba, geborgen.
Grabkammer in Walbecker Kirche archäologisch untersucht
Die darunter liegende, 2,63 Meter mal 1,35 Meter messende, Grabkammer wurde gründlich ausgeräumt. „Jetzt kommen bei den aktuellen Nachgrabungen neueste wissenschaftliche Methoden zum Einsatz“, sagte Landesarchäologe Harald Meller.
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Es seien kleine Fragmente von Holz, Stuck und Knochen, die vermutlich auf den Sarg, die Tumba und die bestattete Person zurückzuführen sind, geborgen worden.
„Materialanalytik und naturwissenschaftliche Datierungen lassen weitere Erkenntnisse erwarten“, so Meller. Wer ruhte einst in der Grabkammer? Mit bioarchäologischen Analysen soll die Identität geklärt werden.

Wurde besondere Persönlichkeit in Walbeck bestattet?
Die einst zentrale Aufstellung des Grabmals und die reiche Verzierung dieser Stuckplastik verweisen auf die Bestattung einer besonderen Persönlichkeit, die vermutlich mit dem Gründer des Stifts, Graf Lothar II. († 964), in Verbindung stand.
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Die Anlage wurde von ihm nach 941 als Sühneleistung für die Beteiligung an einer Verschwörung gegen Otto I. (912 - 973) gegründet.
Nördlich an die zentrale Grabkammer schließt eine weitere, kleinere und etwa 30 Zentimeter höher gelegene Kammer von 50 Zentimeter mal 1,45 Metern an. Wahrscheinlich handelt es sich um ein beräumtes Kindergrab.
Gefundene Grabbeigaben geben Rätsel auf
Zudem schloss sich an die Westkante der Grabkammer ein Nord-Süd-ausgerichteter, 50 Zentimeter breiter Graben an, der Rätsel aufgibt. Aus diesem Graben stammen mehrere Keramiktöpfe des 10./11. Jahrhunderts.
„Auch dieser Befund wird erneut untersucht, um nach Möglichkeit Hinweise auf den Aufbau und die Funktion der Grabenstruktur sowie der Gefäße zu erhalten“, sagte Projektleiter Donat Wehner.

„Möglicherweise waren es Behälter für Räucherwerk oder wohlriechende Essenzen.“ Ebenso könnte es sich um Behälter zur Bestattung der inneren Organe, wie sie in der Ottonen-Zeit belegt sind, oder um Bauopfer oder Reliquien handeln.
Um Aufschluss über den möglichen Inhalt der Gefäße zu erhalten, sind chemische Analysen an den Oberflächen der vorliegenden Gefäße geplant.
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Kirche als Sühne für Verschwörung
Die etwa zwei Meter lange und 0,5 Meter hohe, ursprünglich farbig gefasste und reich verzierte, massive Tumba trägt auf den Seiten eine umlaufende Bogenreihe.
Ihre Oberfläche, in die vormals vermutlich zwei Alabasterplatten eingelassen waren, wird von einem Rankenfries sowie einem umlaufenden Zahnfries gerahmt. Das Kunstwerk steht jetzt in der Walbecker Dorfkirche.
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Lothar II. war zu Ostern des Jahres 941 an einem Komplott Heinrichs, des späteren Herzogs von Bayern, gegen dessen Bruder König Otto I., den späteren Kaiser Otto der Große, beteiligt gewesen.
Die geplante Ermordung des Königs in Quedlinburg schlug fehl, etliche Mitverschwörer Heinrichs wurden hingerichtet. Lothar II. von Walbeck wurde begnadigt. Als Sühneleistung gründete er dieses Stift.
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Kirchenruine ist bedeutendes architektonisches Zeugnis der Ottonenzeit
Wie aus einer Meldung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt hervorgeht, zählt die Ruine der Stiftskirche St. Marien in Walbeck zu den wichtigsten und malerischsten Stationen auf der Straße der Romanik.
Gegründet wurde der Kanonikerstift, zu dem die Kirche einst gehörte, durch Graf Lothar II. von Walbeck auf dessen Eigengut. Graf Lothar war Angehöriger eines Adelsgeschlechts, das sowohl in der sächsischen Geschichte als auch in der Reichsgeschichte eine herausgehobene Rolle spielte, heißt es dort weiter.
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Bedeutendster Vertreter dieses Adelsgeschlechts war der spätere Bischof von Merseburg und wichtigster Geschichtsschreiber der ottonischen Epoche Thietmar, dessen Chronik einige Informationen über Anfangszeit des Stifts enthält.
Obwohl seit dem 19. Jahrhundert nur noch als Ruine erhalten, zählt die Kirche des einstigen Stifts zu den bedeutenden architektonischen Zeugnissen der Ottonenzeit in Deutschland, denn nur an sehr wenigen Bauten hat sich aufgehendes Mauerwerk aus dieser Zeit erhalten.