Frauenpower im Getreidefeld Frauenpower im Getreidefeld: Wie diese Frau spielerisch die Riesen bezwingt

Starsiedel - Eine junge braungebrannte Frau mit langen blonden Haaren entert einen Mähdrescher-Riesen - 12,3 Meter breit ist das Schneidwerk vom S 690 i, aus drei Meter Höhe blickt sie aus der Fahrerkabine darauf hinab. „Auf der Straße hat der es in sich“, verrät Claudia Wehnert, wo das große Gerät sie am meisten fordert. Nämlich dann, wenn sie den Mähdrescher und den selbstständig lenkenden Anhänger mit dem Schneidwerk drauf umsetzen und dafür durch Ortschaften fahren muss. Sie hat mit den Fahrern dreier anderer Mähdrescher 9 Uhr ihr Einsatzgebiet, den Silberberg zwischen Starsiedel und Kaja, erreicht. Hier sind 123 Hektar Weizen zu ernten für die Agrardienstleistungsgesellschaft Lützen-Dölzig, eines der Unternehmen, für das die Agrardienste Lützen arbeitet, bei der Claudia Wehnert gemeinsam mit neun Männern im Maschinistenteam arbeitet. Auf den letzten von 1.710 Hektar Weizenfelder haben sie jetzt die Erntetechnik im Einsatz.
Gute Ernteerträge erwartet
„Es wird ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag“, sieht Claudia Wehnert beim Blick zum Himmel voraus. Doch der ist ihr lieber, als die Arbeit auf dem Feld vorzeitig abbrechen zu müssen oder gar nicht erst rausfahren zu können, weil es regnet oder die Felder zu feucht sind. Sie hat in der letzten Woche schon häufig zu Hause auf Abruf gesessen. Nun „frisiert“ sie das Feld, nur Stoppeln bleiben, wo sie mit 3,1 Kilometern pro Stunde rübergerollt ist. Das Korn nimmt ihr ein Überladewagen ab, den ihr immer wieder ein Traktor zuführt. Aus der Ferne bewegen sich die Riesen wie Spielzeuge über die Fläche. In ihrer Staubwolke verbergen sie die Transporter, die ihnen elektronisch seitlich angekoppelt sind, solange ihnen das Getreide zugeblasen wird. Sehr gute Erträge werden in diesem Jahr eingefahren.
Fingerspitzengefühl statt Muskelarbeit
Selbst im Cockpit des Mähdreschers sieht das so aus, als würde Claudia Wehnert nur eine Spielkonsole bedienen. Wird die Tür geschlossen, bleiben Hitze, Lärm und Staub draußen. Leise klingt Musik aus dem Lautsprecher, die die Sprechfunkkontakte mit den Kollegen immer wieder übertönen. Mit den Fingerspitzen stellt die junge Frau die auf GPS-Daten basierende Lenkautomatik ein und muss dann nicht mehr befürchten aus der Spur zu kommen. Die Schneidwerkeinstellungen erfährt sie über Monitor und kann sie per Computer verändern. Dann konzentriert sie sich darauf, dass überall gleichmäßig die Ähren erfasst werden. Passiert das nicht, könnte sich irgendwo ein Klumpen festgesetzt haben und müsste beseitigt werden. Wenn es nicht reicht, das Schneidwerk einmal leer zu drehen, zurückzusetzen und neu in die Ähren zu greifen, muss Claudia Wehnert schon mal die sieben Stufen aufs Feld hinunter. Und danach wieder hinauf. Das ist ihre sportliche Übung bis zu zehn Mal am Tag. Doch ein Muskelprotz muss sie dafür nicht sein. Es reicht der Alltag auf ihrem eigenen kleinen Bauernhof im Markranstädter Ortsteil Thronitz zum Fithalten. Hund, Hühner, Hasen, drei Pferde und einen Bullen hat sie dort.
Arbeiten, wenn andere Urlaub machen
Als sie in Leipzig aufwuchs, war ihr die Landwirtschaft noch fremd, verrät die 29-Jährige. In Markkleeberg hat sie dann ihre Liebe zu Pferden entdeckt und ist so in den Beruf des Tierwirts gekommen. Doch ausleben konnte sie ihn nach der Ausbildung nicht, musste sich für den Lebensunterhalt mit Kompromissen bei der landwirtschaftlicher Arbeit zufriedengeben. „Jetzt bin ich mit meinem Leben glücklich“, sagt sie heute. In dem Starsiedeler Betrieb habe sie in einem guten Team ihren Platz gefunden. Tiere sind ihr Hobby geblieben.
Die Ernte ist ihr die liebste Arbeitszeit, auch wenn es die ist, in der anderen Urlaub machen. Bevor es richtig losging in diesem Jahr, war sie im Juni noch einmal zum Durchatmen gekommen und mit Freundinnen ein paar Tage auf Mallorca. Vom Dezember bis Februar kann sie dann die Überstunden vom Sommer abbummeln, weil sie nicht zur Neubestellung der Felder, zum Spritzen von Pflanzenschutzmitteln oder zum Düngen aufs Feld muss. Die freie Zeit im Winter nutzt sie intensiv um Freundschaften zu pflegen. (mz)
